„Eine spannende Erfahrung“

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Die LuxLeaks-Akte ist noch immer nicht abgeschlossen. Am 11. Januar hat der Kassationsgerichtshof entschieden, das Urteil aus zweiter Instanz zu „kassieren“. Das bedeutet, dass es erneut zu einem Berufungsprozess kommt. Allerdings betrifft das nur das Urteil von Antoine Deltour. Jenes von Raphaël Halet aus zweiter Instanz hat der Kassationsgerichtshof nicht aufgehoben. Me Philippe Penning, Rechtsanwalt von Deltour, ist zuversichtlich, dass es nun einen Freispruch geben wird.

Am Dienstag wird sich das Berufungsgericht erneut mit der LuxLeaks-Akte befassen. Auf der Anklagebank wird dieses Mal einzig und allein Antoine Deltour sitzen. Nur sein Urteil hatten die Richter des Kassationsgerichtshofes „kassiert“. Seinem Verteidiger Me Philippe Penning zufolge soll der Fall aber nur „theoretisch“ von vorn aufgerollt werden. „Die Berufungsrichter müssen die Entscheidung der Kassationsrichter in ihrem anstehenden Urteil respektieren. Der Kassationsgerichtshof steht schließlich über dem Berufungsgericht. Die Kassationsrichter haben entschieden, dass Deltour auf der gesamten Linie als Whistleblower anerkannt werden muss. Die Berufungsrichter müssen sich nun daran halten“, sagt er. Nachdem das Urteil am 11. Januar gefallen war, verließen Antoine Deltour und sein Rechtsanwalt den Gerichtssaal mit einem guten Gefühl.

„Wir waren etwas überrascht, aber sehr glücklich. Zudem bin ich stolz auf die luxemburgische Justiz, weil sie Deltour doch noch als Whistleblower anerkannt hat“, meint Me Penning. Allerdings gibt es auch einen Wermutstropfen: Laut Penning soll Deltour von sich aus bei der Auditfirma PricewaterhouseCoopers gekündigt haben. „Normalerweise muss man bei einer Kündigung alle Schlüssel bei der Firma abgeben. Auch darf man beim Verlassen der Arbeitsstelle keine Zugangs- und sonstige Daten mit sich führen. Deltour aber wollte an seinem zweitletzten Tag einige Weiterbildungsdokumente mitnehmen. Bei der Suche nach diesen Unterlagen ist er auf die sogenannten Tax Rulings gestoßen und hat diese auch gleich mitkopiert“, so der Rechtsanwalt.

„Moutarde après dîner“

Weil er diese Unterlagen „geklaut“ haben soll, muss sich Deltour nun ein weiteres Mal vor Gericht verantworten. Laut Me Penning sei dies aber „Moutarde après dîner“. „Hätte er ’nur‘ diese Dokumente mitgehen lassen, dann wäre es mit höchster Wahrscheinlichkeit kaum zu einem Prozess gekommen“, meint er. Zudem habe Deltour bisher noch keinen Gebrauch von diesen Dokumenten gemacht. Trotzdem drohen ihm eine Haftstrafe und eine Geldstrafe wegen Diebstahls.

Sein Rechtsanwalt will aber idealerweise einen Freispruch beantragen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Beantragung der sogenannten „Suspension du prononcé“. Wenn sich die Richter hierauf einigen würden, dann würde Deltour zwar für schuldig erklärt, aber nicht bestraft werden. Theoretisch könnte er dann noch ein weiteres Mal vor den Kassationsgerichtshof und gegebenenfalls vor den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ziehen, allerdings hätte dies dann keinen Bezug mehr zum eigentlichen Fall, bei dem es schließlich ums Thema „Whistleblower“ ging.

„Vorbildliches Urteil“

Ein Gesetz für einen generellen Schutz der Whistleblower gibt es nicht. (Es existiert ein Gesetz von 2011, bei dem es um Korruption in der Arbeitswelt geht.) Doch laut Penning soll das Statut des Whistleblowers im Artikel 10 der Menschenrechtskonvention verankert sein: „Die Menschenrechtskonvention steht in der Hierarchie über den nationalen Gesetzen und sogar über der Verfassung. In Artikel 10 steht, dass jeder das Recht auf Meinungsfreiheit hat. Im Statut des Whistleblowers ist verankert, dass kein Land die Meinungsfreiheit einschränken darf. Hierzu gehört, dass Meinungsfreiheit nicht bestraft werden darf, weswegen das Statut des Whistleblowers nur indirekt verankert ist.“

Darüber hinaus erklärt der Rechtsanwalt, dass der eigentliche Begriff „Whistleblower“ auf die Arbeitswelt zurückgeht. „Hat ein Arbeiter ein Betriebsgeheimnis verraten, dann darf er nicht hierfür entlassen werden (sofern es dem öffentlichen Interesse dient, Anm. d. Red.), ansonsten wäre es eine Bestrafung“, sagt er. Laut Deltour und Me Penning soll die Entscheidung des Kassationsgerichtshofes die richtige gewesen sein. „Uns wäre es eigentlich am liebsten gewesen, wenn wir dieses Resultat bereits in erster oder zweiter Instanz erreicht hätten“, sagt Penning. Es sei laut ihm das erste Mal, dass „in Luxemburg solch ein vorbildliches Urteil gesprochen wurde“.

Somit sei ebenfalls eine Jurisprudenz geschaffen worden, die sowohl hierzulande als auch im Ausland angewandt werden könne. Auf die Frage, ob er bereits von anderen Whistleblowern kontaktiert worden sei, antwortet Penning: „Kürzlich hat mich eine Person angeschrieben, die in naher Zukunft pikante Infos an die Öffentlichkeit bringen möchte. Ich bin aber der Meinung, dass es wesentlich einfacher ist, eine Person zu verteidigen, die bereits gehandelt hat, als eine, die noch vor der Handlung steht.“

Die menschliche Seite

Der LuxLeaks-Prozess hat den Rechtsanwalt durchaus beeindruckt. „Es war eine spannende Erfahrung, sowohl für Antoine Deltour zu kämpfen, als auch mit dem Starrechtsanwalt Me William Bourdon zusammenzuarbeiten. An Deltour hat mich am meisten seine menschliche Seite beeindruckt. Immer wieder wurde behauptet, dass er vom französischen Fiskus gesteuert worden sei, doch der Mann ist ein sehr harmloser und scheuer Mensch, der nur auf die dubiosen Praktiken der Tax Rulings aufmerksam machen wollte“, sagt er.

Penning erntete aber auch Kritik: Nicht nur seine Bekannten, sondern auch andere Menschen sollen mehrmals zu ihm gesagt haben, dass Deltour ein Dieb sei. „Ich zögerte zu Beginn und wusste nicht, ob ich die Akte annehmen sollte oder nicht. Nun bin ich aber sehr stolz darauf, dass ich Deltour verteidigt habe“, betont der Rechtsanwalt. Was die Rechtsanwaltskosten anbelangen, erklärt er, dass diese integral vom sogenannten „Comité de soutien à Antoine Deltour“ übernommen wurden. Auch der Bruder von Deltour sei immer wieder eine Hilfe gewesen. Auf die Summe der Rechtsanwaltskosten will Me Penning nicht eingehen. Er unterstreicht aber, dass sie in etwa der Höhe der Summe einer Pflichtverteidigung entspreche.

Abschließend erklärt der Rechtsanwalt, dass Deltour vor allem erleichtert sein wird, wenn die Akte endgültig abgeschlossen ist. Er sei schließlich kein Mann, der gerne in der Öffentlichkeit steht oder zu den Medien spricht, ganz im Gegensatz zu Julian Assange oder Edward Snowden. Laut Penning soll es beispielsweise Anfragen von Medienvertretern aus den USA oder aus Großbritannien gegeben haben, um ein Interview mit Deltour zu führen, die dieser jedoch ablehnte.