Knackpunkt Kapazität

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Warum eine Tram auf den Hauptverkehrsachsen und kein Großbus?

Für die Lösung der Verkehrsprobleme in der Stadt Luxemburg muss der öffentliche Transport künftig eine ganz einfach zu formulierende Aufgabe bewältigen: 10.000 Passagiere sind auf der Hauptverkehrsachse Findel-Cloche d’or pro Stunde und Richtung zu befördern. Diese Kapazitätsanforderung stellt einen Knackpunkt dar. Der Knackpunkt, auch bekannt als „Conditio sine qua non“ oder „Dealbreaker“, stellt in einem Lastenheft eine Bedingung dar, deren Erfüllung über alle anderen Kriterien prämiert. Ist sie nicht erfüllt, ist alles andere hinfällig und jede weitere Diskussion darüber müßig.

Die Tram schafft die 10.000 Passagiere, der Bus bei weitem nicht. Denn auch die größten Busse verkraften nur 4.500 Passagiere und scheitern ergo am Knackpunkt. Game over.

In der ganzen Diskussion zum Thema „Tram oder nicht Tram“ preisen die Siderodromophoben (das sind Menschen, die an einer mysteriösen Abneigung gegenüber der „Strooss aus Eisen“ leiden) unablässig irgendwelche mirakulöse Pseudotrams an, Großbusse, die angeblich „alles können, was eine Tram kann“. Es hat sich indes gezeigt, dass die Beförderungsbedürfnisse, welche in der Stadt Luxemburg tagaus, tagein bestehen, nur noch von einem schienengebundenen Verkehrsmittel zu bewältigen sind.

Gut 100.000 Menschen müssen morgens in die Stadt hinein und abends wieder hinausbefördert werden. Hinzu kommen die über 116.000 Stadtbewohner mit ihren eigenen Transportwünschen.

In 24 Meter lange Doppelgelenkbusse, wie sie heute schon in der Stadt Luxemburg verkehren, passen 150 Menschen, in eine 54 Meter lange Tram dagegen 520. Man wirft der Tram oft vor, dass sie nicht „flexibel“ sei, weil sie nun mal nicht von ihrem Schienenweg abweichen kann.

Pseudotrams wie der spurgeführte Trolleybus (TVR) aus Nancy haben sich kaum irgendwo bewährt: Sie kombinieren genialerweise in einem einzigen Fahrzeug die Nachteile des Busses mit jenen der Tram. Unsere Lothringer Nachbarn erhalten ab 2022 denn auch eine richtige Straßenbahn.

Symbiose Tram/Bus

Das braucht sie aber gar nicht zu können: Sie ist allein dazu da, ein Maximum an Menschen über die Hauptverkehrsachsen der Stadt Luxemburg wie z.B. Findel-Kirchberg-Oberstadt-Gare-Cloche d’or zu befördern.

Und das kann sie, hervorragend und konkurrenzlos! Der Bus hat dagegen die Tram von den Nebenachsen verdrängt: Dort ist die Flexibilität des Busses der Straßenbahn in der Tat überlegen und hier wird die Tram denn auch kein Comeback erleben.
Tram und Bus sind mithin keine natürlichen Feinde. Loin de là! Sie ergänzen sich auf geradezu symbiotische Weise und sind beide unverzichtbare Komponenten zur Bereitstellung eines wirksamen öffentlichen Transportes. Gegenüber dem Bus bietet die Tram aber auch ein deutliches Plus an Komfort, was entscheidend dazu beiträgt, dass in Städten, die eine neue Tram einführen, zahlreiche Menschen, die vorher nie einen Fuß in den Bus setzten, auf den öffentlichen Transport umsteigen. Zudem ist die Straßenbahn (pro Personen- oder Fahrzeugkilometer) deutlich sicherer als das Auto und etwas sicherer als der Bus.

Und der ganz große Vorteil der neuen Tram gegenüber dem Pkw: Da sie über eine eigene Fahrbahn verfügt („site propre“), wird sie ihre Passagiere total relax am Individualverkehr, der kollektiv im Dauerstau versauert, vorbei befördern können.


Technische Daten

Hersteller: CAF, Saragossa, Spanien (www.caf.net)
Typ: Urbos 3. Integral niederflurig. Zweirichtungsbetrieb. Normalspur 1.435 mm.
Flotte: 6 Triebwagen für den ersten Streckenabschnitt. 33 bei Fertigstellung der Linie Findel-Cloche d’or.
Länge: 43 Meter mit 7 Segmenten (erweiterbar auf 53 m), Breite 2,65 m, Masse: 64 t
Kapazität: 420 Passagiere (bei 43 m Länge) bzw. 520 (bei 53 m Länge). Jeweils bei sechs Passagieren pro Quadratmeter.
Kapazität des Systems: 10.000 Passagiere pro Richtung und Stunde
Fahrer: 25 in der ersten Phase, 90 nach Fertigstellung der Linie
Geschwindigkeit: 70 km/h (maximal), 50 km/h (maximal in der Stadt), 22 km/h (kommerzielle Durchschnittsgeschwindigkeit)
Türen: 8 Doppeltüren pro Fahrzeugseite
Elektrischer Antrieb: 750 V Gleichstrom. 12 Antriebsmotoren à 70 kW = 840 kW Gesamtleistung
Stromversorgung: Oberleitung, Batterien und Kondensatoren
Recycling: 93% der verwendeten Materialien wiederverwertbar


Was kostet eine Tramfahrt?

In Luxemburg gibt es nur eine Sorte Tickets für den öffentlichen Transport (ÖT). Diese sind mithin auch für die Tram gültig. In der Tram gibt es nur eine Klasse. Der Basistarif beträgt 2 Euro: Damit kann man zwei Stunden lang nach Lust und Laune mit Luxtram, AVL, TICE, RGTR und CFL kreuz und quer durch das Ländchen fahren. Die Standseilbahn Pfaffenthal-Kirchberg ist eh gratis.

Ausgesprochen preiswert ist die Tageskarte für 4 Euro: Einen ganzen Tag ÖT à gogo im ganzen Großherzogtum. Gültig zudem bis 4.00 Uhr tags darauf. Legt man 2 Euro drauf, darf man bei der CFL auch noch in erster Klasse reisen.

Eine Jahreskarte für den ÖT kostet 440 Euro, also unschlagbar günstige 1,20 Euro pro Tag. Senioren ab 60 zahlen schlappe 100 Euro pro Jahr.

An Bord gibt es übrigens keinen Fahrkartenverkauf. Die Traminots walten ihres Amtes nämlich in einem transparenten, aber geschlossenen Führerstand. Die Tickets muss man sich also vor Fahrtantritt besorgen.

Weitere Tarife auf www.mobiliteit.lu.


Priorität für Aussteigende

Damit die Fahrt mit Tram und Bus möglichst schnell vonstatten geht, gibt es eine Grundregel an den Haltestellen: Erst die Aussteigenden rauslassen, bevor man selbst einsteigt. Den Fahrern ist es übrigens vom „Code de la route“ her untersagt, Passagiere an einem anderen Ort als an einer Haltestelle ein- oder aussteigen zu lassen: Sowohl für den Fahrer wie für den Passagier ist bei Zuwiderhandlung eine Strafe von 49 Euro vorgesehen.

L.Marx
6. Dezember 2017 - 11.36

"Erst die Aussteigenden rauslassen, bevor man selbst einsteigt." Sollte eigentlich normal sein. Auch bei Bus und Bahn. Eine andere Unart ist, den A... zum Aussteigen erst zu heben, wenn die neuen Fahrgäste schon mit dem Einsteigen begonnen haben. Auch diese eigene Disziplinlosigkeit trägt zu wachsenden Verspätungen bei, über die man sich dann lustig aufregen kann.