Hotelier am Ende der Welt

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Dirbach liegt gefühlt am Ende der Welt. In dem 30-Einwohner-Dorf hat sich Anton Rammelt (34) vor fünf Jahren niedergelassen. Seit zwei Jahren führt der Niederländer zusammen mit seiner Lebensgefährtin das kleine Hotel am Ufer der Sauer – umringt von Wasserrauschen und viel Natur. Er ist einer von 4.300 Niederländern, die nach Statec-Angaben derzeit in Luxemburg leben. Zu den 300 Landsleuten, die am Freitag das königliche Paar hautnah in der Botschaft erleben können, gehört er nicht.

Der junge Hotelier hat die auf der Webseite der Botschaft und den sozialen Netzwerken veröffentlichte Einladung schlichtweg verpasst. „Das wäre sicherlich interessant gewesen“, sagt er, „aber ich bin vielleicht sowieso der falsche Kandidat.“ Da hat er nicht ganz unrecht. Schon rein äußerlich entspricht er nicht dem, was das Klischee hergibt. Er hat dunkle Haare, keine Sommersprossen und ist in verschiedenen europäischen Ländern groß geworden. Der Vater war beim Europarat beschäftigt. Anton Rammelt besitzt zwar die niederländische Nationalität, ist aber in Frankreich aufgewachsen.

Er spricht fließend und akzentfrei Französisch und Englisch. Selbst seine Muttersprache Holländisch spricht er, ohne dass dem Gegenüber im eigenen Land die geografische Zuordnung möglich ist. Wie in vielen Ländern gibt es auch in den Niederlanden regional abhängige Sprachfärbungen, die die Herkunft verraten. Um Begegnungen zwischen „Éislekern“ und Menschen aus dem Süden Luxemburgs ranken sich Legenden. Ein bisschen Deutsch und Spanisch runden seinen Sprachenschatz ab. Luxemburgisch versteht er, mit dem Sprechen hapert es noch.

Straßburg, Brüssel und Amsterdam sind die Stationen seines bisherigen Lebens. In Frankreich hat er sein Abitur gemacht, zurück in den Niederlanden ist er später in die Gastronomie eingestiegen. Bevor er nach Luxemburg kam, hat er neun Jahre in Amsterdam gearbeitet. Mit einer Vita wie dieser fühlt man sich eher europäisch. Das sagt er auch so. Geografisch hat Heimat für den 34-Jährigen keine Bedeutung. Auf ihn trifft vielmehr „Home is where the heart is“ zu. Familie und Freunde in den Niederlanden, das ist das, was er vermisst, wenn er etwas vermisst.

Für Politik interessiert er sich nicht wirklich. Es gibt auch zu viel zu tun. Hotelier und Gastronom ist ein 24-Stunden-Job – vor allem in der Saison. Die Arbeitstage sind lang, über Pfingsten war er ausgebucht.

Als Rammelt vor fünf Jahren nach Luxemburg kam, war es zunächst, um seinen Eltern, die schon das kleine Hotel managten, zu helfen. Vor zwei Jahren hat er es dann in Eigenregie übernommen und renoviert. Die Anfahrt zu ihm ist kurvig, Serpentinen und Steilkurven, viele Berge. Das Hotel „Dirbach Plage“ liegt im Tal der Sauer. Die Abzweigung von der N27 endet hier. Dafür ist die Aussicht postkartenreif. Etliche Kilometer begegnet einem nichts – außer viel Natur und vielleicht ein paar Wildtiere.

Im Hotel angekommen, überraschen die Errungenschaften der modernen Zivilisation. Eine freundlich eingerichtete Lobby mit Bar, moderne Sanitäranlagen, Menschen, die sich um das Wohlbefinden kümmern und sogar ein funktionierendes WLAN. Es ist also doch nicht das Ende der Welt. Vom quirligen Amsterdam ins abgelegene „Dirbach Plage“, größer können Gegensätze nicht sein. Es hat aber seinen Reiz. Rammelt lebt von den Menschen, die Ruhe und Natur suchen. Seine Kunden kommen vornehmlich aus Belgien und den Niederlanden.

Aus dem Campingplatz gegenüber ist ein kleines Holzchaletdorf geworden – alle voll eingerichtet und für Selbstversorger. Ob das letztendlich ausschlaggebend dafür ist, dass auch immer mehr Luxemburger den Weg zu ihm finden, ist nicht klar. Fest steht aber, sie kommen verstärkt. Außerdem führt der „Escapardenne Lee Trail“ über die Terrasse des Hotels. Das ständig wechselnde Publikum, viel Laufkundschaft aus Wanderern, Fahrrad- oder Motorradfahrern und die Stammkunden des Hotels, Rammelt liebt diese Begegnungen.

Und dennoch? Der Nachfrage begegnet er mit einem Bild. Er hat die Parallelen zu seinem früheren Wohn- und Arbeitsort ziemlich schnell gezogen. „Eine kleine Brücke und der Fluss darunter wie ein Kanal, das ist doch fast wie in Amsterdam“, sagt er. Fehlen nur noch die Schiffe. Auch das ist schnell abgehakt. „Das Hotel hat doch fast die Form eines Schiffes – von Weitem gesehen“, sagt er und breitet die Arme aus. Dirbach ist sein Zuhause. Mittlerweile. Da ist die perfekte Lage Luxemburgs noch das i-Tüpfelchen obendrauf. „Mit dem Auto vier Stunden bis Paris, zweieinhalb Stunden bis Brüssel, viereinhalb Stunden bis Amsterdam“, schwärmt er, „und hier habe ich die Ruhe und die Natur.“ Mehr braucht es offensichtlich nicht – am Ende der Welt. Aber nur auf den ersten Blick.