Gasperich: Historisches Viertel mit Zukunft

Gasperich: Historisches Viertel mit Zukunft

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Am Donnerstag wurde im Parlament die Neugestaltung des sogenannten „Ban de Gasperich“ diskutiert. Das neue Aushängeschild des Luxemburger Handels hat eine lange bewegte Geschichte.

Gasperich bedeutet „sumpfige Anhöhe“. Der Name Gasperich taucht zum ersten Mal im Jahre 1083 auf. Schon zur Römerzeit war das Gebiet besiedelt. Aber damals war noch nicht die Rede von handwerklichen Aktivitäten. Der sogenannte Gaspericher Bann im Südosten der Stadt Luxemburg war übersäht mit Bauernhöfen.Siehe auch:
„Ban de Gasperich“: Startschuss womöglich am Donnerstag

Auch im Mittelalter war die Landwirtschaft der Hauptertragszweig der Region. 1297 schaffte es das Dorf jedoch zu einigem Ansehen, als ein gewisser Waltier de Goysperch Schöffe der Stadt Luxemburg wurde. Gasperich blieb jedoch ein kleines verschlafenes Nest. Im 16. Jahrhundert zählte die Ortschaft gerade mal drei bis vier Gehöfte. Während des Dreißjährigen Kriegs (1618 bis 1648) wurde die Bevölkerung des Dorfes dezimiert. Gasperich war ausgestorben und brauchte etliche Jahre, um sich zu erholen. Aber knapp 50 Jahre später wurde das Dörfchen schon wieder komplett zerstört, dieses Mal von den Franzosen.

Durch Kriege zerstört

Da Gasperich in unmittelbarer Nähe der Stadt Luxemburg lag, wurde es regelmäßig Opfer der Belagerungen der Stadt. So auch im Jahre 1794, als das Dorf am 30. November und am 13.  Dezember in Brand gesteckt wurde.Der Ausbau des Boulevard Raiffeisen und des Boulevard Kockelscheuer kostet 70,295 Millionen Euro. Beide Straßen sollen später einmal die Hauptzufahrtsstraßen des Ban de Gasperich bilden. Im Gaspericher Bann  (+/- 126 Hektar) ist die Schaffung 600 Wohnungen, einem Hotel, Büros und Geschäften vorgesehen – darunter ein großes  Einkaufszentrum (Auchan) von 80.000 Quadratmetern. Auch soll das Viertel besser an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden werden.

Gasperich war ein Teil der Gemeinde Hollerich. Nach 1795 begreift die Gemeinde die Dörfer Hollerich, Gasperich, Bonneweg und Cessingen.  Die Ortschaft entwickelt sich im 19. Jahrhundert prächtig und wird sogar 1919 zur Doppelstadt Hollerich-Bonneweg. Ein Jahr später wird sie jedoch der Stadt Luxemburg einverleibt.

Rasante Entwicklung

Die Bevölkerung von Gasperich ist im Laufe der Jahrhunderte unaufhaltsam gewachsen. 1806 Zählte das Dorf 98 Einwohner. 1865 sind es schon über 300. Im Jahre 1935 ergibt eine Volkszählung eine Einwohnerzahl von 1.236. Und 1970 leben 2.714 Menschen in dem Stadtviertel. 1986 wohnten 3.384 Leute in Gasperich. Heute sind es über 4.500. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte das Viertel seinen ländlichen Charakter wahren können. Eine 1820 vorgestellte Studie sieht die Zukunft des neuen Stadtviertels im landwirtschaftlichen Bereich. Das erste kommerzielle Unternehmen, das sich in Gasperich niederließ war ein Café.

Durch die Schleifung der Festung (1867) und den Bau einer Eisenbahnlinie (1859) wurde das Dorf jedoch als interessanter Standort für handwerkliche und industrielle Aktivitäten entdeckt. Im Ort genannt „Millewee“ entstand 1866 eine Ziegelei, die nach und nach vergrößert wurde. 1921 wurde das Gelände an die „Compagnie générale des Goudrons“ verkauft. Ende des 19. Jahrhunderts ließ sich dann eine Wagnerei in Gasperich nieder.

Freizeitzone

Als Gasperich ein Teil der Stadt Luxemburg wurde, entwickelte sich der Wohnungsbau, und mit ihm der Einzelhandel. Während er deutschen Besatzung existierten Pläne, das Viertel als „Freizeitzone“ zu nutzen. Vorgesehen war unter anderem der Bau eines Wettkampfstadions und eines Autodroms, das auch als Landebahn für Flugzeuge genutzt werden sollte. Die Teerfabrik wurde ausgebaut.Die Abgeordneten stimmten der  80prozentigen, staatlichen Beteiligung an den neuen Gebäuden des  Lycée Vauban und der Ecole francaise in Gasperich an. Kostenpunkt: 126,64 Millionen Euro. Die restlichen 20 Prozent wird der französiche Staat beisteuern. Die Schulen sollen 2015-2016 ihre Türen öffnen.   
Der Bau einer „Gare périphérique“ in Howald dürfe nicht als isoliertes Projekt angesehen werden, so alle Redner am Donnerstag im Parlament.      
Der Vorstadtbahnhof sei ein wichtiges Element der städtischen Entwicklung, hieß es. Er gewährleiste die Anbindung an andere Stadtviertel und Gewerbezonen, darunter auch Gasperich. 42,8 Millionen Euro sollen in den Vorstadtbahnhof investiert werden. Zuerst soll der Bahnsteig gebaut werden. Der Zugang zu dem Bahnsteig wird über eine provisorische Brücke sichergestellt.  Es ist geplant, das Gewerbegebiet „Rue des Scillas“ und die Bushaltestelle „Howald-Ronnebësch“ an den Bahnhof anzubinden.

Nach dem Krieg entwickelte sich das Viertel weiter. Es wurden Schulen, Sporthallen … gebaut.  Am Anfang (1894) war die Privatschule „Fieldgen“ als Haushaltungsschule in der „Villa Simonis“ zu Gasperich untergebracht. Neue Werkstätten und Lagerhallen wurden errichtet. Zu Beginn der 60. Jahre ließ sich die Firma Neuberg in Gasperich nieder. 1975 schließlich wurde die Schaffung einer Industriezone angekündigt. 1984 wurde die Einrichtung einer weiteren Zone in Aussicht gestellt. Die ersten Hallen entstanden 1988.

 
Wirtschaftsstandort

Auf diese Weise hat sich Gasperich inzwischen zu einem der großen Wirtschaftspole der Hauptstadt gemausert. Die Entwicklung der Industriezonen Gasperich und Cloche d’Or ist noch nicht abgeschlossen, wie das ambitiöse Großprojekt „Gaspericher Bann“ zeigt. Und auch auf der „Sauerwiss“ geht die Urbanisierung weiter.

Parallel zu der wirtschaftlichen Entwicklung verkümmerte jedoch der Einzelhandel. Gab es zu Beginn der 60. Jahre noch drei Metzgereien, fünf Bäckereien, sechs Lebensmittelgeschäfte, ein Zeitungswaren – und Kurzwarenhandel im Viertel, so sank die Zahl der Läden drastisch. 1989 wurde jedoch nur noch eine Metzgerei, drei Bäckereien, zwei Tante-Emma-Läden und ein Zeitungsgeschäft gezählt.

rh/Quelle: Ons Stad, 31/1989