EschHistorisch: Brasseurschmelz und die „Keeseminnen“

Esch / Historisch: Brasseurschmelz und die „Keeseminnen“
Die Brasseurschmelz Anfang der 1920er-Jahre Foto: Clemens/Pagliarini

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Am 4. Dezember 1869 wurde das erste Eisenhüttenunternehmen im Erzbecken gegründet, die „Société anonyme des hauts fourneaux luxembourgeois“. Das Ziel der Gründer war die Errichtung eines Hüttenwerks in Esch/Alzette, in unmittelbarer Nähe der Erzvorkommen des Eisenerzbeckens von Esch-Rümelingen. Der Projektleiter des neuen Industrieunternehmens war der junge Escher Pierre Brasseur. Daher der ursprüngliche Name Brasseurschmelz, der dem Werk gegeben wurde, auch bekannt als „Al Schmelz“ (altes Hüttenwerk) und schließlich Esch-Terre Rouge.

Das Industrieprojekt der „Hauts fourneaux luxembourgeois“ zeichnete sich durch seine für die damalige Zeit innovativen technischen Merkmale aus, da es den Bau von zwei großräumigen Hochöfen vorsah, die mit Whitwell-Wärmerückgewinnungsanlagen ausgestattet waren, die eine Beheizung der Gebläse bei hohen Windtemperaturen ermöglichten. Der Hochofen Nr. I der neuen Anlage wurde am 10. April 1872 gezündet, der zweite folgte im Mai 1873. Die Verbesserung der finanziellen Situation in den 1880er-Jahren machte den Bau eines dritten Hochofens, der am 1. Juni 1892 gezündet wurde, möglich. Zwei weitere kamen 1895/1896 dazu.

War der Belgier Adolphe Kroll der Mann der ersten Modernisierung, so war Rudolf Seidel der Hütteningenieur, der um die Jahrhundertwende die neuesten technologischen Innovationen im Escher Werk einführte. Er war es, der 1899 den neuen Hochofen nach amerikanischem Modell baute, damals ein wahrer Koloss mit Schrägaufzug, ein Novum.

Rund um diesen hochmodernen Hochofen Nr. V konnten die Nebenanlagen nicht in einem veralteten Zustand bleiben. Früher oder später musste ein neues, modernes Stahlbeton-Eisenerzbunkersystem die alten hölzernen Erzbunker ersetzen, die bisher im Einsatz gewesen waren. Die traditionellen Erzanlagen, die die Luxemburger „Keeseminnen“ und die Italiener „Cassemine“ nannten, waren oft einfache Holzbuden, in denen das Erz gelagert wurde. Die meiste Zeit waren diese Buden mit einem Wellblechdach überdacht. Der Begriff „Keeseminnen“ hat sich bis heute erhalten.

Es sind aber nicht nur rein technische Überlegungen, die hier ins Spiel kamen. Die Italiener machten den Großteil der Arbeiter aus, die im Roulage mit der Beschickung der Hochöfen (Verladearbeiten unten in den hölzernen Erzbunkern oder oben auf der Gichtbühne) beschäftigt waren. Diese Arbeit war extrem hart und obendrein schlecht bezahlt. Aus diesem Grund streikten die italienischen Arbeiter mehrmals, was den reibungslosen Betrieb der Hochöfen erschwerte.

So wurde um 1906 der Bau einer hochmodernen Erzannahme-, Lager- und Verteilungsanlage, die aus einer neuen Erzbrücke und 30 Erzbunkern aus Stahlbeton bestand, beschlossen. Der Bau begann 1907. Erbauer dieses Komplexes war die 1898 in Straßburg gegründete Firma Züblin des Schweizer Ingenieurs Eduard Züblin, die sich auf Stahlbetonkonstruktionen spezialisiert hatte.

Die Erzförderung und die Beschickung des Hochofens erfolgten nun automatisch (System Züblin). Die Arbeiter des Roulage stellen kein Problem mehr dar, da ihre Zahl erheblich reduziert wurde. Darüber hinaus ermöglichte dieses neue System das Anlegen riesiger Vorräte (Kalk- und Kieseleisenerzvorkommen) zu beiden Seiten der Zufahrtsstraßen zur Erzbrücke.

Quelle: Historisches und architektonisches Esch (10 und 11 – Jacques Maas, Luciano Pagliarini, Henri Clemens), Tageblatt vom 22. und 23. April 2020,  Les „Keeseminnen“ de l’usine de Terre Rouge, Tageblatt vom 7./8. März 2020 (Pagliarini, Clemens)