Ende des Reformstaus in Sicht

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Über 30 Jahre hat das aktuelle Scheidungsgesetz auf dem Buckel. Es hat damit die meisten Ehen überlebt, die bei seinem Inkrafttreten in den 1970er Jahren geschlossen wurden. Über eine Reform wird seit über einem Jahrzehnt diskutiert. Noch vor dem Ende der Legislaturperiode sollen jetzt endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Léon Marx

Knackpunkt einer wie auch immer gearteten Scheidungsreform war und ist dabei die Altersabsicherung des Partners, der keine eigene Pensionslaufbahn hat oder der seine Pensionslaufbahn während der Ehe unterbrochen hat.

Definition 
Das Rentensplitting ist die Teilung der Renten zwischen zwei Ex-Ehepartnern. Im Regelfall erhält die geschiedene Frau einen Teil der Rente ihres Ex-Mannes.
Diese Maßnahme wurde ins Leben gerufen, um jene Frauen zu unterstützen, die ihre berufliche Laufbahn aufgegeben haben, um sich der Hausarbeit und der Kindererziehung zu widmen. Viele dieser Frauen haben nicht die geforderten zehn Jahre in die Rentenkasse eingezahlt, um Anspruch auf eine Rente zu erheben. Im Falle einer Scheidung müssten diese Frauen lediglich mit der Unterhaltszahlung ihres geschiedenen Mannes (wenn ein Richter ihr diese zuspricht) und/oder dem garantierten Mindesteinkommen (RMG) auskommen. Wenn der Ex-Mann stirbt, kann sie eine „Überlebensrente“ anfordern. Diese wird auf Basis des Einkommens gerechnet, über welches das Paar während seines Ehelebens verfügte.
Seit über 30 Jahren schon wird über das Rentensplitting diskutiert. Bisher ohne Resultat. Premierminister Jean-Claude Juncker hatte in den Regierungsprogrammen 1999 (CSV-DP) und 2004 (CSV-LSAP) die Einführung des Rentensplittings angekündigt. Nun soll es im Rahmen der geplanten Reform des Scheidungsgesetzes gekommen. Die Maßnahme war ursprünglich kein Bestandteil dieses Gesetzes. Aber auf Anfrage der parlamentarischen Kommission wurde sie in die Reform integriert.
Anwälte und Eheberater raten, während einer Unterbrechung des Berufslebens weiter in die Rentenkassen einzuzahlen und so bei einer Eheauflösung finanziell abgesichert zu sein. 

Das Reizwort, an dem bislang alle Reformen scheiterten, lautet Rentensplitting. Der Punkt ist in dem Gesetzentwurf, den Justizminister Luc Frieden am 20. Mai 2003 im Parlament einreichte, aus eben diesen Gründen nicht enthalten. Die parlamentarische Justizkommission arbeitet derzeit allerdings an Amendements, um diesen Aspekt nun doch in das Scheidungsgesetz zu integrieren.
Die Frage der späteren Altersbezüge soll demnach bereits bei der Scheidung geklärt werden. Laut einem Vorschlag von Sozialminister Mars di Bartolomeo sollen im Scheidungsfall die beiden theoretischen Versicherungslaufbahnen ohne Ehe verglichen werden. Aus dem gemeinsam während der Ehe erwirtschafteten Erlös soll der benachteiligte Partner – meist die Frau, die während der Ehe ihren Job aufgegeben hat – einen bestimmten Geldbetrag erhalten, der zum Rückkauf von Versicherungsjahren verwendet werden muss.
Über ein eigenständiges Gesetz soll dagegen das Sorgerecht für die Kinder geregelt werden. Wobei in diesem legislativen Paket der Scheidungsfall mit dem angestrebten, gemeinsamen Sorgerecht nur ein Element darstellt. Entsprechend dem Gesellschaftsbild des 21. Jahrhunderts soll das Sorgerecht für Kinder generell ein gemeinsames der beiden Elternteile sein, dies unabhängig von ihrem Verhältnis (nicht verheiratet, verheiratet, geschieden, in Partnerschaft lebend).
Die geplante Reform des Scheidungsrechts stellt dabei einen Bruch mit der aktuelle Gesetzgebung dar. Die geht davon aus, dass die Scheidung ein Ausnahmefall ist und die Ehe eigentlich ein Bund fürs Leben. Eine Vorstellung, die der heutigen Realität aber längst nicht mehr entspricht. In einer Gesellschaft, in der jede zweite Ehe scheitert, wird die Scheidung zu einer normalen administrativ-juristischen Prozedur. Die nach der Scheidungsreform in maximal sechs Monaten abgewickelt wäre.
Sind sich die beiden Partner einig über die Regelung der nachehelichen Details, kann es sogar noch schneller und kostengünstig gehen. Bei der Prozedur vor dem Bezirksgericht können die scheidungswilligen Ehepartner ohne Rechtsanwalt auftreten. Die Anwaltskammer empfindet diesen „divorce à grande vitesse“ sogar als gefährlich.

Scheidung leicht gemacht

Nur noch zwei Scheidungsgründe sind in dem neuen Gesetz vorgesehen; die Ehe ist zerrüttet, beide Partner sind sich einig, dass sie die Ehe auflösen wollen. Die Scheidung wegen Fehlverhaltens eines Partners soll abgeschafft werden. Ein Punkt, in dem allerdings noch nicht das allerletzte Wort gesprochen scheint. Eine ganze Reihe von Gutachten, darunter das der Anwaltskammer vertreten die Ansicht, man solle die Scheidung wegen Fehlverhaltens für besonders schlimme Fälle, etwa wenn es zu Gewalttätigkeiten gegenüber dem Partner kam, beibehalten. Dies auch, weil die Ehe laut Gesetz ein Vertrag mit Rechten und Pflichten der beiden Partner ist.
Die Forderung, nicht nur das Scheidungsgesetz, sondern auch das Ehegesetz zu reformieren, taucht in praktisch allen Gutachten auf. Diese Reform wird aber sicher nicht vor den Wahlen im Juni stattfinden. Selbst bei der angestrebten Reform des Scheidungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode könnte mit Blick auf den Kalender die Zeit knapp werden. Der CSV-nahe „Cercle Joseph Bech“ hat in diesem Zusammenhang sogar vorgeschlagen, die Zivilehe juristisch auf die gleiche Ebene wie einen gewerblichen Handelsvertrag zu stellen und sie komplett von der kirchlichen Ehe abzukoppeln.Skepsis klingt bei der Anwaltskammer auch bezüglich der Bestimmung durch, laut der der Elternteil, dem die Kinderbetreuung zugesprochen wird, in der gemeinsamen Wohnung als Mieter verbleiben darf. Die Perspektive, im gemeinsamen Haus verbleiben zu können, werde den Streit um die Kinder noch verschärfen.