SerieHistorisches und architektonisches Esch (64): Esch 1940-1944, Streikspuren

Serie / Historisches und architektonisches Esch (64): Esch 1940-1944, Streikspuren
Früherer Turnsaal der Industrieschule Esch Foto: Privatsammlung

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Hans Adam wohnt in Esch, 61, rue Michel Rodange. Am Montag, dem 31. August um 18.00 Uhr gibt er mit der Sirene der Schifflinger Hütte das Streiksignal: Die Arbeiter verlassen das Werk. In derselben Nacht wird der Ausnahmezustand über die Stadt Esch verhängt.

Auslöser der landesweiten Arbeitsniederlegungen sind die Anordnung über die Staatsangehörigkeit und die Verordnung über die Wehrpflicht, die Gauleiter Gustav Simon am Sonntagmorgen bekannt gegeben hat, im Rahmen einer Großkundgebung in den Ausstellungshallen auf Limpertsberg.

Widerstandsorganisationen haben über Flugblätter und Mundpropaganda zu Aktionen aufgerufen. Ausgehend von Wiltz, flackern über mehrere Tage die Proteste, auch nachdem der Ausnahmezustand sich auf das ganze CdZ-Gebiet ausgedehnt und ein Standgericht eingesetzt ist. Ein Zeichen des Protests war das Nicht-Tragen des VdB-Abzeichens. Zwei Rundschreiben des Bürgermeisters Komp, das zweite am 4. September, betreffen diese Art des Protestierens.

Am ersten Streiktag sind die meisten Schüler der Oberschule für Jungen abwesend. Acht Lehrer erscheinen ohne Abzeichen. Ein von Direktor Dotzenrath gestelltes 24-stündiges Ultimatum bricht ihre Weigerung nicht. Sie werden am Dienstagmorgen in der Schule von der Stapo festgenommen. An diesem Morgen verlassen die Schülerinnen der Mädchenoberschule ihr Gebäude im Schulberg. 60 Mädchen werden für Mittwochmorgen in die Villa Seligmann bestellt.

Wegen der Festnahme der Lehrer, während die Mädchen in der Dienststelle der Gestapo mit dem Gesicht zur Wand stehen, weigern sich die Schüler der Oberschule, ihr Gebäude zu betreten. Sie werden mit Polizeigewalt dazu gezwungen. 94 werden festgenommen und in den Turnsaal gesperrt. Hier verbringen sie die Nacht, während die Mädchen im Turnsaal der Dellhöh-Schule festgehalten werden. Im Laufe des Donnerstags werden die über 150 Schülerinnen und Schüler in Richtung HJ-Erziehungsheime abgeführt: die Mädchen nach Adenau, die Jungen nach Burg Stahleck. Ihre Umerziehung dauert bis zum 12. Dezember.

Seit dem 1. September verweigern die Lehrlinge der Belvaler Hütte den morgendlichen Fahnengruß mit Absingen der Lieder. Ab 4. September werden sie festgenommen und in den freigewordenen Turnsaal der Jungenschule gesteckt. 40 Lehrlinge werden am Samstag, 5. September, nach Ruwer gebracht.

In der Nacht von Dienstag (1. September) auf Mittwoch tagt erstmals das Standgericht. Dieses erste Mal in Esch, im alten Rathaus, dem Amtsgericht der Kreisstadt. Präsident des Standgerichts ist der Leiter des Einsatzkommandos, Hartmann. Beisitzer sind Raderschall, der Präsident des Sondergerichts, und Kriminalkommissar Albert Schmidt, Chef des Vernehmungskommandos im SS-Sonderlager Hinzert. Staatsanwalt Drach übernimmt die Anklage. Die Wiltzer Nicolas Müller und Michel Worré werden in Esch zum Tode verurteilt und sofort nach Hinzert überführt. Sie werden dort am Mittwochabend um 20.00 Uhr erschossen. Die Vollstreckung des Urteils ist in Luxemburg bereits durch Plakate verkündet. Bis zum 10. September werden noch 18 vom Standgericht zum Tode Verurteilte in Hinzert erschossen.

Hans Adam, 1942<br />
Hans Adam, 1942
 Foto: Collection MNR

Hans Adam wird kurz nach Aufhebung des Ausnahmezustandes als Streikführer vor dem Sondergericht angeklagt und zum Tode verurteilt. „Wer sabotiert, stirbt!“, verkünden Luxemburger Wort und Escher Tageblatt gleichlautend am Freitag, dem 11. September: Hans Adam ist um 6.00 morgens in Köln-Klingelpütz mit dem Fallbeil enthauptet worden. In Gegenwart von Staatsanwalt Drach.

Am 26. September 1942 wird Frau Adam mit ihrem Sohn umgesiedelt. Bei ihrer Rückkehr weiß sie noch nicht, wie ihr Mann ums Leben kam. Sie glaubt, er sei mit den anderen Streikenden in Hinzert erschossen worden. Auf dem „Questionnaire pour personnes mortes pour la patrie“ (7.8.1945) steht vermerkt: „La famille n’a eu d’autre confirmation de la mort de Mr. Adam que par l’article du journal du 11.9.1942. Cause de la mort, lieu et date exacte sont inconnus.“