Eine werksneue „Uniform“

Eine werksneue „Uniform“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die kleine luxemburgische Luxair und der amerikanische Flugzeuggigant Boeing scheinen unzertrennlich. Seit Jahrzehnten fliegt die einheimische Fluggesellschaft Boeing-Maschinen vom Typ 737.

Den Anfang läutete eine 737-200 ein, welche am 17. Dezember 1977 auf Findel landete. 35 Jahre später, fast auf den Tag genau, setzte am vergangenen 11. Dezember die erste werksneue 737-800 der Luxair in Luxemburg auf (wir berichteten, siehe Tageblatt vom 12.12.2012).

Luxair-Piloten im Cockpit der Boeing 737-800 Captain Raymond Neumann, Chief Pilot B737 (links) und Captain Laurent Bergem, Deputy Fleet Chief B737. (Foto: Robert Spirinelli)

Die Boeing mit der Seriennummer 41047 und der luxemburgischen Kennung LX-LGU („Uniform“) wurde von den erfahrenen Luxair-Piloten Raymond Neumann und Laurent Bergem vom Boeing-Werksstandort Renton im US-Bundesstaat Washington abgeholt und nach Luxemburg geflogen.

Erster Flug mit Ziel Kapverden

Seit der Ankunft auf ihrem neuen Heimatflughafen war die Maschine in der Obhut der Maintenance, welche dem Flieger den letzten Feinschliff verpasste und dem Kurz- und Mittelstrecken-Flugzeug eine völlig neue Luxair-Bestuhlung montierte, um so die 737 für ihren ersten kommerziellen Flug startklar zu machen. Am 8. Januar nun flog die „Uniform“ die ersten Passagiere planmäßig auf die Kapverden; es war ihr allererster Flug ab Luxemburg.

Am Tag zuvor öffneten die Flugkapitäne Raymond Neumann, B-737-Flottenchef, und Laurent Bergem, stellvertretender B-737-Flottenchef, den neuen Ferienflieger und empfingen Tageblatt Aero an ihrem Arbeitsplatz, um über ihre Spezialmission zu erzählen. Neumann und Bergem flogen sämtliche Maschinen der 737-Luxair-Familie, angefangen bei der 200 über die 400, die 500 bis hin zur 700 und 800 der „NextGeneration“.

Top Flugzeug

Bis heute gilt die Boeing 737 als das erfolgreichste Düsenverkehrsflugzeug, das jemals gebaut wurde. Der Standardrumpf-Jet existiert mittlerweile in der dritten Generation und die äußere Erscheinung hat sich kaum verändert. Erstmals hob eine 737 am 9. April 1967 ab und noch im selben Jahr erfolgte die erste Auslieferung einer 737-100 an die deutsche Lufthansa.

In Renton werden die 737 aus Teilen, die sowohl von diversen Herstellern in den USA als auch aus der ganzen Welt stammen, endmontiert. Flugzeugrümpfe, Fahrwerke mit allerlei Systemen sowie Kabinenausstattungen werden binnen weniger Tage zusammengebaut. Für eine 737 werden rund 360.000 Einzelteile und 600.000 Verbindungsstücke gebraucht, welche bereits vormontiert in den Boeing-Werkshallen eintreffen.

38 Flieger in Produktion

„Der Rumpf wird zum Beispiel in Wichita komplett vorgefertigt und bereits verkabelt nach Renton gebracht. Wenn dann der Rumpf mit den Flügeln vereint ist, kann der Flieger bereits in einer Zeitspanne von 14 Tagen abheben. Zurzeit werden in Renton bis zu 38 Maschinen vom Typ 737 produziert, also mehr als ein Flugzeug am Tag“, erklärt uns Kapitän Neumann.

Beide Piloten geben sich bescheiden, sind jedoch ein eingespieltes Team, und aus langjährigen Berufskollegen wurden echte Freunde, dies merken auch wir bei unserem Frage-und-Antwort-Spiel. Diese Crew wurde nicht aus reinem Zufall nach Seattle entsendet, um einen bestellten Jet abzuholen. Nein, vor Ort werden Routiniers und echte Profis verlangt.

Die Abnahme

In Seattle angekommen, ging es gleich zum Boeing-Werk in Renton, wo die Luxair-Maschine auf die Piloten aus dem Großherzogtum wartete. Es war eine Premiere für Raymond Neumann, sein Kollege kannte das Szenario. Kapitän Laurent Bergem holte bereits zwei Boeing 737-700 in Seattle ab, und dennoch gibt er zu verstehen: „Es ist ein enormes Privileg, einen solchen Moment in einer Pilotenkarriere erleben zu dürfen. Im Namen der Luxair unterschreiben wir, in diesem Fall Kapitän Neumann, die Abnahme der Maschine und tragen somit die volle Verantwortung für das Funktionieren des Flugzeugs.“ Das Dokument wurde allerdings nicht „blind“ unterzeichnet, denn zuvor wurde die LX-LGU vor der Abnahme vor Ort auf Herz und Nieren geprüft.

„Bei Boeing wird da kein Unterschied zwischen Groß und Klein gemacht. Es ist eine Riesenfirma mit rund 160.000 Beschäftigten. Da ist jeder sehr zuvorkommend und professionell. Die Boeing-Leute kümmern sich bestens um ihre Kunden.

Ehre

Boeing weiß auch, dass es von Luxemburg nach Toulouse nicht so weit ist wie nach Seattle, und auch, dass sich in Europa ein großer Konkurrent befindet und es demnach auch eine Ehre ist, wenn ein kleines europäisches Land amerikanische Produkte kauft. Also da wird definitiv kein Unterschied gemacht, ob man nun drei oder 100 Flugzeuge in Auftrag gibt“, unterstreicht Bergem.

Flottenchef Raymond Neumann flog dann auch als erster Luxair-Pilot vom linken Cockpit-Platz aus den Test mit der Maschine und erläutert die Auslieferungsprozedur: „Zum ersten Mal wurde das Flugzeug am 15. November aufgetankt und am folgenden Tag bereits die Triebwerke zum Laufen gebracht sowie die Avionik eingeschaltet. Der Erstflug wurde am 19. November mit einer reinen Boeing-Crew durchgeführt, bevor ich am 3. Dezember das ‚Ruder‘ übernahm. Da Boeing zu diesem Zeitpunkt noch Eigentümer des Flugzeuges war, flog auch ein Boeing-Pilot mit uns.

Testflug

Nach den Bodentests, wo zum Beispiel Bremssysteme, Hydraulik und Steuerung geprüft werden, ging es dann zur Startbahn. Bei einem solchen Sonderflug muss ein ganzes Programm absolviert werden. Bei einem Abnahmeflug wird die Maschine auf ihre maximale Flughöhe von 41.000 Fuß (12.500 Meter) gebracht und bis an ihre oberste Leistungsgrenze geflogen, wobei natürlich auch der Autopilot getestet wird. Die Vorbereitungen auf einen solchen Flug sind auch nicht mit einem planmäßigen Einsatz zu vergleichen. Bei einem Testflug werden immerhin Szenarien ausprobiert, die auf normalen Linienflügen undenkbar wären; so zum Beispiel auch das Abschalten je eines Triebwerks.

Bei eingefahrenen Klappen erträgt eine Boeing 737 2,5 Mal die Erdbeschleunigungskraft. Mit allem, was allerdings darüber hinausgeht, bekommen wir ernsthafte Probleme, also das beginnt so bei einer 60-Grad-Flügelneigung. Solche Situationen werden von den Luxair-Piloten natürlich auch im Simulator immer wieder trainiert, um im Extremfall stets mit maximaler Professionalität reagieren zu können. Als Luxair-Pilot habe ich bisher um die 1.000 Stunden im Flugsimulator verbracht. Im normalen Linienverkehr werden bis zu 30-Grad-Kurven geflogen, im Training neigen wir bis auf 45 Grad.

Eine normale Runde bedeutet also in keiner Weise eine Belastung für das Flugzeug. Da kann man getrost ein Glas Wasser hinstellen und wenn die Kurve sauber geflogen wird, bleibt dieses Glas problemlos stehen.“

Ab nach Hause

Am folgenden Tag steuerte dann Kapitän Bergem die Maschine auf einem weiteren und definitiven Abnahmeflug über Renton.

Die Heimroute führte von Seattle erst nach Goose Bay, Kanada, wo die 737-800 nach 5 Stunden und 32 Minuten zu einem kurzen Tankstopp landete. Von hier aus ging es im Direktflug über Ontario, Québec, Neufundland, Grönland und Island nach Luxemburg-Findel. Nach weiteren 6 Stunden und 24 Minuten setzte B737-Chefpilot Neumann die werksneue Luxair-Boeing 737-8C9 behutsam auf der Landebahn 06 des Luxairports auf.

Die Flottenschönste

Auf die Frage, ob nun die Landung in Luxemburg oder der Start in Seattle spannender war, waren sich die langjährigen Kollegen einig: „Natürlich die Landung, es ist ja nicht so, als ob wir jeden Tag eine neue Maschine nach Hause fliegen dürfen!“, lachen die Piloten. Für beide ist die Maschine mit der Kennung LX-LGU jedoch ein Flugzeug wie alle anderen der Luxair-Boeing-Familie. „Sie ist wohl die Flottenschönste, zumindest von der Innenausstattung mit dem neuen ‚Sky Interior‘, aber nicht unbedingt mein Favorit. Ich fliege diesen Jet genau so gerne wie alle unsere Boeings“, so ein schmunzelnder Raymond Neumann, der uns dann aber verriet, dass die Boeing 737-800 trotz allem sein Lieblingsflugzeug sei. Flugkapitän Laurent Bergem ist da schon nostalgischer und blickt zurück. Er mag das Jagdflugzeug North American P-51 Mustang über alles.

Den ersten kommerziellen Flug mit der „Uniform“ führten Raymond Neumann und Laurent Bergen nicht durch, da musste eine andere Cockpitbesatzung ran. „Nun sollen auch unsere Berufskollegen auf der neuen 737-800 zum Einsatz kommen“, so die Flugkapitäne zum Abschluss unseres Gesprächs.

Moderne Innenausstattung

In der Tat sind alle Luxair-Boeing-Piloten berechtigt, die neue 737-800 zu fliegen. Ihre Lizenz erlaubt es, alle 737-Typen von der 300 bis zur 900 zu steuern. Im Grundaufbau unterscheiden die 737-Modelle sich hauptsächlich durch die Rumpflänge und das Flugzeuggewicht.

Zu erwähnen bleibt, dass die neue Luxair-Boeing mit dem innovativen, von Kapitän Neumann bereits erwähnten „Boeing Sky Interior“ ausgestattet ist. Die moderne Innenausstattung zeichnet sich durch gewölbte Seitenwände und ovale Fenstereinbettungen aus und bietet größere Gepäckfächer. Verbesserte Bedienungs- und Rufschalter sowie unterschiedliche Beleuchtungsspektren sind weitere Merkmale für die Kabine.

Die LX-LGU „Uniform“ ist die erste von insgesamt drei neuen Boeing 737-800, die Luxair bestellt hat. Im Januar 2014 und 2015 sollen die weiteren Maschinen zur Flotte stoßen.

(Robert Spirinelli/Tageblatt.lu)