/ Ein Programm unter „Finanzvorbehalt“
Der Saal war überfüllt. Alle Vorschläge von Parteipräsident Biltgen, der auf das
Regierungsprogramm einging, und von Formateur Juncker, der die Personalien vorstellte, wurden angenommen.
Die Basis blieb denn auch während des gestrigen Abends auf der Linie der Parteispitze, murrte selbst bei gesellschaftspolitisch Ungewohntem, wie der künftig ermöglichten Homo-Ehe, nicht und freute sich auf das Grillfest, das sich dem Kongress anschloss.
Noch-Parteipräsident Biltgen, der demnächst in dieser Funktion von Michel Wolter abgelöst werden wird, ging auf die wichtigsten Punkte des Abkommens für die kommenden fünf Jahre ein und sprach von guten Kompromissen, die gefunden worden sind.
Keine der beiden Parteien habe ihre Seele verkaufen müssen, so Biltgen, der betonte, das ausgehandelte Regierungsprogramm sei unter „Finanzvorbehalt“ zu sehen, sprich niemand wisse, wie die Staatsfinanzen sich ob der Krise entwickelten.
Steuererhöhungen gebe es jedenfalls keine und auch die Verschuldung dürfe nicht zu stark wachsen. Aus diesem Grund müsse selektiver und effizienter gearbeitet werden.
Wirtschaft und Forschung
Der Staat will künftig mehr Geld in die Forschung stecken, die Universität kommt nach Belval (außer den Fakultäten für Finanzen und Recht). Arbeitsplätze sollen u.a. dadurch geschaffen werden, dass Unabhängige künftig ähnliche soziale Rechte wie Lohnabhängige erhalten. Wer sich „traut“, soll nicht im Nachhinein bestraft werden.
Die anstehende Verwaltungsreform soll Genehmigungsprozesse (etwa fürs Bauen oder für Betriebsgründungen) wesentlich vereinfachen.
Bei größeren Bauprojekten soll die Kammer künftig auch Baugenehmigungen erteilen können. Auch die Bürgermeister sollen Baugenehmigungen ohne vorheriges PAP unterschreiben können und die Kommodo-Prozeduren sollen erleichtert werden.
Am Arbeits- und Kündigungsschutz werde nichts geändert, so der bisherige Arbeitsminister weiter; der Sozialdialog in den Betrieben solle weiter ausgebaut werden. Künftig soll im Fall von Konkursen ein Beschäftigungsplan obligatorisch einem Sozialplan vorausgehen, das Mobbing in Betrieben soll bekämpft und das Arbeitsamt reformiert werden.
„Maisons de la laïcité“
Biltgen kündigte außerdem eine Verfassungsreform an, die allerdings im verträglichen Rahmen bleibe („Luxemburg wird keine Republik werden“). Ein Netz von laizistischen Häusern soll geschaffen werden.
Beim Familienrecht gibt es die gesellschaftspolitisch wohl spektakulärsten Neuerungen. So soll die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern künftig möglich sein. Diese Paare können zwar zusammen keine Kinder adoptieren; allerdings soll dafür eine „adoption individuelle plénière“ möglich werden.
Auch beim Abtreibungsrecht wird es eine Öffnung geben. Frauen über 25 Jahren werden kostenlos Verhütungsmittel bekommen können. Biltgen kündigte auch eine Gehälterreform beim Staat und eine Rentenreform an. Vorher werde allerdings mit den Sozialpartnern diskutiert.
In Sachen Werteunterricht einigten die künftigen Koalitionäre sich auf ein Status Quo, das gleiche gilt für die Sterbehilfe.
Die Territorialreform soll bis 2017 umgesetzt werden, mit dem Prinzip, dass Gemeinden nicht weniger als 3.000 Einwohner zählen dürfen.
Außenpolitisch wird die Kandidatur für einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat aufrecht erhalten und das finanzielle Engagement für Entwicklungshilfe soll bei einem Prozent des BIP bleiben.
Keine alternativen Mehrheiten
Schließlich unterstrich Biltgen, die beiden Koalitionäre hätten sich das Wort gegeben, keine alternativen Mehrheiten zur Koalition zuzulassen (wie beim Gesetz zur Sterbehilfe geschehen).
Seine Partei sei der einzige Wahlgewinner, nie sei der Abstand von der CSV zu einem Regierungspartner so groß gewesen wie nach dieser Wahl, so der viel bejubelte Formateur Jean-Claude Juncker, der sich selbst als Staatsminister („ech maachen dat gäer … an ech maachen dat gutt“) und die weiteren acht CSV-Gewählten als Minister vorschlug (vergl. nebenstehenden Rahmen).
Worte des Trostes fand er für Fernand Boden („heen ass gutt“) und Lucien Weiler; neue Aufgaben fand er hingegen für Michel Wolter, der Parteipräsident werden soll, für Jean-Louis Schiltz, der neuer Fraktionschef in der Kammer sein wird, und für Laurent Mosar, der Kammerpräsident werden soll.
Vorher hatte er einige der Entscheidungen zu den Ressorts begründet. So habe er immer den Traum von einem Superministerium gehabt (das Wiseler nun innehat), über das Entscheidungen viel schneller und effizienter getroffen werden könnten.
Eigentlich wollte er auch noch Landwirtschaft und Energie in diesem Ministerium unterbringen, was jedoch am Widerstand der LSAP gescheitert sei.
Das Landwirtschaftsministerium habe er nicht gerne der LSAP überlassen; die meisten Probleme der Bauern könnten aber ohnehin besser in dem neuen Superministerium gelöst werden und die CSV verabschiede sich damit keineswegs von den Landwirten…
Es gab lediglich eine Wortmeldung vor der Abstimmung, und die betraf denn auch das Landwirtschaftsministerium …
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