„Doggy-Palace“: Es ist angerichtet, Sir!

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Alle Jahre wieder, wenn die Blechlawinen der Touristen gen Süden rollen, kann man europaweit ein und dasselbe traurige Bild beobachten. Hunde und Katzen werden in Wäldern ausgesetzt oder auf der erstbesten Raststätte an die Leitplanken gebunden. Die psychisch traumatisierten Vierbeiner werden in Tier asylen abgeliefert. Manche bleiben ihr Leben lang verhaltensgestört.

Fränz Hoffmann
 

Urlauber, die die Tiere aus verständlichen Gründen nicht in die sonnigen Gefilde mitnehmen können, bringen sie während dieser Zeit zu Freunden oder netten Nachbarn, wieder andere suchen sogenannte Doggy-Sitter (ehrenamtliche oder gegen Entgelt), stellvertretende und zeitlich beschränkte „Ersatz-Meister“, die das Tier hüten und pflegen und ihm, um Depressionen zu vermeiden, Tag und Nacht Gesellschaft leisten.

In Luxemburg und in der Großregion gibt es zahlreiche Möglichkeiten für die vorübergehende Unterbringung von Hunden und Katzen: kleine Familien-Pensionen, aber auch größere, professionell geführte Zwinger. Und die variieren von der schlichten Unterkunft bis hin zum Luxus-Hotel, wie wir an zwei Beispielen nachweisen wollen: eine Nobelherberge bei Arlon und eine bekannte, geradezu „menschliche“ Einrichtung in Koerich (die wir in einer unserer nächsten Ausgaben vorstellen werden).

Im Mai dieses Jahres eröffnete der 55-jährige, ehemalige Versicherungskaufmann André De Bast am Wolberg, an der Straße zwischen Arlon und Steinfort, ein Fünf-Sterne-Hotel für Hunde und Katzen. Nach ausgefallenen US-Standards und in seiner luxuriösen Ausstattung einzigartig in Europa, sagt man.

Benannt ist die Nobelherberge nach „Doggy“, dem tibetanischen Lhasa Apso (ein Schoßhund, übersetzt „Schneelöwe“) des Besitzers, und ausgelegt für mehr als 100 Kunden, die in Einzelzimmern der Kategorien „Luxe“ und „Grand luxe“ untergebracht sind. Die Kirsche auf dem Kuchen ist eine großzügige Suite, ein Gemach für die Scheichs unter den Vierbeinern.
Der geschäftstüchtige Hunde- und Katzenliebhaber De Bast hat das Gebäude für schlappe 2,5 Millionen Euro vom Besitzer einer früheren Disco erstanden und noch etliche Milliönchen für die bauliche Instandsetzung und die Inneneinrichtung investiert, nachdem er sich über Jahre im Großherzogtum vergeblich nach einer passenden Immobilie umgesehen hatte. Geschäftsführer sind die beiden Töchter des geborenen Arloners.

Herrchen und Frauchen von Paris bis Luxemburg haben in den ersten Monaten seit der Eröffnung ihr Interesse am Hotel bekundet.

Bis zu 50 m2 Wohnfläche haben die einzelnen Zimmer, sie sind mit allem ausgerüstet, was die Herzen von Mamas/Papas Lieblingen begehren: Doppelbett, Sofa, Ledersessel und Teppiche, Wanduhr und Wecker. Es gibt zwar keinen Internetanschluss und kein Standtelefon, dafür aber einen Fernseher und eine Hifi-Anlage. Wem, wie bei den Zweibeinern, das seichte Programm der TV-Anstalten zu langweilig wird, der kann sich Spezialfilme für Tiere auf einer Breitleinwand ansehen.

Die werden, wie könnte es anders sein, im Gottes eigenen Doggy-Paradies in den States gedreht und auf Sonderwunsch auch eingeflogen.

Webcams können Tag und Nacht jeden Schritt der Lieblinge verfolgen, die Live-Bilder können von den Haltern ständig per Mobiltelefon abgerufen werden. Eine ausgewählte Dekoration mit Bildern weltweit renommierter Maler soll den Kunstgeschmack der Kunden fördern. Bereits im Eingangsbereich zeigt der Hunde-Hilton Flagge. Marmor- und Parkettböden, der Kronleuchter und unzählige Kandelaber bedeuten dem canis vulgaris (Straßenköter), dass man unter seinesgleichen bleiben will. Zum Nachdenken

In Belgien gibt es schätzungsweise 20.000 obdachlose Frauen und Männer, in Luxemburg dürften es bis zu 2.000 sein, die in den verschiedenen Foyers registriert sind. Tendenz steigend.
Da mögen Beschreibungen von Luxus-Hotels für Hunde und Katzen vielleicht etwas höhnisch und pervers erscheinen. Ihre Existenz hat in den vergangenen Monaten in unserem Nachbarland viele kritische Stellungnahmen ausgelöst.
Doch wie sagte bereits der gute alte Brecht: „Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“ Allerdings sollten sie uns zu nachhaltigen Überlegungen über die gesellschaftlichen und sozialen Hintergründe, über schier unendlichen Reichtum und ständige Verarmung von Millionen Menschen anregen.
Nichtsdestotrotz wollen wir es mit Reinhard Mey halten: „Es gibt Tage, da wünscht’ ich, ich wär’ mein Hund.“

Wellness-Paradies

Zu jedem Fünf-Sterne-Hotel gehört heutzutage ein raffiniertes Wellness-Angebot. Ein Jacuzzi, beispielsweise, oder ein Schwimmbad für Balneo-Therapie und ein Fitness-Laufband. Im Schönheitssalon werden schrille Frisuren kreiert und die Krallen gestutzt. Persönliches Gassigehen mehrmals am Tag gehört ebenso zum Programm wie ausgedehnte Spaziergänge im hoteleigenen Garten. Um die Physis und die Psyche der Kunden regelmäßig zu untersuchen, soll eine Filiale einer Arloner Tierklinik eingerichtet werden.

Hotelbesitzer De Bast mangelt es nicht an Ideen, wie man das Angebot noch toppen kann. So ist u.a. ein Lifestyle-Shop geplant, wo Frauchen/Herrchen Luxusartikel erstehen können. Damit die Hundehalter nicht nur in ihrem Look, sondern auch vestimentär ihrem tierischen Partner ähneln, z.B. durch Gold- oder Silber-Kettchen oder durch den gleichen Ohr-Piercing, bitteschön. Und weil Liebe auch durch den Magen geht, werden in der Hotelküche auf Wunsch besondere Leckerlis zubereitet, sozusagen „chefs d’oeuvres de la haute cuisine“. Ein Kollege von Le Jeudi, der das Hotel kurz nach seiner Eröffnung besuchte, schilderte das folgendermaßen: „Tout cela se négociera au bar (mobilier en marbre rose de Thaïlande), à la demande. Laquelle influe sur le prix de la pension. Le caviar n’a pas le prix de la viande hachée, compare l’exploitant. Ni de la croquette …“

Eigentlich sollte man bei so viel Exquisitem und Schönem nicht über den schnöden Mammon reden. Aber: Der Preis für ein einfaches Zimmer pro Nacht und pro Tier beläuft sich auf mindestens 20 Euro, für die Luxusklasse muss man 50 Euro auf den Tisch blättern und für die Nobelsuite gar 150 Euro.

Man soll uns nicht damit kommen, dass De Bast nur an „business a usual“ denkt und kein Herz für Tiere hat. Immerhin will er in seinem Hotel neben den normalen Gästen auch Hunde und Katzen aufnehmen, die man für gewöhnlich wegen ihres hohen Alters und ihrer Gebrechen einschläfert. Im „Doggy-Palace“ erhalten sie ihr Gnadenbrot, bevor sie friedlich in den Tierhimmel einziehen.

Und auch für diese Fälle hat der Hotelbesitzer vorgesorgt, denn in naher Zukunft möchte er ein Krematorium und ein angrenzendes Kolumbarium sowie eine Streuwiese einrichten.