Fahrdienstleiter unter Beschuss

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Vor dem Berufungsgericht wurde am Montag der im März wegen der Krankheit einer Anwältin ausgesetzte Prozess in der Affäre um das tragische Zugunglück von Zoufftgen fortgeführt. Dabei wurde der Fahrdiensleiter schwer belastet.

Carlo Cass

In erster Instanz waren der zum Zeitpunkt der Kollision nicht anwesende Fahrdienstleiter Paul K. zu sechs Monaten auf Bewährung, der zu spät gekommene und logischerweise gestresste Fahrdienstleiter im Dienst, Claude T., zu vier Jahren Haft, davon zwei auf Bewährung, der Weichensteller Gilbert F. zu einem Jahr auf Bewährung, und der Zugansager Patrick M. zu vier Jahren ohne Bewährung verurteilt worden.

Einzig der Weichensteller Gilbert F. verzichtete auf eine Revision, so dass sich die drei anderen Angeklagten vor dem Berufungsrichter präsentierten.
Zuerst wurde Fahrdienstleiter Paul K. gehört, der seine Schicht um 11.32 Uhr beendete und anhand eines schriftlichen Berichtes an den Zugansager Patrick M. weitergab, da der ihn ersetzende Claude T. sich verspätet hatte und erst drei Minuten später eintraf.

Siehe auch:
Zugunglück in Zoufftgen: Berufungsprozesses erneut verschoben
Wie Patrick M. vor dem Berufungsgericht aussagte, habe er diesen Bericht mit Claude T. zweimal durchgenommen, bevor er sich um das Mittagessen kümmerte. Er habe den Fahrdienstleiter, der ihm wegen seiner Verspätung reichlich gestresst schien, darauf aufmerksam gemacht, dass ein Güterzug aus Richtung Thionville unterwegs war.

Patrick M. gab ebenfalls an, dass er vom „ordre écrit“, den Claude T. dem Luxemburger Zug ausgestellt hatte, um das rote Signal zu ignorieren, nichts mitbekommen habe. Schließlich hatte der Fahrdienstleiter auch alle Unterlagen vor sich auf seinem ansonsten leeren Pult. Um seine Aussagen zu bekräftigen, spielte Patrick M. dem Gericht eine sehr undeutliche Bandaufnahme vor, auf welcher der zweite mit Claude T. gemeinsam vorgenommene Check des von Paul K. hinterlassenen Berichtes aufgezeichnet ist.

„Ding, ding, ding …“

Den Vorwurf, er habe bei einem Anruf in Thionville einfach aufgelegt, statt den Kollegen zu sagen, sie sollten den Zug stoppen, beantwortete Patrick M. mit der Kopfschütteln erzeugenden Aussage, er habe seinem französischen Kollegen keine Anweisungen zu geben. Und schließlich habe er zu dem Zeitpunkt bereits das „Ding, ding, ding …“ vernommen, das die Ankunft des Zuges an der Grenze signalisierte.

Es war dies der Zeitpunkt des tragischen Unfalls, der weder durch einen Sicherheitsknopf, der vom Weichensteller Gilbert F. nicht lange genug betätigt wurde, noch von einem zweiten Knopf, der, im Gegensatz zu der gleichen Anlage in Wasserbillig, keinen Einfluss auf die Stromzufuhr der Hauptoberleitung hatte, vermieden werden konnte.
Diese verzweifelten Versuche, die Katastrophe doch noch zu verhindern, gab der verantwortliche Fahrdienstleiter Claude T. bei seiner Aussage denn auch an, um das in seinen Augen zu strenge Urteil aus erster Instanz in Frage zu stellen.

Er habe von Anfang an seinen Fehler eingestanden, der darin bestand, den „ordre écrit“ ausgefüllt zu haben, ohne die nötigen Überprüfungen vorzunehmen.
Er sei gestresst gewesen und könne sich nicht daran erinnern, den Bericht seines Vorgängers auf der Schicht mit dem Zugansager Patrick M. durchgegangen zu sein.
Es war dann an Me Gaston Vogel, der die Interessen der Nachkommen von Marius di Sterio vertritt, eines seiner geharnischten Plädoyers vorzulegen, das grundsätzlich darin bestand, dass in dieser gesamten Affäre die Praxis das Recht korrumpiert habe.

Eine einzige Schlamperei

Und obwohl es die Pflicht von Zugansager Patrick M. ist, seine Unschuld zu beweisen, hätte die Übergabe der Verantwortung beim Schichtwechsel unbedingt zwischen Gleichen geschehen müssen. Der Anwalt sprach von einer einzigen Schlamperei.

Ein Umstand, der dem verantwortlichen Fahrdienstleiter Claude T. nicht fremd sein dürfte, habe er doch schon mehrere Male in seiner Laufbahn Züge auf besetzte Gleise geschickt, womit er laut Gaston Vogel in Petingen einen größeren Crash verursacht hatte. Dont acte.

Auch in diesem Fall habe ihm die Ampel einfach zu lange auf Rot gestanden und er habe mit einer vorschnellen Entscheidung die Situation wieder in Fahrt bringen wollen, so der Anwalt weiter.

Der Prozess geht am Dienstag weiter. Bei dem tragischen Zugunglück am 11. Oktober 2006 zwischen Bettemburg und Zoufftgen kamen sechs Menschen ums Leben und 16 weitere wurden zum Teil schwer verletzt.