SerieHistorisches und architektonisches Esch (23): Villa Olivo

Serie / Historisches und architektonisches Esch (23): Villa Olivo
Die Villa Olivo, heute ein Jugendzentrum  Foto: © Christof Weber, 2015

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Am 31. Mai 1906 berichtete das Luxemburger Wort Folgendes aus dem Escher Gemeinderat: „Herr Olivo Mosé, Kaufmann und Gastwirt, läßt gegenüber dem Brillschulgebäude ein schloßähnliches Gebäude errichten. Dasselbe erhält eine Fassade von 15 Metern.“ 

1907 ließ der aus San Gregorio nelle Alpi (Provinz Belluno in den Dolomiten) stammende Wein- und Lebensmittelhändler Mosé Olivo (1869-1945) tatsächlich im Stadtteil Brill eine Villa im Jugendstil mit seinen typischen Rundungen und floralen Verzierungen bauen. Er lebte dort mit seiner Frau, der aus Deutschland stammenden Lina Lapp, seiner Tochter Jeanne, seiner Schwester Elisabeth und deren Ehemann, dem deutschen Kaufmann Rudolf Conrad, sowie zwei Dienstmädchen.

Olivo war bereits in den 1890er-Jahren aus Frankreich nach Esch gekommen und betrieb dort eine Herberge, „Zur Fröhlichen Einkehr“, im Haus Nummer 45 in der rue d’Audun, heute boulevard Kennedy. Der Kaufmann besaß im selben Viertel auch mehrere Mietskasernen für italienische Einwanderer. Im Jahr 1918 wurde die Villa vom Luxemburger Weinhändler Charles Meder gekauft, der bis zu seinem Tod 1973 dort lebte; daher der in Esch geläufige Name „Mederhaus“. Meder änderte auch das Monogramm von MO zu MC.

Lange Zeit glaubte man, das Gebäude sei von einer Villa am Lago Maggiore inspiriert worden. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Plagiat eines Pariser Bauwerks: des von der Gräfin von Montessuy beim Architekten Jules Lavirotte (1864-1929) in Auftrag gegebenen herrschaftlichen Stadthauses, das 1898-1899 in der rue Sédillot 12 (7e Arrondissement) erbaut wurde. Das Gebäude war in den damaligen Architekturzeitschriften vorgestellt worden und die Pläne wurden weit verbreitet. Ein interessantes Detail ist, dass ein luxemburgischer Schlosser, der Karriere in Paris gemacht hatte, die Schmiedearbeiten für die Villa Montessuy anfertigte: Auguste Dondelinger (1861-1944), der 1883 als Sohn des Echternacher Konduktors Michel Dondelinger nach Frankreich gekommen war.

Zahlreiche Elemente wurden kopiert: der Haupterker auf der linken Seite des Hauses auf einer Linie mit dem Eingang, die üppige Dekoration des Bogenfensters mit Trauben, die aus Füllhörnern sprießen, oder auch die neugotisch inspirierten metallenen Zugstangenköpfe, die ovalen Dachfenster, die Schmiedeeisenarbeiten der Balkone und der Umfassungsmauer.

Der Architekt der Villa Olivo entlehnte jedoch zudem dem Klassizismus und der Renaissance noch andere Dekorationselemente, die in der Villa Montessuy nicht zu finden sind: die Terrasse mit klassischer Balustrade, die Figur des Atlas, der die Weltkugel auf den Schultern trägt, das Haupt des Zeus am Giebel, die Figur, die einen Becher für Vögel hält, Frauenbüsten auf den klassischen Säulen des Eingangs, die Amphore, die das Dach des Pavillons krönt. In den 1920er-Jahren beauftragte Charles Meder die Firma Linster in Mondorf mit der Herstellung kunstvoll bemalter Glasfenster, darunter die Darstellung von Schwänen auf einem Teich.

Obwohl das Haus 1973 in das ergänzende Inventar der nationalen Denkmäler aufgenommen und 1974 auf eine Petition von Nelly Moia hin von der Gemeinde erworben wurde, führten der Leerstand und mangelnde Instandhaltung des Hauses von 1973 bis 1985 zur Zerstörung vieler seiner Elemente. Fast alle Skulpturen sind verschwunden, darunter die Atlas- und die Becherfigur. Die Buntglasfenster wurden zerbrochen und nicht ersetzt. Im Inneren sind auch die Fresken verschwunden, die venezianische Landschaften darstellten, ebenso wie die Decke, die mit einem Blumenteppich bedeckt war, der die Inschrift „Salve“ umgab.

Wie Michel Fleury und Guy-Michel Leproux in ihrer 1994 erschienenen Ausgabe der „Histoire du vandalisme“ von Louis Réau feststellten, sind die Spitzhacke oder die Planierraupe nicht das einzige Mittel, um zu verstümmeln oder zu zerstören. Die mangelnde Wartung über Jahre hinweg hat ähnliche Auswirkungen …

Die Villa Olivo wurde nach 1985 vom „Service des sites et monuments“ (Architekten: Ballini & Pitt) renoviert und beherbergt seit 1992 das Jugendzentrum der Stadt Esch.

Leila
8. Mai 2020 - 20.26

Super! Merci, Isabelle, für die Info

Isabelle
8. Mai 2020 - 13.16

Georges Büchler, Jean Goedert, Antoinette Lorang, Antoinette Reuter et Denis Scuto vont également publier un livre sous le titre de « Guide historique et architectural Esch-sur-Alzette». Le guide sera co-édité par le Luxembourg Centre for Contemporary History (C²DH) et la Ville d’Esch d’Esch-sur-Alzette et publié par capybarabooks. Il sera disponible dans les librairies à partir de juillet.

claire
8. Mai 2020 - 12.17

DAT ass e Gebai wat erhalenswäert ass, awer net déi grujeleg Keeseminnen.

Laird Glenmore
8. Mai 2020 - 10.09

Leider haben wir hier in Esch / Alzette aber einen Bürgermeister und einen Gemeinderat die das allerdings nicht so richtig schätzen, sonst würden nicht so viele historische Gebäude dem Erdboden gleich gemacht um moderne Betonwohnsilos zu errichten und Grünflächen zu vernichten. Leila sie sollten alle Artikel zur Erinnerung sammeln bevor es zu spät ist und sich dann mit der Redaktion vom Tageblatt zusammensetzen und selber einen Bildband kreieren, ich wäre ihr erster Kunde.

Leila
7. Mai 2020 - 23.09

Esch kann stolz auf seine zahlreichen, teils gut unterhaltenen, fantastischen Bauten aus der Jahrhundertwende und andere, interessanten Häuser sein! Gibt es keinen Bildband darüber? Würde ich mir sofort zulegen. Schön, dass auch darüber berichtet wird!