Serie / Historisches und architektonisches Esch (65): 1940-1944, das andere Esch
Zahlen sind unsicher, sie werden regelmäßig revidiert. Auch verschwindet schnell die Person mit ihrem Schicksal in den sauber geordneten Listen und Statistiken. Trotzdem zeichnen sie ein grobes Bild einer Situation.
Nach dem Krieg zieht die Stadt Esch Bilanz: Von 340 Eschern in deutschen Konzentrationslagern und Gefängnissen (53 Frauen) kommen 56 nicht zurück (acht Frauen). Von 1364 in die Wehrmacht Einberufenen kehren 378 nicht heim, 261 haben sich dem Wehrdienst entzogen oder sind desertiert. Als „morts pour la patrie“ zählen 354 Personen (49 Frauen). Eine Liste der wegen Kollaboration Internierten (1945/46) umfasst 550 Namen.
Diese Arbeit ist zum guten Teil eine Fußarbeit. Interessiert an den Spuren des deutschen Esch bin ich bei meinen Touren durch die Straßen der Stadt immer wieder auf das andere Esch gestoßen. Plötzlich zeigen sich überraschende räumliche Beziehungen.
Die Familie Albert Kahn wohnte im Haus 6 in der rue Clair-Chêne. Zweiter Nachbar war die Familie Useldinger (KPL): Jules Useldinger, Hüttenarbeiter, wird Januar 1943 verhaftet (Hinzert, Natzweiler); Yvonne Useldinger-Hostert wird im August 1941 und dann im August 1942 verhaftet (Trier, Ravensbrück); Arthur Useldinger ist in Esch abgemeldet, sein Name steht im Fahndungsbuch des Einsatzkommandos. Gegenüber wohnte der Lehrer Edouard Barbel (Alweraje). Er wird im September 1942 festgenommen (Hinzert, Natzweiler, Dachau). Etwas weiter in der Dr.-Welter-Straße lebt Professor Etienne Bisdorff (Alweraje), festgenommen im August 1941 (Trier, Rheinbach, Siegburg, wo er am 25. März 1945 umkommt). Auf 200 Meter, in der Beleserstraße, hatte Ortsgruppenleiter Koetz seinen Buchladen.
Familie Lukmanski wohnte in der Brillstraße. Fast Nachbar war sie mit André Pasini (KPL) und Marie Brix (LRL). Der Hüttenarbeiter André Pasini wird im Juli 1941 verhaftet (Hinzert, Sachsenhausen, Mauthausen, wo er am 12. Mai 1945 stirbt). Marie Brix-Kopp wird im Juni 1944 verhaftet (Flussbach, Allendorf, Ravensbrück).
Von der Wohnung von Julien Cerf in der Alzettestraße führt mein Weg vorbei am Grab von Jean Flammang, einer der Luxemburger, die mit seiner Hilfe desertieren wollten und die Barbie in Lyon erschießen ließ.
In der rue du Moulin, Ecke rue de la Libération, wohnte Léon Weirich, Bergarbeiter, Mitbegründer des „Berg- und Metallarbeiterverbandes“, Abgeordneter der Arbeiterpartei von 1928 bis 1940. Verhaftet wird er im Juli 1941 (Hinzert, Dachau, wo er am 30. Januar 1942 umkommt).
Rue de la Libération, rue du 10 Septembre, neue Namen zeugen von der neuen Freiheit. Karl Marx, Jean Jaurès, Léon Jouhaux, Victor Hugo kehren zurück. Die Arbeitersiedlung „Auf der Acht“ wird 1946 in „Cité Léon Weirich“ umbenannt, die Gelsenkirchenerstraße (vorher rue Piedboeuf) wird zur rue Léon Weirich, die Ancionstraße, wo Ortsgruppenleiter Kratochwill wohnte, zur rue des Martyrs. Sie ist durch die rue des Maquisards mit der Victor-Hugo-Straße verbunden.
Esch entwickelt sich weiter. Im Oktober 1950 beginnen Arbeiten zur Instandsetzung des Vinzenzplatzes, der als „eigentlich nur ein Trümmerfeld“ bezeichnet wird. Bis 1941 stand hier die Escher Synagoge. Die Stadtverwaltung will nun einen öffentlichen Platz mit Fontäne und Tummelplatz für Kinder errichten lassen.
„Wenn im Frühling die Fontäne rieselt und die Blumen um den Platz herum prangen, wird das innere Stadtbild um ein bedeutendes verschönert sein. Dann ist die Stätte nicht mehr Zeugin von Barbarei, nein, dann wird der Vinzenzplatz das ästhetische Fühlen und Wollen einer fortschrittlichen Gemeindeverwaltung verkörpern.“
Heute noch bleibt das Fortschreiten ein schwieriges Unterfangen.
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