Gerichtliche „Rentrée“ mit Tücken

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Um 9 Uhr schlug gestern Morgen in der neuen „Cité judiciaire“ die Stunde der Wahrheit: In gleich mehreren Sälen wurden die ersten Prozesse in den Räumlichkeiten gestartet. Dabei stellte sich rasch heraus, dass die Bedingungen alles andere als ideal sind! François Besch

Luxemburg – Es ist kurz vor 9 Uhr: Auf dem Heilig-Geist-Plateau herrscht emsiges Treiben. Anwälte, Richter, Zeugen und Angeklagte machen sich auf den Weg zur großen Premiere. Wo ist Saal TL1.04? Wo TL3.09? Aha, dort geht’s lang. Immer noch gibt die „Cité judiciaire“ zum Teil den Anschein einer einzigen Baustelle. Auch im Saal TL1.04, wo wir gestern Vormittag dem ersten Prozess der 18. Kammer beiwohnten, liegen hier und da noch Schrauben, die wohl irgendwo anders fehlen.

Tolle Planung

Vor dem Saal steht ein junger, verunsicherter Polizeibeamter: „Ich denke, die Angeklagten werden durch die hintere Tür in den Saal kommen, bin mir aber nicht sicher …“ Es ist bereits nach 9 Uhr, als der Beamte die Vordertür öffnet und Anwälte und Zeugen in den Saal lässt. Und auch die Presse, für die selbstverständlich keinerlei Plätze vorgesehen sind – eine tolle Planung!
„Hier im ersten Stock geht’s noch“, meint der Kollege von RTL, den wir später antreffen, „aber im dritten Stock, da sind die Säle wirklich winzig! Dafür gibt es aber einen immensen Flur, auf dem sich so manche Sportart ausüben ließe!“ Nochmals: Tolle Planung! Aber zurück zu unserem ersten Prozess im Saal TL1.04, wo die Griffe zum Öffnen der Fenster – glücklicherweise war es gestern Vormittag nicht besonders warm – in schätzungsweise dreieinhalb Meter Höhe angebracht sind. Eine Leiter war nirgends zu entdecken. Es ist mittlerweile fast 9.15 Uhr und das Richterkollegium noch immer nicht erschienen. Die Angeklagten kommen dann dennoch durch die vordere Tür, die Zeugen, der Staatsanwalt und die Presse warten. Dann öffnet sich hinter dem Richterpult ganz unerwartet die Tür. Gibt es keine Klingel mehr, die noch im alten Gebäude den Einzug der Magistraten ankündigte? Die Audienz erhebt sich von Bänken und Stühlen, die Richterin erklärt die Sitzung für eröffnet und alles setzt sich wieder. Deutlich wird dann auch gleich, dass die Akustik auch hier nicht besser ist, als sie es auf dem Fischmarkt war. Im Gegenteil: Dort gab es immerhin eine Lautsprecheranlage. Auf die hat man beim Neubau gänzlich verzichtet. Auf ein Drittes: Tolle Planung!

„Ech sinn ee Schlëmmen“

Zu den Ersten, die gestern das zweifelhafte Vergnügen hatten, auf der Anklagebank die große Premiere mitzuerleben, gehören Sacha F. (27) und Bob M. (23). Zusammen sollen sie eine Reihe von Diebstählen und Einbrüchen respektive Einbruchsversuchen begangen haben. Dabei gehen diese Taten bereits auf die Jahre 2003 und 2004 zurück. In einem ersten Verfahren waren beide „par défaut“ zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil sie sich nicht präsentierten. Weshalb dies so gewesen sei, will die vorsitzende Richterin wissen? Beide geben an, zu jener Zeit stark drogenabhängig gewesen zu sein und nicht an den angegebenen Adressen gewohnt zu haben, so dass sie nichts von der Vorladung gewusst hätten. Im weiteren Verlauf des Prozesses sind sowohl Bob M. als auch Sacha F. geständig. Ersterer gibt u.a. zu, am 18. November 2003 einem Bekannten ein Handy abgenommen, am 14. Juni im „Auchan“ einen CD-Spieler und am 1. August 2004 am Bahnhof einer Frau eine Brieftasche gestohlen zu haben. Auch zwei Einbrüche in Geschäfte in der Hauptstadt, wo u.a. ein Laptop, 150 Euro Bares und mehrere Handtaschen entwendet wurden, gehen auf sein Konto. „Ech sinn ee Schlëmmen!“, betont Bob M. vor Gericht. Aber er wolle sich bessern. Was Sacha F. angeht, so sei er lediglich bei einem Einbruch sowie bei einem versuchten Autoeinbruch präsent gewesen, habe jedoch nicht selbst mit Hand angelegt. Die Verteidigerin der beiden weist auf deren Drogenabhängigkeit hin und bittet um mildernde Umstände. Die Staatsanwaltschaft fordert schließlich für Bob M. 24 Monate Haft und für Sacha F. deren 12, beide Male zuzüglich einer Geldstrafe. Das Urteil wird am 2. Oktober gesprochen.
Sacha F. wird sich später noch in einem anderen Verfahren zu verantworten haben: Im Juni 2008 hat er einer 65-Jährigen beim Bahnhof die Handtasche stehlen wollen und die Frau dabei mehrere Meter über den Boden geschleift. Er konnte gleich gestellt werden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.