#Heritage for Future

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Mit dem ersten Europäischen Jahr des Kulturerbes will die Europäische Kommission die Menschen für das gemeinsame Kulturerbe begeistern, sie will damit aber auch den interkulturellen Dialog fördern und das Bewusstsein für die europäische Geschichte schärfen.

Es gibt keine Zukunft ohne den Rückblick und die Erinnerung an die Vergangenheit. Genau diese Volksweisheit hat die Europakommission aufgegriffen, als sie vor genau einem Jahr auf Betreiben von Deutschland 2018 das Europäische Jahr des Kulturerbes ausrief. Dabei sollen sich Wissen und Erinnerung jedoch nicht aufs Hier und Jetzt beschränken. Mit der Entdeckung des gemeinsamen kulturellen Erbes soll ein interkultureller Dialog über die Gemeinsamkeiten entstehen.

„Die Menschen sollen verstehen, dass sie ein gemeinsames kulturelles Erbe haben“, hieß es beim Auftakt der Initiative im Dezember in Mailand. Dafür soll ihnen die kulturelle Vielfalt vor Augen geführt werden, der interkulturelle Dialog soll gefördert werden und das breite Publikum soll in die Erhaltung dieser Kulturgüter eingebunden werden, um „das Zugehörigkeitsgefühl in einem gemeinsamen europäischen Raum zu verstärken.“
Das Kulturerbe prägt unsere Identität und unseren Alltag. Es umgibt uns in Städten und Dörfern, in natürlichen Landschaften und an archäologischen Stätten. Es spiegelt sich wider in Literatur und Kunst, genauso wie in Handwerken, in Kindergeschichten oder in gemeinsam genossenen Mahlzeiten. So gesehen hat es einen universalen Wert, der bewahrt und an künftige Generationen weitergegeben werden muss, nicht zuletzt weil die Kultur eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft Europas spielt.

Viele Formen

Das Kulturerbe hat viele Formen: die materielle zuerst, zu der Gebäude, Denkmäler, Kunstwerke oder archäologische Stätten zählen. Dann die immateriellen Reichtümer wie Bräuche, Feste oder Sprachen. Zum Kulturerbe gehört aber auch die Umwelt, mit Landschaften, Flora und Fauna. Und dann kommt mit der digitalen Form der Erinnerung ein ganz neuer Aspekt dazu, der sowohl Werke umfasst, die in digitaler Form erstellt wurden, als auch solche, die zur Aufbewahrung digitalisiert wurden.

Die Herausforderungen an die Teilnehmer der Initiative sind groß: Der wachsende Stellenwert der Digitaltechnik verändert die Konservierungs- und Auswertungsarbeit, der steigende Druck im Bereich der Umwelt fordert neue Herangehensweisen und nicht zuletzt konfrontieren der illegale Handel und Schmuggel mit Kulturgütern Politik und Wissenschaft ständig mit neuen Fragen.

2018 sollen alle Bürger in Europa die Gelegenheit bekommen, das kulturelle Erbe zu erfahren, zu schätzen und zu genießen. Dafür finden in ganz Europa unzähligen Aktivitäten statt. Die Kommission richtet das Jahr des Kulturerbes nicht allein aus. Eingebunden sind auch das Europaparlament, der Rat der Europäischen Union, der Ausschuss der Regionen sowie der Wirtschafts- und Sozialrat. Es soll auch keine einmalige Aktion sein. Über das Jahr 2018 hinaus sollen mit dem Europarat und der Unesco zehn langfristig angelegte Projekte durchgeführt werden.


3 Fragen an Staatsekretär Guy Arendt

Tageblatt: Wie steht Luxemburg zu der Initiative?

Guy Arendt: Wir sehen diese Initiative sehr positiv, denn sie ist eine einmalige Gelegenheit, unser kulturelles Erbe in den Vordergrund zu stellen. Im Rahmen der Umsetzung dieses Jahres haben wir drei Prioritäten festgehalten und den Schwerpunkt auf die Sensibilisierung, die Nachhaltigkeit und die Technologie gelegt. Es war uns jedoch wichtig, die kulturellen Akteure mit einzubinden und in den Blickpunkt zu rücken, denn sie verantworten die Vielzahl von Projekten, die heute das Label tragen.

Unter welchen Bedingungen kann ein Projekt das Label oder finanzielle Unterstützung von „patrimoine2018“ erhalten?

Das Projekt muss im Wesentlichen unser kulturelles Erbe behandeln, sei es aus einer kulturellen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Perspektive heraus. Wichtig ist auch, dass die Herangehensweise zukunftsorientiert ist und eine (oder mehrere) unserer vorhin genannten Prioritäten behandelt werden.

Wen möchten Sie ansprechen?

Wir möchten als Erstes das breite Publikum für die Thematik sensibilisieren, indem wir seine Sicht auf die kulturellen Schätze schärfen, die uns umgeben. Wir wollen es aber auch auf die Herausforderungen vorbereiten, die uns im Bereich der Nachhaltigkeit und der Digitalisierung erwarten. Und wir wollen nicht zuletzt die Kinder und Jugendlichen auf den Reichtum und die Vielfalt unseres kulturellen Umfeldes hinweisen und die Möglichkeiten aufzeichnen, die sich ihnen bieten. Es wäre schön, wenn wir dadurch eine neue Aufmerksamkeit für unsere Kultur erreichen könnten, ein nachhaltiges Bewusstsein erwecken für die Reichtümer und für die Vielfalt, mit denen wir täglich leben – auch über 2018 hinaus.


Qual der Wahl

Nicht weniger als 110 Projekte tragen bislang das Label des Kulturerbejahres. Sie kommen aus drei Themenbereichen: „Patrimoine culturel & éducation/sensibilisation“ soll besonders die jungen Generationen ansprechen, „Patrimoine culturel & développement durable“ setzt auf Nachhaltigkeit und „Patrimoine culturel & technologie(s)“ soll das Kulturerbe wissenschaftlich neu aufbereiten. Bei allen drei Themenbereichen gilt eine partizipative Herangehensweise. Das Kulturministerium versteht sich als Begleiter, punktuell auch als (bescheidener) Geldgeber, lässt aber den interessierten Partnern völlige Freiheit. Wer bis zum Jahresende eine Initiative startet, die den Vorgaben des Kulturerbejahres entspricht, kann sich immer noch melden, um das Label zu erhalten. Alle Informationen und vor allem die 110 aufgelisteten Veranstaltungen sind auf der Webseite www.patrimoine2018.lu zu sehen.


Mitreden

Luxemburg kann gleich in vier großen Sparten des Kulturerbes mitreden. Zu seinen materiellen Schätzen zählt die von der Unesco zum Weltkulturerbe erhobene Altstadt; zu den immateriellen Werten gehören die Springprozession in Echternach und die „Family of Man“-Fotosammlung in Clerf. Um das Prädikat des landschaftlich wertvollen Kulturgutes bemühen sich zurzeit gleich zwei Gebiete: Das Müllerthal möchte ins Netzwerk der Unesco Global Geoparks aufgenommen werden, die Naturreservate der Südregion ins Unesco-Programm „L’homme et la biosphère“. Zwischen dem Oscar für den Animationsfilm „Monsieur Hulot“ und den Bestrebungen des „Centre for Contemporary and Digital History“ an der Uni Luxemburg kann sich unser Land auch in dieser Sparte durchaus verteidigen.


Rückblick

2018 ist eine Premiere. Zum ersten Mal steht das gemeinsame kulturelle Erbe im Blickfeld. Dabei geht die Grundidee eigentlich schon auf 1975 zurück, das Jahr, in dem der Europarat erstmals ein Europäisches Jahr des Denkmalschutzes ausrichtete. 1982 griff der französische Kulturminister Jack Lang die Idee auf und initiierte die „Journées du patrimoine“. Ein Jahr später rief er, zusammen mit der griechischen Schauspielerin und Kulturministerin Melina Mercuri, die Initiative der Europäischen Kulturhauptstadt ins Leben.
1992 wurde die Kultur als Politikfeld von gemeinsamem europäischen Interesse in den Maastrichter Vertrag eingeschrieben. 2007 bekam sie im Vertrag von Lissabon sogar Verfassungsrang.


Durchs Schlüsselloch

Am 1. Mai gibt es einen interessanten Einblick in den Besitz der Mayrisch, genauer gesagt in das Colpacher Schloss, das hilflos in sich zusammenfällt, seit das Rote Kreuz sein Genesungszentrum verlegt hat. Deshalb war es für das „Centre de réhabilitation du site du Château de Colpach“ eine gute Gelegenheit, auf die Schätze aufmerksam zu machen, die das Ehepaar dort angesammelt hatte, darunter Skulpturen von großen französischen Künstlern des beginnenden 20. Jahrhunderts wie Maillol, Bourdelle oder Despiau. Auch die 1980 zum Andenken ausgerichtete Ausstellung „Europalia“ kam wieder zu Ehren, angereichert durch neue Fotos, Bücher und Kunstgegenstände. Der Eintritt, am 1. Mai um 16 Uhr, ist frei. Weitere Besichtigungstermine sind am 21. Mai, 3. Juni, 5. August und 2. September.


Kultur verbindet

Das Jahr des Kulturerbes ist auch eine gute Gelegenheit für einen Blick über die Grenzen hinaus. Belgien ist mit einem Fotowettbewerb zum Thema „Patrimoine“, zwei großen Kunstausstellungen und dem Thema Kino – mit Blickpunkt auf der Weltausstellung von 1958 und den Ereignissen von Mai 1968 – dabei. Frankreich beteiligt sich mit 216 Ereignissen am Europäischen Kulturerbejahr, in unserer Nähe läuft in Sarreguemines noch bis zum 21. April ein Mundart-Festival. In Deutschland beteiligt sich das Rheinische Landesmuseum Trier mit seinen umfangreichen archäologischen Sammlungen an der Initiative. Saarbrücken gibt das vom französischen Architekten Pingusson gebaute ehemalige Kulturministerium zur Besichtigung frei, genau wie die 1954 gebaute Sendeanlage Europa 1 in Überherrn-Berus, von wo aus die Programme von Europe 1 auf Langwelle ausgestrahlt werden. Das Gebäude ist der weltweit erste Großbau mit einer spektakulären Spannbetonkonstruktion ohne Stützpfeiler und steht unter Denkmalschutz.


Im Blickpunkt

Gleich nach den Osterferien startet eine Initiative, die bereits im Vorfeld für einige Aufregung gesorgt hatte: Nachdem die Bettel-Schneider-Regierung gleich 2013 bei ihrem Amtsantritt auf die Ausrichtung einer Ausstellung zum Ersten Weltkrieg verzichtet hatte, geht sie jetzt auf ganz moderne Weise auf Wiedergutmachung. Das Projekt „Éischte Weltkrich: Remembering the Great War in Luxembourg“ bringt uns eine Epoche, die bislang nur wenig studiert wurde, auf ganz moderne Art näher. Wer ab dem 19. April die Webseite https.//.ww1.lu antippt, bekommt vier Alternativen: eine thematische, erzählerische Darstellung, eine Sammlung von zeitgenössischen Dokumenten, eine interaktive Landkarte über das Kriegsgeschehen und eine chronologische Darstellung der Ereignisse. Weitere Kapitel enthalten pädagogisches Material und wissenschaftliche Beiträge. Die Webseite soll interaktiv sein und die Besucher zur Mitarbeit animieren. Parallel dazu fordert das Nationalarchiv das Publikum auf, sich direkt an der Aufarbeitung von historischen Quellen zu beteiligen. Für diese „Crowdsourcing“ genannte Aktion werden rund 3.000 Todesscheine von Soldaten des „Département des Forêts“ online gestellt, die zwischen 1798 und 1814 für Frankreich gefallen sind. Ihre Aufarbeitung ist wichtig für die Militärgeschichte unseres Landes, interessiert aber auch die Familienforscher. Dieses Projekt, mit dem ein digitaler Besitz für alle geschaffen werden soll, läuft ab dem 1. Mai auf www.anlux.lu.