„Ein Mandat vom Bürger für den Bürger“

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"Nein", sagt Xavier Bettel gleich eingangs des Gesprächs, das wir am Dienstag mit ihm führten. "Ich bin nicht der jüngste Bürgermeister der Stadt Luxemburg. Lydie Polfer war jünger als ich, als sie Bürgermeisterin wurde."

Der 1973 in Luxemburg geborene Xavier Bettel spricht von sich selbst als jemand, der sehr multikulturell ist. Kein Wunder, denn dies sei ihm mit in die Wiege gelegt worden. „Wenn ich meine vier Großeltern nehme, dann finde ich hier gleich folgende Nationalitäten: Russe, Pole, Franzose und Luxemburger.“

Er und seine Schwester seien in einer Familie groß geworden, in der es viele Freiheiten gab, jedoch ebenso so viele Leitlinien, die es strikt einzuhalten galt. „Haben wir Kinder etwas falsch gemacht, wurde uns dies auch gleich gesagt. Es wurde uns aber auch erklärt, warum es falsch war. Und dies hat mich geprägt. Ich reagiere heute nach dem gleichen Prinzip. Wenn ich – egal, wo ich bin – eine Antwort gebe, dann möchte ich mich auch erklären, warum ich so und nicht anders geantwortet habe.“

Kommunale und nationale Politik

Bettel, der mit 15 Jahren bereits Mitglied der „Jeunesse démocratique“ war, hatte sehr früh Bekanntschaft mit der kommunalen und auch nationalen Politik gemacht. Im Juni 1999 war er zum ersten Mal Kandidat auf Seiten der DP für die Abgeordnetenkammer. Im August gleichen Jahres wurde er Abgeordneter.

„Einen Monat später starb mein Vater, der einen Weinhandel hatte. Meine Mutter wusste damals nicht, wie es weitergehen sollte. So lieferte ich, neben meinen beruflichen und politischen Engagements, auch noch Wein aus, bis dass das Lager leer war.“ Xavier Bettel belegte den „Cours complémentaire en droit luxembourgeois“ und wurde alsdann als Anwalt vereidigt. Dies ließ ihn sein weiteres Leben ruhiger angehen. „Ich habe die Politik nie als meinen Beruf angesehen, daher wollte ich stets eine Rückversicherung.“

„Robe“ wird an den Nagel gehängt

Seit den Gemeindewahlen vom vergangenen 9. Oktober sieht die Welt von Xavier Bettel aber ganz anders aus. „Ich werde meine Anwaltsrobe nun an den Nagel hängen.“ Auf die Frage nach dem Grund gab der neue Bürgermeister gleich Folgendes zu verstehen: „Ich kann nicht morgens auf der Gemeinde eine Pressekonferenz über die Sicherheit der Bürger in der Stadt Luxemburg halten und nachmittags als Anwalt jemanden vor Gericht verteidigen, der in einem Geschäft, auf offener Straße oder in einer Wohnung auf dem Gemeindegebiet einen Überfall bzw. einen Diebstahl verübt hat. Nein, das geht nun wirklich nicht überein.“

Könnte sich Xavier Bettel vorstellen, in einer anderen Partei politisch tätig zu sein? „Nein, ich bin in der DP aufgewachsen. Obschon meine Großeltern eher CSV-eingestellt waren und sie mir immer wieder sagten ‚Wann s du gäre Carrière méchs, da géi an d’CSV‘. Ich blieb aber dort, wo ich von der Pike auf politisch engagiert war und wo ich mich wohl fühlte und auch heute noch wohl fühle.“ Hatte der junge Bettel Vorbilder in den eigenen oder in anderen Reihen? „Ja. Viele sprachen zu meiner Jugendzeit von Gaston Thorn. Ich habe ihn leider nie selbst auf der Politbühne erleben können. Ich hatte aber trotzdem meine Vorbilder. Ich erinnere mich: Ich hatte als Junge eine Kundgebung organisiert, bei der es darum ging, dass in unserem Viertel ein Spielplatz angelegt werden sollte. Damals kamen Bürgermeisterin Lydie Polfer und Schöffin Anne Brasseur und sie versprachen uns kleinen Jungs, dass wir spätestens in einem Jahr einen Spielplatz bekommen würden. Dieses Versprechen wurde auch eingehalten. Seitdem sah ich zu diesen beiden Politikerinnen auf.“

„Nicht mit dem Brecheisen“

Doch jetzt zu den Gemeindewahlen 2011. Hatte Xavier Bettel mit diesem Resultat gerechnet? „Geträumt schon, gerechnet nicht. Die Gemeinde Luxemburg liegt mir sehr am Herzen. Das haben die Wähler vielleicht auch in Zwischenzeit gemerkt. So könnte ich mir auch den hohen Stimmengewinn gegenüber den Wahlen 2005 erklären. Doch dass es so ausgehen würde, daran hatte ich und auch wohl andere in der DP nicht gedacht.

Als ich am Wahlabend mein Resultat und das von Paul Helminger sah, verschlug es mir die Sprache. Ja, auch mir kann das passieren (lacht). Ich hatte im Vergleich zu den letzten Wahlen gegenüber dem jetzigen Bürgermeister insgesamt 5.500 Stimmen wettgemacht. Ich wollte aber nicht mit dem Brecheisen auf den Bürgermeisterstuhl und habe deshalb Paul Helminger – das wissen nur wenige – ein Splitting des Postens angeboten. Doch Freund Paul wollte dies nicht. Er gab zu verstehen, dass er kein Mensch sei, der halbe Sachen macht.“

Menschlichkeit vor allem

Was zeichnet denn den Menschen, den Politiker Xavier Bettel aus? „Es ist stets schwer, sich selbst einzustufen, doch eines bin ich mir ganz sicher: Menschlichkeit übertrumpft bei mir alles andere. Ich höre gerne zu und rede auch gerne mit Leuten. Mit allen Leuten. Ich bin der Meinung, dass der Politiker für die Mitbürger da sein muss, und nicht umgekehrt. Auch dies ist einer der Gründe, warum ich meinen Anwaltsberuf nun an den Nagel hänge. Ich möchte genügend Zeit für mein Bürgermeisteramt haben.“

Er werde – um nur dieses Beispiel zu nennen – keinen Brief unterschreiben, wo ein Gemeindebeamter einem Einwohner, der auf ein Problem aufmerksam macht, sagt, die Gemeinde sei hierfür nicht zuständig. Er werde nur die Briefe unterschreiben, in denen solchen Einwohnern erklärt wird, wer zuständig ist und dass die Gemeinde im Namen dieses Einwohners bei dieser verantwortlichen Stelle interveniert sei.

Schweben dem neuen Bürgermeister diesbezüglich auch Neuerungen innerhalb der Gemeindeverwaltung vor? „Ja. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass jeder Einwohner der Gemeinde Luxemburg, der einen Antrag irgendwelcher Natur an die Verwaltung einreicht, nicht nur ein ’Accusé de réception’ erhält, sondern zeitgleich auch eine Aktennummer, mit der er über die Internetseite der Gemeinde Luxemburg ein ’Tracking’ durchführen kann, das heißt, er gibt seine Aktennummer ein und sieht sofort, wo sein Dossier dran ist. So macht man die Verwaltung transparenter.“

„Multiplicity“

Außerdem möchte Xavier Bettel das Motto der Gemeinde Luxemburg, das da „Multiplicity“ heißt, endlich von einem Schlagwort in die Realität umsetzen. Des Weiteren möchte er mehr Sozialwohnungen und auch für junge Leute erschwinglichen Wohnraum auf dem Gebiet der Gemeinde sehen. In Merl oder auch in Gasperich gebe es Areale, die sich für „Sauerwiss“-ähnliche Projekte sehr gut eigenen würden.

Auf die Frage, wie es denn nun mit den Koalitionsverhandlungen mit den „déi gréng“ aussieht, gab Xavier Bettel zu verstehen, dass man damit abgeschlossen habe. Es werden zurzeit, was das gemeinsame Programm anbelangt, noch einige Nachbesserungen gemacht. Am 8. November werde man sich noch einmal zur Finalisierung des Ganzen treffen, am gleichen Abend sehe man sich in den einzelnen Parteigremien, am 9. November (um 11 Uhr) werde eine Pressekonferenz zwecks Vorstellung des Koalitionsprogramms einberufen und am 5. Dezember käme die erste Gemeinderatssitzung mit neuer Besetzung zustande. Die Sitzung vom 21. November werde noch unter der jetzigen Besetzung ablaufen.

„Es wird Änderungen geben“

„Wird es zu Änderungen in der Besetzung des Schöffenrates kommen?“ – „Dazu kann ich im Moment nur Folgendes sagen: Es wird sowohl in Sachen Kompetenzen als auch Personen bezogen zu Änderungen kommen. Aber dazu mehr am 9. November.“