/ "Jugendliche in der Psychiatrie haben Rechte"
„Médiateure“ Lydie Err fordert, dass endlich der gesetzliche Rahmen für den Jugendschutz in Luxemburg umgesetzt wird. Die entsprechende Reform dümpelt seit 2004 vor sich hin. Immer noch haben Kinder und Jugendliche, die in eine geschlossene Psychiatrieabteilung eingewiesen werden, weniger Rechte als Erwachsene.
Zu den weniger bekannten Aufgaben der Ombudsfrau gehört die externe, unabhängige und nicht angemeldete Kontrolle von Orten, die dem Freiheitsentzug dienen. Am Donnerstag stellte sie ihre Berichte zu gleich zwei solcher Stätten vor: die geschlossenen Psychiatrieabteilungen für Kinder und Jugendliche und den vorübergehenden Polizeigewahrsam, im Trunkheitsfalle z.B.
Prinzipielle Probleme
Und besonders zu den geschlossenen Einrichtungen hat die Ombudsfrau doch einiges zu beanstanden, weniger an den Abteilungen selber, aber viel Prinzipielles. So zeigt sie sich überzeugt, dass das Gesetzesprojekt 5351 für eine Reform des Gesetzes zum Jugendschutz aus dem Jahre 1992 sicher substanzielle Verbesserungen bringen würde. Wenn man denn endlich damit vorankäme. Denn die Vorlage 5351 wurde bereits am 9. Juli 2004 eingereicht. Zuletzt daran gearbeitet wurde im Jahre 2013. Seither einmal mehr Schweigen im Walde.
Hintergrund für den schleppenden Fortgang sind unterschiedliche juristische Betrachtungsweisen. Sicher wichtig, dem Anliegen der Kinder jedoch wenig nützlich. Denn so kommt es, dass Kinder und Jugendliche in geschlossenen psychiatrischen Abteilungen immer noch weniger Rechte haben als Erwachsene. Deren Einweisung in die Psychiatrie ist durch ein Gesetz aus dem Jahre 2008 klar geregelt, mit Fristen, Einspruchmöglichkeit und genauen Angaben zur Vorgehensweise der Richter. Dabei gibt es bereits heute Fälle, in denen auch bei Kindern und Jugendlichen nach dem Gesetz von 2008 vorgegangen wird. Wenn die Einweisung eines Jugendlichen nämlich nachts erfolgen muss, fällt diese unter das Gesetz aus dem Jahre 2008 und der Jugendliche hat alle hierin vorgesehenen Rechte. Würde die gleiche Einweisung tagsüber angeordnet, unterliegt sie dem Gesetz zum Jugendschutz und darin sind die Rechte eben nicht vorgesehen, wie Serge Legil erläuterte, der mit seiner Kollegin Lynn Bertrand, begleitet von fachlichen Experten, die einzelnen Abteilungen mit der „Médiateure“ unter die Lupe genommen hat. Für Lydie Err ein Unding, umso mehr, als eine provisorische Einweisung („mesure de garde provisoire“) eines Jugendlichen zeitlich nicht begrenzt sei und eigentlich „ewig“ dauern könne. Hinzu kommt, dass Eltern ein Jahr warten müssen, ehe sie eine Überprüfung der Maßnahme beantragen können.
Polizeigewahrsam sehr zufriedenstellend
Die Ombudsfrau fordert, dass die Einweisung von Kindern und Jugendlichen in eine geschlossene psychiatrische Abteilung künftig zuerst nur für 30 Tage gelten darf. Danach müsse ein unabhängiger Experte dem zuständigen Richter ein Gutachten darüber vorlegen, ob die Maßnahme aufrechtzuerhalten ist. Zudem müsse festgehalten werden, dass der Richter das Kind persönlich spricht, so wie dies bei Erwachsenen gilt. Minderjährige sollen des Weiteren ein Einspruchsrecht erhalten und es sollte ihnen ein Pflichtanwalt zur Seite gestellt werden, ob beantragt oder nicht. Die Eltern sollten verstärkt eingebunden werden. Statt nach einem Jahr sollen sie immer dann, wenn ein neues Element vorliegt, eine Überprüfung der Maßnahme beantragen können.
Statt Kinder, die in Heimen wohnen, wegen eventueller Probleme gleich in die Psychiatrie einzuweisen, schlägt Err vor, die Möglichkeit zu schaffen, sie in einem anderen Heim unterzubringen, allerdings nur für einen Monat maximal. Diese Zeitspanne könnte Ruhe bringen, für das Personal, für das Kind, und helfen, eine dauerhafte Einweisung in eine geschlossene Einrichtung zu vermeiden.
Zu wenig frische Luft
Was die einzelnen Häuser anbelangt, bemängelt die „Médiateure“, dass die Minderjährigen im „Centre hospitalier de Luxembourg“, wo Kinder therapiert werden, nicht genügend Möglichkeiten haben, frische Luft zu schnappen, und dass die Besuche für Eltern nur während der Arbeitszeit möglich sind. In der Klinik Kirchberg, wo Jugendliche betreut werden, empfiehlt sie, das sogenannte Fixieren (ans Bett binden) auf ein Minimum zu reduzieren. Beim „Centre hospitalier neuro-psychiatrique“ in Ettelbrück beanstandet sie die systematischen Leibesvisitationen, die demütigend sein könnten. Generell spricht sie sich für eine bessere Kommunikation zwischen den Häusern aus und gegen die strikte Aufteilung nach Altersgruppen. Auch weil in den verschiedenen Häusern unterschiedliche Therapiemethoden zur Anwendung gelangen.
In ihrem Bericht über den Polizeigewahrsam hält Lydie Err fest, dass die Unterbringungsbedingungen und die Behandlung durch die Polizei sehr zufriedenstellend sind und den internationalen Normen entsprechen.
Sie fordert generell, dass jeder, der von der Polizei verhört wird, einen Anwalt zur Seite haben muss. Von Beginn des Verhörs an und dass dieser Anwalt auch aktiv werden darf. Bislang darf er beim ersten Verhören zwar dabei sein, jedoch ist dies nicht gesetzlich abgesichert und er darf nicht eingreifen.
Lesen Sie ebenfalls:
„Der Mediator ist reformbedürftig“
- Roland Breyer, ein Leben im Dienst der Gemeinde - 17. September 2020.
- Roland Breyer, ein Leben im Dienst der Gemeinde - 17. September 2020.
- Klimafreundliche Mobilität - 13. September 2020.