Die Überreste der „Wiege der Arbed“

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1984 wurde der letzte Hochofen in Düdelingen tiefgeblasen, 2005 wurde auch das Walzwerk stillgelegt. Viel bleibt nicht mehr von der „Diddelenger Schmelz“, auf deren Brache nun ein neues Stadtviertel entstehen soll. Die wenigen Industriegebäude, die noch erhalten seien, könnten bald abgerissen werden, wenn niemand etwas unternehme, sagt der grüne Politiker Robert Garcia.

Das öffentliche Schreiben, das der ehemalige Abgeordnete und aktuelle Gemeinderat der Stadt Düdelingen, Robert Garcia („déi gréng“), am Dienstag an die Öffentlichkeit richtete, ist eher ein Manifest als eine Pressemitteilung. Vordergründig fordert der 62-Jährige den Erhalt der Stahlwerkshalle und der daran angebauten „Hall Fondoucq“ auf den Düdelinger Industriebrachen. Doch der Text des Generalkoordinators der Kulturhauptstadt 2007 beinhaltet auch harsche Kritik an der „Sachkompetenz“ der Denkmalbehörde „Service des sites et monuments nationaux“, deren „Abrissmentalität“ Gemeinden zu „irreversiblen Zerstörungsfeldzügen gegen die eigene Vergangenheit und Identität verleitet“, wie Garcia schreibt. Dies zeige sich nicht nur am Beispiel des Paul-Wurth-Areals in Hollerich oder der Gebläsehalle in Belval, sondern nun auch in Düdelingen.

Die „Hall Fondoucq“, ehemaliges Zentralatelier der Düdelinger Schmelz, erhielt ihren Namen im Kulturjahr 2007, als dort Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung „Retour de Babel“ stattfanden. Die Ausstellung selbst war in der benachbarten Stahlwerkshalle untergebracht. Fondoucq ist das arabische Wort für Karawanserei, das Herbergen an Karawanenstraßen bezeichnet.

2017 hat die Künstlergruppe DKollektiv eine vorübergehende Bleibe in der „Hall Fondoucq“ gefunden und veranstaltet dort Workshops, Konzerte und andere Events. Die große Stahlwerkshalle steht zurzeit leer. Im Rahmen der Neunutzung der Brache als Wohn- und Arbeitsviertel Neischmelz soll sie zum Filmstudio umgewandelt werden. Doch so ganz will Robert Garcia noch nicht daran glauben. In einer informellen Sitzung des Gemeinderats habe er erfahren, dass die Denkmalbehörde einen negativen Bescheid zur Stahlwerkshalle abgegeben habe. Die Pläne des „Fonds du logement“, der für die Erschließung der Düdelinger Brache verantwortlich ist, sähen zwei Szenarien vor. In dem einen werde das Filmstudio in der Stahlwerkshalle eingerichtet, in dem anderen werde die Halle abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

„Noch keine Entscheidung getroffen“

Auf der Düdelinger Brache stehen noch weitere kleinere Industriegebäude wie der Lokomotivschuppen oder der Umkleideraum. Doch außer dem Wasserturm, wo die Steichen-Ausstellung „The Bitter Years“ untergebracht ist, wurde bislang nichts vom „Sites et monuments“ geschützt. Auch nicht das „Pomhouse“, das seit geraumer Zeit für Ausstellungen und andere Veranstaltungen genutzt wird. Robert Garcia befürchtet nun, dass die Behörden vom Denkmalschutz und vom „Fonds du logement“ eine Hinhaltetaktik anwenden, um die Industriegebäude am Ende doch abzureißen. Seine Befürchtungen sind nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Der Staatssekretär im Kulturministerium, Guy Arendt, erklärte am Donnerstag gegenüber dem Tageblatt, dass im Hinblick auf die „Hall Fondoucq“ und die Stahlwerkshalle noch keine Entscheidung getroffen worden sei. Arendt verweist auf eine Studie eines deutschen Experten, die er erst noch lesen müsse, bevor er sich mit dem Düdelinger Bürgermeister Dan Biancalana und den anderen Akteuren zur weiteren Beratung zusammensetze.

Gebäude könnten im Kulturjahr 2022 genutzt werden 

Auch Biancalana betonte am Donnerstag auf Nachfrage, dass noch keine Entscheidung getroffen worden sei. Erst müsse eine wissenschaftliche und statische Analyse zum Zustand der Gebäude durchgeführt werden, meinte der Bürgermeister, der gleichzeitig beteuerte, das Industrieerbe solle ein fester Bestandteil von Neischmelz werden. Dies sei auch im „Plan directeur“ der Architekten, die den Wettbewerb zur Gestaltung des neuen Viertels gewonnen haben, so vorgesehen. Immerhin handle es sich bei der Düdelinger Brache um die „Wiege der Arbed“, betonte Biancalana. Die Bauarbeiten für das neue Viertel sollen im Herbst 2019 beginnen und 10-15 Jahre dauern.

Unbestritten scheint bislang nur, dass das Gerüst des 600 Meter langen Walzwerks und ein kleiner, aus Ziegeln gebauter Teil der „Hall Fondoucq“ nicht abgerissen werden. Nicht unwahrscheinlich scheint auch, dass bestimmte Gebäude bis zum Kulturjahr 2022 für diverse Veranstaltungen und Initiativen zwischengenutzt werden. Was danach passiert, ist noch unklar.

„In einem Teil der Gesellschaft herrscht ein Konsens, dass Luxemburg sich nicht an die Stahlzeit erinnern solle. Diese Neureichen wollen uns vergessen lassen, dass unsere Väter und Großväter im Staub und Dreck gearbeitet haben. Sie wollen der Welt vermitteln, wir seien als Banker geboren“, sagt Robert Garcia. Frühestens am 29. März wird sich zeigen, ob er recht behält. Denn dann soll dem Gemeinderat eine Bestandsaufnahme der zu erhaltenden Gebäude vorgelegt werden, wie Biancalana am Donnerstag bestätigte.