Schlachthöfe„Hier wird Hygiene groß geschrieben“

Schlachthöfe / „Hier wird Hygiene groß geschrieben“
Im Schlachthof der Pattonstadt wird in Sachen sanitäre Sicherheit nichts dem Zufall überlassen Foto: Abattoir Ettelbruck

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Seit der Tönnies-Affäre in Deutschland, bei der rund 1.400 Corona-Fälle festgestellt wurden, stellen sich auch hierzulande viele Verbraucher Fragen über die Hygiene und das Corona-Ansteckungsrisiko in den Schlachthöfen. Politiker, Schlachthof-Verantwortliche und Kontrolleure beschwichtigen allerdings. Hierzulande soll alles im grünen Bereich sein.

Claude Graff, Direktor des Ettelbrücker „Abattoir“-Schlachthofs, legt viel Wert darauf, mit gutem Beispiel voranzugehen: „Ich muss heute noch zum Corona-Test“, meint er. Er motiviere auch sein Personal dazu, sich testen zu lassen. Systematische Tests soll es indes keine geben. Die Betriebsleitung setzt auf die Eigenverantwortung der Leute.

Was die Vorbeugung betrifft, hat man hier gleich mehrere Maßnahmen bei Ausbruch der Pandemie ergriffen. So schaffte sich das Unternehmen laut Graff direkt Gesichtsmasken, Handschuhe, Desinfektionsmittel und Plexiglasscheiben an, um das Personal zu schützen. „Die Hygiene ist ein wichtiger Teil unseres Alltags“, meint der „Abattoir“-Verantwortliche. Alle Mitarbeiter desinfizieren sich beispielsweise nach ihrer Mittagspause die Hände, bevor sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

Im Rahmen der Krise wurden die sanitären Sicherheitsmaßnahmen im Schlachthof erhöht. So besteht jetzt überall Maskenpflicht. Persönliche Kontakte sollen auf ein Minimum reduziert werden. Der Sicherheitsabstand zwischen den Angestellten müsse unbedingt eingehalten werden, sei es in den Produktionshallen, in der Kantine oder in den Büros. Gebrauchsgegenstände würden regelmäßig desinfiziert. Für die Kommunikation soll vermehrt auf E-Mails und Telefonanrufe zurückgegriffen werden.

Dieselben Regeln gelten laut Graff auch bei den Zulieferern. Alle Lkw-Fahrer seien mit Masken, Handschuhen und Desinfektionsmittel ausgestattet worden. Im Geschäft in Ettelbrück sei eine Einlassbeschränkung eingeführt worden. Zudem gibt es nun drei Hygieneschleusen und etliche Kontrollen werden durchgeführt – hauseigene, aber auch welche durch die Veterinärinspektion und verschiedene Institute im Rahmen der Erteilung von Qualitätslabels. Die Kontrolleure haben nichts beanstandet. Alles sei regelkonform, heißt es beispielsweise aus dem Veterinäramt.

Auch die Schlachterei in Wecker erhielt in diesem Zusammenhang gute Noten. Man sei gut vorbereitet gewesen, so die Schlussfolgerung des Direktors aus Ettelbrück. Er erwartet sich aber eine zweite Infektionswelle und hat in diesem Zusammenhang bereits am 4. Juli in der Firma Gespräche über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen geführt. Dabei wurde unter anderem beschlossen, dass die Angestellten in der Anlage mit einem Fieberscanner kontrolliert werden.

Fünf Fälle ohne Folgen

Zu Beginn der Pandemie wurden im Ettelbrücker Schlachthof fünf Corona-Fälle verzeichnet. Alle Betroffenen arbeiteten im administrativen Bereich, so Graff. Inzwischen seien sie aber wieder genesen und zurück auf der Arbeit – und seither habe man keine neuen Krankheitsfälle verzeichnet. Vorsichtshalber habe man jedoch ein halbes Dutzend Angestellte, die zur Risikogruppe gehören, nach Hause geschickt.

Eine Situation wie in den Tönnies-Schlachthöfen in Deutschland schließt Claude Graff überdies aus: „Das Problem dort ist die Massenproduktion“, erklärt er. Hierfür werde viel Personal benötigt, das aber auf dem nationalen Arbeitsmarkt nicht verfügbar sei. Deshalb werden ausländische Arbeitskräfte rekrutiert. Diese müssten allerdings irgendwo untergebracht werden – und werden dann in Wohnblöcken einquartiert, die aber nicht für derart viele Einwohner konzipiert wurden. „Dass die Hygienebedingungen da nicht ideal sind, kann man sich vorstellen“, meint Graff. Der Verantwortliche des Ettelbrücker „Abattoir“-Schlachthofs sieht hier ein Problem in der Massenproduktion, und das nicht nur in Bezug aufs Fleisch, sondern auch in Bezug auf den Obst- und Gemüseanbau. Hier müsse die Politik eingreifen, meint er.

Der Unterschied zu Luxemburg: Hier soll es laut Graff keinerlei Massenproduktion geben. Der Markt sei zu klein. „Man setzt auf Qualität statt auf Quantität“, erklärt er. In dem größten Schlachthof des Landes, sprich in jenem in Ettelbrück, arbeiten lediglich 193 Personen. 114 hiervon sollen Einheimische sein. Die restlichen 79 Mitarbeiter sind Grenzgänger und wohnen im nahen Ausland. Hinzu kommen noch zehn bis 20 Teilzeitarbeiter. „Hier wird niemand kaserniert. Das Problem stellt sich also hier nicht“, so der Firmenleiter.

Große Solidarität beim Personal

Bislang sei man gut durch die Krise gekommen, so Graff. Man musste „nur minimal“ auf Kurzarbeit zurückgreifen. Entlassungen soll es keine gegeben haben. „Wir haben als Teil eines systemrelevanten Sektors ja normal weitergearbeitet.“ Sicher habe sich der eine oder andere Fragen gestellt, doch „durch die große Solidarität, die das Personal an den Tag gelegt hat“, seien alle Zweifel schnell beiseite geräumt worden. „Es war schnell klar, dass sich hier, die neuen Sicherheitsbestimmungen ausgenommen, nicht viel ändern würde. Daher kehrte schnell wieder Ruhe ein“, so eine Mitarbeiterin des Schlachthofs.

Auch wenn der Schlachthof in der Patton-Stadt nie aufgehört hat, zu arbeiten, sah er sich mit Änderungen am Markt konfrontiert. „Am Anfang stellten wir Hamsterkäufe fest, dann, als die Kühlschränke voll waren, brach der Markt ein. Jetzt normalisiert sich die Lage wieder“, erläutert Claude Graff. Ein Metzger der Cactus-Gruppe pflichtet dem bei: Im März und April habe es einen regelrechten Run auf die Theken der Metzgereien gegeben. Nach einiger Zeit sei es jedoch wieder ruhiger geworden. Am Anfang soll besonders viel Fleisch gekauft worden sein, das eingefroren werden konnte. Inzwischen würde die Wahl der Kunden aber eher auf Grillfleisch fallen. Claude Graff unterstreicht in diesem Zusammenhang die Antwort der Minister Romain Schneider (Landwirtschaft), Dan Kersch (Arbeit) und Paulette Lenert (Gesundheit) auf eine parlamentarische Anfrage, bei der diese angaben, die Übertragung des Coronavirus über kontaminierte Lebensmittel sei ausgeschlossen.

Das Unternehmen

Bereits 1903 gab es in Ettelbrück ein kommunales Schlachthaus. Das „Abattoir Ettelbruck“ gibt es seit 1956 – sprich seit der Gründung der Metzgerei-Kooperative. Das aktuelle Schlachthaus wurde 1990 gebaut, mit einer Fläche von 3.000 Quadratmetern. 2007 nahm das Unternehmen die juristische Form einer S.A. („Société anonyme“) an. 2011 wurde die Anlage um 6.000 Quadratmeter erweitert.
Im Schlachthaus in Ettelbrück arbeiten insgesamt 193 Personen. Der Jahresumsatz lag 2019 bei 57 Millionen Euro. Jede Woche werden zwischen 1.800 und 2.000 Schweine, 400 Rinder, 20 Schafe und ein paar Strauße geschlachtet und verarbeitet. Über 90 Prozent der Tiere stammen aus Luxemburg. 70 Prozent des Fleischs wird auch hierzulande wieder an den Kunden gebracht. Die restlichen 30 Prozent werden im nahen Ausland verkauft, ein Großteil im Saarland. 18 Lastwagen bringen die Ware zu den Händlern und Kunden. Claude Graff ist seit 1997 Direktor des Schlachthauses. Der gebürtige Ulflinger ist 56 Jahre alt, Vater von zwei Kindern und hat eigener Aussage zufolge „den Beruf von der Pike auf gelernt“.