Gerontologe: ein Job mit Zukunft

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Dr. René Dondelinger wollte ursprünglich Augenarzt werden. Doch sein Praktikum in der Gerontologie war so erfolgreich, dass er sich umentschied.

Der Beruf des Gerontologen (Alterswissenschaftler) ist einer, den die Menschheit braucht, ähnlich wie jener des Kinderarztes. Die Patienten sind in erster Linie Menschen im vierten Alter. Dr. René Dondelinger, der unter anderem in der Geriatrie im CHEM Düdelingen tätig ist, stand dem Tageblatt Rede und Antwort.

Im Jahr 2005 hat die erste Gerontologin in Luxemburg mit ihrer Arbeit angefangen. Dr. René Dondelinger war der zweite Gerontologe und hat seine berufliche Tätigkeit zwei Jahre später begonnen. „Es gab zwar auch vor 2005 Gerontologen, doch erst in dem Jahr wurde der Beruf als ’médecin spécialiste en gériatrie‘ offiziell anerkannt“, erklärt der Facharzt.

Es ist demnach ein Beruf, den es bereits gab, der aber erst vor etwas mehr als zwölf Jahren anerkannt wurde. Laut Dondelinger ist der Gerontologe ähnlich wichtig wie der Kinderarzt: „Der Körper von älteren Menschen ist nicht unbedingt mit dem eines Erwachsenen gleichzustellen, genauso wenig wie ein Kind nicht die Miniaturausgabe eines Erwachsenen ist. Auch wenn der Körperbau der gleiche ist, gibt es in der Medizin große Unterschiede.“

Die Patienten der Gerontologen sind vor allem Menschen im vierten Alter. Dr. Dondelinger zufolge kann man aber nicht unbedingt sagen, dass nur das Alter eine große Rolle spielt. Die Weltgesundheitsorganisation hat insgesamt vier Alterskategorien definiert. Zum einen sind dies die Kinder, dann kommen die Erwachsenen und ab dem Rentenalter gilt man als Person im dritten Alter. Erst wenn man krank, zerbrechlich und abhängig von anderen Personen ist, gehört man zur Kategorie des vierten Alters.

„Genau diese Menschen sind unsere Patienten. Oft spielt das reale Alter aber keine Rolle. Es gibt beispielsweise Menschen, die mit 60 Jahren bereits so krank und zerbrechlich sind, dass sie auf die Hilfe von Drittpersonen angewiesen sind. Doch auch das Gegenteil ist der Fall. Ein 90-Jähriger, der seine Einkäufe noch selbst erledigt und autonom leben kann, wird noch nicht als eine Person des vierten Alters angesehen“, sagt Dr. Dondelinger.

Die Aufgabe der Gerontologen ist es, zusammen mit dem Pflegepersonal und den Physiotherapeuten die Menschen, die zerbrechlich sind, so weit aufzupäppeln, dass sie wieder nach Hause gehen können. Laut dem Facharzt ist es oft ein Teufelskreis, denn mit dem Alter nehmen die Krankheiten zu. Ist ein Mensch krank, dann steigt auch die Zerbrechlichkeit.

„Oft wird das von den Fachärzten daran gemessen, wie viele Medikamente die einzelnen Personen einnehmen müssen. Es ist aber sehr wichtig, dass so früh wie möglich erkannt wird, ob eine Person das vierte Alter erreicht hat. Sind die einzelnen Personen bereits zu sehr gebrechlich, wird es ein Teufelskreis und die Person wird immer schwächer“, so Dr. Dondelinger. Darüber hinaus sei es wichtig, dass die Patienten nicht zu lange im Bett liegen.

„All inclusive“

„In der Essenszeit setzen wir unsere Patienten in einen Stuhl, dies ist nicht nur besser für die Verdauung, sondern es fördert auch den Muskelaufbau. Im Bett fühlt sich der Mensch meistens sicher, dort kann nicht viel passieren. Es ist eine Art der Bequemlichkeit und genau darum wollen viele ältere Menschen im Bett liegen bleiben. Noch besser als aufrecht zu sitzen, ist es, wenn die Patienten sich, so viel es nur geht, bewegen. Auch einige 100 Meter am Tag reichen aus, um die Muskeln zu stärken. Vor allem im Alter bauen die Muskeln schnell ab und schwinden. Deswegen schadet Bewegung nie, auch wenn die Patienten sich oft wegen Schmerzen beschweren“, betont der Arzt.

Es geht laut dem Facharzt aber keineswegs darum, den Patienten zu nerven, sondern ihm wieder auf die Sprünge zu helfen. Im CHEM in Düdelingen gibt es, wie Dr. Dondelinger erklärt, eine „All inclusive“-Betreuung. Das Personal versucht ebenfalls, die Patienten bestmöglich aufzumuntern und sie zu unterstützen. „Wir setzen den Patienten Ziele. Wenn eine Person zu Fuß in sechs Minuten 250 Meter schafft, versuchen wir, ihr zu vermitteln, dass dies bereits sehr gut ist, doch es könnte noch besser werden. Dies ist nur ein kleiner Teil unserer Arbeit. Darüber hinaus wollen wir auch die Familienmitglieder sensibilisieren. Die Menschen im vierten Alter brauchen meistens einen Ansporn“, so der Arzt.

Des Weiteren sagt der 44-jährige Mediziner, dass der Austausch der Flüssigkeit im Körper wesentlich sei, auch wenn das Gefühl von Hunger und Durst im Alter schwindet. „Ich vergleiche den Körper oft mit einer Kläranlage, wenn kein neues Wasser eingespeist wird, dann kann die Kläranlage nicht funktionieren. Ähnlich ist es beim Körper, denn der Mensch besteht zu einem großen Teil aus Wasser. Auch wenn es keine zwei Liter am Tag sind, müssen Menschen im vierten Alter trinken.“

Falls ein älterer Mensch zu Hause gefallen ist, sich einen Knochen gebrochen hat und mit dem Krankenwagen in die Notaufnahme gefahren wird, sollte laut dem Gerontologen sofort entschieden werden, den Knochen in erster Linie zu heilen und dann müsste der Patient sofort zur Rehabilitierung gebracht werden. Erst danach sollten die Patienten auf die Station der Gerontologie kommen, um dort wieder so fit zu werden, dass sie langfristig zu Hause bleiben können.

Insgesamt gibt es im CHEM in Düdelingen 49 Betten auf der Station der Gerontologie. Dies ist bereits ein Fortschritt, wenn man einige Jahre zurückblickt. Doch noch immer gibt es Dr. Dondelinger zufolge noch nicht ausreichend Gerontologen hierzulande. „Aktuell sind wir zu zwölf Fachärzten im Land aktiv. Es ist eindeutig ein Beruf mit Zukunft, denn die Menschen werden immer älter. Auch wenn wir am Ende der Nahrungskette stehen, was das Gehalt betrifft. Die meisten von uns üben den Job aus Leidenschaft aus“, sagt der Arzt.

Es gibt zurzeit vier Stationen, die auf Gerontologie spezialisiert sind: auf Kirchberg, in Steinfort, in Wiltz und in Düdelingen. In jeder Region des Landes ist eine Gerontologie zu finden, und das war auch das Ziel. „Wir sind auf einem guten Weg in diese Richtung, doch unser System ist nicht immer das beste“, erklärt der Facharzt abschließend.


Zur Person

Dr. René Dondelinger ist 44 Jahre alt und hat in Paris am „Centre hospitalier universitaire Pitié Salpêtrière“ sein medizinisches Basisstudium von sechs Jahren abgeschlossen. In den darauffolgenden drei Jahren hat der Arzt in einzelnen Praktika herausgefunden, dass der Bereich Gerontologie ihn reizen würde. „Eigentlich wollte ich Augenarzt werden, doch es kam wie so oft in der Medizin. Man fängt mit einer konkreten Idee an und während des Studiums entwickelt man sich anders und entscheidet sich um. Während meines Praktikums in der Gerontologie war meine Betreuerin derart zufrieden mit meiner Arbeit, dass sie mir ein weiteres Praktikum angeboten hat. So kam ich dazu, Gerontologe zu werden“, so Dr. Dondelinger.