„Ein mutiger Entwurf“

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Lob der Handelskammer für die Budgetpolitik der Regierung ist eher selten. Doch jede Krise hat auch ihre guten Seiten. Vor dem Hintergrund der weltweiten wirtschaftlichen Probleme gibt sich die „Chambre de commerce“ in ihrem neuesten Bericht erstaunlich konziliant. Léon Marx

Lob der Handelskammer für die Budgetpolitik der Regierung ist eher selten. Doch jede Krise hat auch ihre guten Seiten. Vor dem Hintergrund der weltweiten wirtschaftlichen Probleme gibt sich die „Chambre de commerce“ in ihrem neuesten Bericht erstaunlich konziliant.
Léon Marx

Streckenweise klingt es fast wie Lob, das Gutachten der Handelskammer zu dem Haushaltsentwurf 2009, den die Regierung im Oktober vorgelegt hat. Unter normalen Umstanden hätte man wohl mit der Kritik aufgewartet, dass der Staat über seine Verhältnisse lebt. Doch vor dem Krisenhintergrund hat sich die Wahrnehmung grundlegend geändert.
Dass die Staatsausgaben 2009 deutlich über dem erwarteten Wirtschaftswachstum liegen werden, wird von Direktor Pierre Gramegna als mutiger und richtiger Schritt im Rahmen einer antizyklischen Budgetpolitik verstanden. Man teile „voll und ganz die Einschätzung der Regierung“ und deren Vorgehensweise, unterstreicht Gramegna.
„Sowohl die luxemburgische Regierung wie auch die internationalen Autoritäten haben schnell reagiert, um die Ausweitung der Finanzkrise auf die Wirtschaft einzudämmen“, betont er. „Die nationalen Maßnahmen, kombiniert mit denen, die auf europäischer und internationaler Ebene getroffen wurden, sind derart ausgestaltet, dass sie wieder Vertrauen schaffen müssten und die derzeitige Unsicherheit überwunden wird.“

Entspricht genau den Vorgaben der G20

Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2009 entspreche genau den Vorgaben des G20-Gipfels vom Wochenende. Es werden kurzfristig die richtigen Akzente gesetzt, um die Konjunktur am Laufen zu halten und so den Betrieben zu helfen.
Eine Kürzung der Investitionsausgaben aufgrund der neuesten, nach unten revidierten Wachstumsprognosen wäre ein falsches Signal gewesen, findet auch Chef-Volkswirt Carlo Thelen. Für die Verantwortlichen der Handelskammer ist aber auch klar, dass sich ein solcher Kraftakt wie der, den die Regierung sich für 2009 vorgenommen hat, nicht mehrfach wiederholt werden kann. Das erlauben die Staatsfinanzen nicht. Allein durch die Rettung von Fortis und Dexia wird sich die Staatsschuld verdoppeln, heißt es im Gutachten zum Staatshaushalt. Die Verschuldungsquote wird von 7 auf 14 Prozent ansteigen. Die Projektionen der EU-Kommission, dass Luxemburg bis zum Jahr 2025 gar die (laut Maastrichter Stabilitätskriterien) kritische Verschuldungsquote von 60 Prozent erreichen könnte, dass dem Land ein ähnliches Fiasko drohen könnte wie Island, sind für die Handelskammer „kein Katastrophenszenario“, sondern durchaus realistisch. „Es muss etwas passieren“, betont Carlo Thelen.
Die Handelskammer sagt in ihrem Gutachten auch klar und unmissverständlich, wo ihrer Ansicht nach etwas passieren muss: nämlich im Bereich der Arbeitnehmer. Und dort ganz besonders bei jenen aus dem öffentlichen Dienst. Die Eingangsgehälter sollten für neu einzustellende Beamte ab 2009 oder 2010 gesenkt werden. Diese seien im internationalen Vergleich „particulièrement élevés“. Gleichzeitig wünscht sich die Patronatskammer auch die Einführung des Leistungsprinzips. Zumindest ein Teil des Gehalts solle auf dieser Basis berechnet werden. Als modellhaft wird die Politik des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gelobt.
Auch die „versteckte Schuld“ im Rentensystem könnte zum Kollaps der Staatsfinanzen führen, fürchtet die Handelskammer. Dies für den Fall, dass es über einen längeren Zeitraum zu einem schwächeren Wachstum der Wirtschaft komme. Und für die Kammer deutet alles darauf hin, dass dies der Fall sein wird. Luxemburg sei gut beraten, sich auf ein nachhaltiges Wachstum von 1,5 bis 2 Prozent einzustellen, wie es in den Nachbarländern festzustellen sei.
Auch eine Rückkehr zum normalen Indexmechanismus ab Anfang 2010, so wie das im Tripartiteabkommen von 2006 vorgesehen ist, kommt für die „Chambre de commerce“ nicht in Frage. „Il importe d’éviter de pénalisier les entreprises au moment précis où leur rentabilité est en péril. (…) Le système de modulation en place doit partant être prorogé sous une forme ou une autre au-delà de 2009.“ Eine solche Modulation sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Staat ein ganzes Bündel an steuerlichen Maßnahmen zugunsten der Privathaushalte und insbesondere der sozial schwachen Haushalte plane. Dass auch die Betriebe 2009 weiter steuerlich entlastet werden – u.a. wird der Steuersatz von 21 auf 20 Prozent gesenkt –, findet nur eine vergleichsweise kurze Erwähnung. Und auch das eigentlich nur, um daran zu erinnern, dass der Premierminister in seiner rezenten Erklärung zur Situation des Landes eine Absenkung der Gesamtsteuerlast auf 25,5 Prozent angekündigt hat.
Sorgen macht der Handelskammer insbesondere, dass ein großer Teil der laufenden Ausgaben des Staats in der aktuellen Form nicht komprimierbar ist.
Trotz dieses kritischen Untertons gibt sich die Handelskammer am Ende dann aber doch optimistisch. Luxemburg habe das Potenzial, die aktuelle Krise erfolgreich zu überwinden. Die Staatsfinanzen seien in ihren Fundamenten gesund und der Staat habe demnach einen vergleichbar großen Handlungsrahmen. „Hätte die Politik auf uns gehört und in den wirtschaftlich guten Zeiten verstärkt Reserven angelegt“, wäre der Handlungsspielraum sogar noch größer, meint Gramegna. Und erinnert an die Forderung seiner Organisation nach dem Auflegen eines souveränen Staatsfonds.