Jean-Claude Reding erster Präsident

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Seit gestern ist die „Chambre des salariés“ (CSL) operationell. Erster Präsident der neuen Kammer, die Arbeiter- und Privatbeamtenkammer in der Folge des „statut unique“- Gesetzes ablöst, ist OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding. Er wurde einstimmig vom Vorstand nominiert. Léon Marx

Es war Arbeitsminister François Biltgen, der die erste, konstituierende Sitzung präsidierte. „Ein wichtiger Tag für das Land“, wie er meinte. Mit der „Chambre des salariés werde nicht nur für das Salariat Geschichte geschrieben, die gemeinsame Arbeitnehmervertretung sei auch ein Symbol dafür, dass Luxemburg definitiv in der postindustriellen Gesellschaft angekommen sei, in der es den Unterschied zwischen „cols blancs“ und „cols bleus“ nicht mehr gebe.
Mit insgesamt 391.000 Wahlberechtigten sei die Bestellung der Salariatskammer auch der größte Akt repräsentativer Demokratie in Luxemburg, betont Biltgen.
Die Einführung des Einheitsstatuts ging am Ende viel schneller, als er selbst sich das erhofft hatte, gesteht er. Bereits in den letzten Jahren seien entsprechend der Salamitaktik die beiden Statute immer näher zusammengeführt worden und jetzt werde zum Abschluss eine sehr dicke Scheibe abgeschnitten. Die noch immer bestehenden Ängste, die Wirtschaft könne sich an dieser dicken Scheibe verschlucken, seien unberechtigt, richtete sich der Arbeitsminister an das Patronat. Tatsächlich laufen eine Reihe von Übergangsbestimmungen bis zum Jahr 2011.
Die 60 Delegierten der CSL bestimmten gestern in Remich den elfköpfigen Vorstand. Erster Präsident wird der OGB-L-Vorsitzende Jean-Claude Reding. Vizepräsidenten sind (ohne Rangfolge) Alain Fickinger, Nando Pasqualoni, Estelle Winter (ebenfalls OGB-L) und Marc Glesener (Aleba).
Bereits in der Vergangenheit hätten Privatbeamten- und Arbeiterkammer mit ihren fundierten Gutachten zu wichtigen Gesetzen wichtige Arbeit geleistet und politische Fehlentwicklungen verhindert, betont der neu gewählte Präsident, Jean-Claude Reding, in seiner Ansprache. Und erinnert an den Streit um die Wettbewerbsfähigkeit der luxemburgischen Betriebe, die 2004 für heftige Diskussionen sorgte, angeheizt vom Bericht des umstrittenen französischen Professors Fontagné, der jetzt schon wieder von der parlamentarischen Spezialkommission gehört werden solle.

Schon wieder Fontagné…

Gemeinsam sei es damals den beiden Salariatskammern gelungen, das Schlimmste zu verhindern. Dies mit der Ausarbeitung fundierter Analysen, die den Gewerkschaften im Rahmen der Tripartiteverhandlungen als Argumentationshilfe dienten. U.a. sei die damals geplante Anhebung der Solidaritätssteuer nicht durchgezogen worden. Heute, vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise, wisse man aber nicht, ob dies nicht doch noch gemacht werden müsse.
Die bewährte Art der Arbeitsteilung will Reding auch weiterhin beibehalten. Die „Chambre des salariés“ sieht er als eine Art „think tank“ im Hintergrund, als logistische Unterstützung der Gewerkschaften. Deren Aufgabe soll es auch weiterhin sein, aktiv den Sozialdialog mit Patronat und Regierung zu führen.
„Wir brauchen nicht nur moderne Gesetze, wir brauchen bessere Gesetze, welche die Demokratie stärken, das Mitspracherecht der Beschäftigten am Arbeitsplatz, im Betrieb, im Konzern, in Verwaltungsräten, also auf allen Ebene stärken“, fordert Reding. Auch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gelte es, neue Wege zu gehen. Der „maintien dans l’emploi“ müsse zu einer Verpflichtung für die Betriebe werden.
Nicht nachvollziehbar sei für ihn, so Reding, „dass es noch immer Betriebe gibt, die alles daran setzen, eine gewisse Dividende auszuzahlen und die einzige Variable, um das zu realisieren dabei die Zahl der Beschäftigten ist“. Als CSL glaube man, „dass es richtig ist, die Wirtschaft wieder in den Dienst des Menschen zu rücken, in den Dienst aller und nicht nur einer kleinen Zahl von Leuten“. Ausdrücklich begrüßte Reding die Tatsache, dass auch die Pensionäre in der neuen Salariatskammer vertreten sein werden. Damit werde die Kammer in Zukunft zu einem „zentralen Akteur, was die Vertretung der Interessen von Arbeitnehmern in den verschiedensten Gremien angeht“. Bedrückt zeigte sich der antretende Präsident darüber, dass „zu viele Leute ihr Wahlrecht nicht genutzt haben“.
Es sei dank einer massiven Mobilisierung der Gewerkschaften zwar gelungen, die Negativentwicklung zu stoppen, die Wahlprozedur und die offizielle Information müssten aber verbessert werden. Dabei hoffe man auch auf die Hilfestellung des Ministers. 

3 FRAGEN AN: Jean-Claude Reding 
Herr Reding, wo sehen Sie als erster Präsident der neuen „Chambre des salariés“ Ihre Schwerpunkte für die nächsten Monate?
Jean-Claude Reding: „Erstes Ziel unserer Arbeit wird es sein, die Arbeit der neuen Kammer noch effektiver zu gestalten. Das sehe ich auf mehreren Gebieten. In Zukunft wird es nur noch ein Salariatsgutachten geben. Dadurch wird dieses sicherlich an Gewicht gewinnen. Dann planen wir, die Gewerkschaften mit Gutachten auf juristischer und sozialer Ebene noch stärker zu unterstützen.
Im Bereich der Weiterbildung werden wir unsere Arbeit weiter ausbauen, dort noch weitere Akzente setzen. Insbesondere denken wir daran, das Konzept der ’Ecole de la deuxième chance’ auch dort einzusetzen. In Zukunft werden die Salariatsvertreter in der Gesundheitskasse und in der Pensionskasse ja auch von der neuen Salariatskammer entsendet.
Wir sehen es als unsere Pflicht an, den Leuten, die wir dorthin entsenden, stärker zu unterstützen und ihnen die notwendigen Argumente zu liefern, damit sie ihre schwierige Aufgabe ordentlich machen können.“

Nur noch eine Salariatskammer, nur noch ein Gutachten zu Gesetzprojekten … Wie lange wird es dauern, die Mauern in den Köpfen der Delegierten einzureißen, die in der neuen Kammer zusammen am Tisch sitzen, alle aber eine Vergangenheit als Arbeiter- bzw. Angestelltenvertreter haben?
J.-C. R.: „Ich bin aus meiner Erfahrung im OGB-L heraus eigentlich zuversichtlich, dass das kein großes Problem ist, und dass wir praktisch direkt Nägel mit Köpfen machen können. Bei der Majorität, die der OGB-L jetzt hat, und wo die Grundidee, keine Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten zu machen, schon lange gilt, sehe ich da keine Probleme, das ganz schnell zu realisieren. Die Zusammenarbeit zwischen dem Personal der beiden Kammern ist schon heute sehr gut. Ich glaube nicht, dass wir da lange brauchen. Wir haben dazu eigentlich auch gar keine Zeit, dafür stehen zu viele wichtige Gutachten an.“

Einheitsstatut heißt nicht Einheitsgewerkschaft. Das hat man bei der konstituierenden Sitzung wieder einmal gesehen. Hätte man sich für die erste Legislaturperiode eines neuen Organs keine „große Koalition“ vorstellen können?
J.-C. R.: „Vom OGB-L aus fanden Gespräche statt mit allen Gewerkschaften, die in der CSL vertreten sind. Wir haben die nicht über politische Inhalte geführt, sondern über die Frage, wie wir uns die Funktionsweise der neuen Kammer vorstellen.
Und wir haben da in einer Reihe von Punkten gemerkt, dass wir mit dem LCGB nicht auf einer Linie waren.
Das hat dazu geführt, dass nicht sämtliche Gewerkschaften der Kammer auch im Vorstand vertreten sind. Wie das morgen weitergeht, wenn wir über Gutachten zu Gesetzestexten diskutieren … Ich schätze, dass diese Gutachten, bei denen es um Inhalte geht, wie bisher weitgehend im Konsens verabschiedet werden.“