/ Eine Personalie und ihre Folgen

Tränen hat es in ihrer unmittelbaren Umgebung gegeben, als durch ein Rundschreiben des Vorstandsvorsitzenden Adrian Ney bekannt wurde, dass die Leiterin des Luxair Cargocenters und Mitglied des Unternehmensvorstandes vom Flughafen zur Post wechseln wird. Der Abschied von ihrem Büro in dem langgestreckten Gebäude des Cargo Terminals fällt selbst ihr nicht so ganz leicht.
Hjördis Stahl im Gespräch mit Tageblatt.lu (Bild: François Aussems)
Die in Puerto Rico geborene Managerin kann Menschen mitnehmen für ihre Projekte, kann sie begeistern und lässt – einmal eine Richtung vorgegeben – keinen Zweifel daran, dass sie sie auch verfolgen wird. Hjördis Stahl hat in einem sehr schwierigen Moment für Luxaircargo gezeigt, dass Menschen ihr am Herzen liegen. In der schwierigen Logistik-Krise nach der Finanzkrise von 2008 hat sie die 159 Mitarbeiter, für die es keine Arbeit mehr gab, nicht auf die Straße gesetzt. Nie ist in dem Cargo-Gebäude mehr Farbe zum Anstreichen von Wänden und Böden benutzt worden, als in dieser Zeit.
„Um die Ecke denken“
Hjördis Stahl hat das Cargocenter der Luxair vor fünf Jahren übernommen. Sie kam von der Lufthansa bei der sie nach langen Jahren zuletzt den Frachtbereich am Frankfurter Flughafen verantwortete. Die Powerfrau, die sich im Berufsleben selten Ruhe gönnt, kann „um die Ecke denken“ und ungewöhnliche Lösungen finden. Das Werkzeug Cargocenter fand sie von Anfang an sehr gut geplant mit großen Entwicklungsmöglichkeiten. Einer der Trümpfe: Der Durchlauf der Güter vom Flugzeug zum Lastwagen und umgekehrt ist ungewöhnlich kurz. In dieser Einschätzung macht sie ihrem Vorgänger, Fernand Brisbois, der für den Bau des Cargocenters und seiner Konzeption verantwortlich zeichnet, ein großes Kompliment.
Für sie ist das Cargocenter ein Instrument zur Entwicklung des Luftfracht-Umschlages und des Logistik-Standortes Luxemburg. Sie ging auf Luftfracht Kongresse, stellte dort und auf Fachmessen das Luxemburger Terminal vor. Sie analysierte die Situation und entwickelte eine Strategie für die 82.000 große Fracht-Umschlaghalle. Ein erster äußerer Erfolg zeigte sich vor einigen Wochen, als in der Halle selbst eine neue Halle für die Lagerung und Versendung pharmazeutischer Güter eingerichtet wurde. Dies ist eine Folge des „um die Ecke Denkens“, der Chefin. Sie redete über Monate mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie. Sie erläuterte den Vorteil des Luxemburger Flughafens, diskutierte ihre Idee der pharmazeutischen Lagerhalle. Als sie Zustimmung fand, begann sie mit dem Bau. „Man musste die Situation anders angehen“, sagt sie. „Wenn die Industrie den Fluggesellschaften sagt, dass sie ihre Ware nach Luxemburg geflogen sehen will, dann fliegen die Fluggesellschaften sie nach Luxemburg“. Zumindest im Bereich der Pharmazeutik hat das funktioniert. Auf das intensive Lobbying für das Cargocenter darf Luxemburg wohl auch zurückführen, dass der Frachtflughafen im vergangenen Jahr nur wenig Fracht verloren hat. „In Hahn liegt der Rückgang bei 25 Prozent, in Lüttich bei 16 Prozent, bei uns bei 5,6 Prozent“, sagt sie.
„Stärkung der Nischen“
Das Ansehen Luxemburgs geht heutzutage weit über das frühere als reiner Heimatflughafen der Cargolux hinaus. „Die können, die wollen, die machen“, heißt es zum Luxemburger Frachtflughafen. Hinzu kommt, dass Hjördis Stahl noch eine klare Strategie für das Cargocenter entwickelt hat. Neben der Stärkung der allgemeinen Fracht heißt sie „Stärkung der Nischen“. „Wir haben mit unseren Frachtzentrum noch drei große Möglichkeiten“, zählt sie auf. Wir sind schon spezialisiert auf gefährliche Güter. Wir haben gerade unseren Tierbereich ausgebaut, der schon wieder zu klein ist. Und wir sind in Luxemburg spezialisiert auf große, schwere, sperrige Fracht. Das kommt daher, dass Cargolux sich auf die Boeing 747 festgelegt hat, bei der man durch das Anheben der Nase sperrige Güter gut einladen kann. Wir haben dazu eigens besonderes Werkzeug gekauft.“
Die Schritte zur Verwirklichung dieser Strategie sind eigeleitet. Luxemburg hat seinen besonderen Ruf in der Frachtluftfahrt erhalten. Hjördis Stahl hat dazu viele Kontakte hergestellt. Und nun geht sie. „Ich bin immer dann gegangen, wenn ich das Gefühl hatte, dass etwas erledigt ist.“ Bei der Lufthansa hat sie konzern-intern alle drei bis fünf Jahre neue zu erledigende Aufgaben übernommen. Nach Luxemburg ist sie vor fünf Jahren von der Lufthansa gekommen. Ihre Aufgabe war, das Frachtcenter zu positionieren. Das sieht sie als erfüllt an. „Aber“, sagt sie und darauf legt sie großen Wert: „Jedes Schiff hat zwar einen Kapitän, aber der Job ist ohne die Mannschaft gar nicht zu erledigen. Und hier im Frachtzentrum haben wir eine gute Mannschaft.“
„Ich liebe Luxemburg“
Sie gibt auch zu, dass ihr der Abschied nicht leicht fällt. Sie hat viel von ihrer Person investiert. Und die Luxair wird jemanden verlieren, der in der Branche mehr als gut vernetzt gilt und für seine klaren Visionen von der Luftfracht und Frachtzentren geschätzt wird. Andererseits bleibt sie in Luxemburg. „Das freut mich“, sagt sie. „Ich liebe Luxemburg“.
Fehlen werden ihr in ihrer neuen Aufgabe bei der Post die Flugzeuge und der Geruch des Kerosins, gibt sie offen zu. Andererseits gibt es natürlich auch die Luftpost… Und wenn sie zu starkes Heimweh hat, darf sie wohl davon ausgehen, dass ihr Nachfolger sie zu einem Spaziergang über das Fracht-Terminal einladen wird, um ein wenig Kerosin-Luft zu schnuppern.
(Helmut Wyrwich / Tageblatt.lu)
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