/ Die Sicherheit im Job
Von Dhiraj Sabharwal und Lucien Montebrusco
Eine sichere und angenehme Arbeitswelt zu wahren, ist ihr Kernauftrag: die „Inspection du travail et des mines“ (ITM). Was nach 19. Jahrhundert klingt, spielt jedoch heute auch in Luxemburg eine wichtigere Rolle denn je. Ein Blick in das Innenleben der ITM.
Bei Luxemburgs Beschäftigten ist die ITM keine Unbekannte. Sie wissen, dass sie sich an sie richten müssen, wenn sie Probleme bei der Lohnabrechnung, bei der Gewährung von Urlaub oder andere Diskriminierungen feststellen. Insgesamt 120.013 Anfragen gingen 2017 bei Verwaltung ein. Erste Anlaufstelle ist in den meisten Fällen das hausinterne Callcenter (HCC), das, falls erfordert, den Antrag an eine andere Dienststelle der ITM, an etwa den Inspektorenstab, weiterreicht. So behandelte das HCC 5.043 Anträge über Entlassungen und 4.298 Fälle von Unklarheiten bei der Lohnabrechnung. Die Inspektoren mussten ihrerseits in 2.875 Fällen eingreifen. Die ITM ist jedoch mehr als nur eine Anlaufstelle für Beschwerden. Die folgende Doppelseite verdeutlicht, welche Rolle sie in unserem Alltag spielt. sab.
Eine 116-Jährige und die schöne neue Arbeitswelt
Die Bezeichnung stammt aus einer Zeit, als Grubenarbeiter unter schwersten Bedingungen Luxemburgs Reichtum aus dem Boden nahmen die „Inspection du travail et des mines“ (ITM), 1902 als solche gegründet, auch wenn das erste Grubengesetz bereits aus dem Jahr 1810 stammt.
Heute stehen wohl noch einige wenige Gruben auf dem Arbeitsplan der ITM-Mitarbeiter, aber geschuftet wird dort seit langem nicht mehr. Sie dienen hauptsächlich als Touristenattraktion. Stattdessen muss die ITM auf die Einhaltung des Arbeitsrechts in Zehntausenden Betrieben achten. Eine Arbeitswelt im Umbruch, in der die Digitalisierung die Produktionsprozesse und die Organisationsweisen verändert, wie Beschäftigungsminister Nicolas Schmit (LSAP) im Vorwort zum diesjährigen Bericht der ITM schreibt.
Dabei ist die Sorge um die Wahrung des Arbeitsrechts in den Unternehmen lediglich eines der Arbeitsfelder der ITM. Auf ihrer To-do-Liste stehen auch die Überprüfung der Kollektivverträge in den Betrieben, Ermittlungen im Falle schwerer Arbeitsunfälle sowie die Bekämpfung von Lohndumping und Schwarzarbeit. Die Gewerbeinspektion wird eingeschaltet, wenn sich Mitarbeiter über Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz beschweren. Sie überprüft und erteilt Genehmigungen, wenn Firmen während des Kollektivurlaubs arbeiten wollen.
Diese Arbeit müssen die 144 Mitarbeiter der ITM (Stand 2017) bewältigen. 56 von ihnen sind Staatsbeamte, davon 48 sogenannte Arbeitsinspektoren. Viel ist das nicht. Laut Internationaler Arbeitsorganisation OIT müsste die Gewerbeinspektion allein 51 Arbeitsinspektoren zählen, das heißt Mitarbeiter, die zwecks Kontrolle in die Betriebe gehen und bei Arbeitsunfällen ermitteln. OIT-Standard ist ein Inspektor für 8.000 Beschäftigte.
In den kommenden Jahren möchte die ITM ihren Mitarbeiterstab auf 200 Personen aufstocken, stößt dabei jedoch auf Rekrutierungsprobleme, wie aus dem Jahresbericht hervorgeht. Kandidaten, die die staatliche Prüfung bestanden, bevorzugten einen anderen Posten beim Staat.
Eine Lösung könnte die Schaffung einer spezifischen Inspektorenlaufbahn sein oder auch ein dreijähriger Hochschullehrgang, der junge Menschen auf die Inspektorenlaufbahn vorbereiten würde. lmo
Luxemburgs Nachbarn Nr. 1 im Entsenden
Sie sorgen für Diskussionen, mittlerweile kümmert sich das „Help Center“ der ITM um sie: die entsandten Arbeitnehmer. Sie werden von ihrem Arbeitgeber in einen anderen EU-Mitgliedstaat geschickt. Ziel ist es, dort während eines bestimmten Zeitraums einen Arbeitsauftrag zu erfüllen. Demnach sind die Entsandten nicht direkt in den luxemburgischen Arbeitsmarkt integriert. Deswegen droht Lohndumping. Alleine 2017 kamen 88 Prozent von ihnen aus unseren Nachbarstaaten Deutschland (30.428), Belgien (5.466) und Frankreich (2.069). Insgesamt wurden vergangenes Jahr offiziell 43.254 Arbeitnehmer nach Luxemburg entsandt. Dies ist im Vergleich zu 2016 eine Steigerung um 62,1 Prozent und mit Blick auf 2015 gar eine um 82,6 Prozent. Letztes Jahr haben 3.608 verschiedene Unternehmen Arbeitnehmer nach Luxemburg entsandt. Auch hier ist ein kräftiges Wachstum erkennbar: 2016 hatten noch rund 30 Prozent weniger Unternehmen Arbeitnehmer nach Luxemburg geschickt. sab.
Die menschliche Tragödie Arbeitsunfall
Alleine 2014 bis 2016 sind pro Jahr 22 Menschen bei Arbeitsunfällen ums Leben gekommen. Die ITM beruft sich hierbei auf die Zahlen der „Association d’assurance accident“ (AAA). Seit Anfang der 1990er Jahre sind diese Zahlen vergleichsweise stabil geblieben. 1993 gab es einen Ausreißer nach oben: 34 Menschen mussten ihr Leben wegen oder im Zuge eines Arbeitsunfalls lassen. 2003 und 2008 kamen jeweils „nur“ zehn Menschen bei einem Arbeitsunfall ums Leben.
Nicht jeder Arbeitsunfall muss jedoch tödlich enden. 2017 wurden offiziell 384 Arbeitsunfälle gemeldet. Davon wurden 222 Dossiers offiziell von der ITM behandelt und abgeschlossen. Daneben wurden 70 Kontrollen wegen „direkter Gefahr“ in unterschiedlichen Arbeitsumfeldern durch geführt, so die ITM. sab.
Nicolas Schmit: „Die ITM ist aufgewacht“
Beschäftigungsminister Nicolas Schmit (LSAP) ist mit der Arbeit der Gewerbeinspektion zufrieden. Seine vor drei Jahren eingeleitete Reform greife und trage erste Früchte. „Die ITM ist aufgewacht“, sagt er. Vor allem bei Zuwiderhandlungen gegen das Arbeitsrecht werde nunmehr hart durchgegriffen. Verstöße wurden lange Zeit als eine Art Kavaliersdelikt betrachtet. „Das ist heute nicht mehr der Fall“, so Schmit.
Allein im letzten Jahr verhängte die Inspektion Sanktionen in Höhe von 1,7 Millionen Euro. Das sei keinesfalls verachtenswert, meint Schmit. Möglich wurde dies, weil der Verwaltung die geeigneten Mittel dazu in die Hand gegeben wurden. Wozu seine Vorgänger nicht den Willen aufbringen konnten, so der Vorwurf an die sukzessiven CSV-Arbeitsminister Juncker und Biltgen. Die ITM untersteht dem Arbeitsministerium. Schmit will die Höhe der Bußgelder, die die ITM verhängen kann, sogar noch erhöhen. Ein von ihm eingereichter Gesetzentwurf sieht eine Maximalstrafe von 75.000 Euro – statt bisher 50.000 Euro – vor. Wer gegen das Arbeitsrecht, gegen die Regeln über Schutz und Gesundheit am Arbeitsplatz oder gegen die Entsenderichtlinie verstößt, soll zahlen. „Das muss wehtun“, betont Schmit. Der Entsenderichtlinie zufolge sind Arbeitnehmer, die aus einem anderen EU-Land nach Luxemburg zur Arbeit entsandt werden, mit ihren Luxemburger Kollegen gleichgestellt.
Eines der Hauptprobleme der ITM ist die Rekrutierung neuer Mitarbeiter. In sechs bis sieben Jahren soll die Zahl der ITM-Beamten und -Angestellten von 144 (Stand: 2017) auf 200 angehoben werden, so die Zielvorgabe. Probleme gebe es vor allem dabei, Arbeitsinspektoren zu finden. Das ist kein einfacher Job, sagt Schmit. Hinzu komme, dass diese Tätigkeit im Dienste des Staates in der mittleren Laufbahn eingestuft ist. Und das, obwohl hohe technische und soziale Kompetenzen gefordert werden. Durch die Einführung einer Prämie für Bereitschaftsdienst und einer Risikoprämie versuche er, die Inspektorenlaufbahn aufzuwerten.
Versuche, Personen mit Berufserfahrung über die Arbeitsagentur ADEM zu rekrutieren, scheitern oftmals an der dreijährigen Praktikantenfrist. Eine reine Sparmaßnahme des früheren Beamtenministers, so Schmit, der eine Verkürzung auf zwei Jahre vorziehen würde. Arbeitsinspektoren sind Staatsbeamte. Kandidieren können nur Luxemburger Staatsangehörige. Eine Öffnung der Laufbahn für andere EU-Bürger steht nicht an. Auch wenn man wohl darüber diskutieren könne, sagt Schmit. Klar ist jedoch, dass ein Arbeitsinspektor Luxemburgisch reden müsse. lmo
Wie arbeite ich morgen?
Auch die ITM beschäftigt sich zwangsläufig mit dem Wandel der Arbeitswelt. Denn der rasante Wandel der globalisierten Wirtschaftsordnung macht auch vor Luxemburg nicht halt. Musste die ITM eingangs vor allem „nur“ prinzipielle Fragen der Arbeitswelt kontrollieren, ergibt sich heute und morgen ein komplexeres Bild. Zurzeit spielen immer stärker technologische, aber auch biochemische Fragen eine Rolle. Beispiele hierfür: wenn Arbeitnehmer elektromagnetischen Wellen ausgesetzt sind oder in Berührung mit krebserregenden Stoffen kommen. Auch die erschwerten Bedingungen des Sozialdialogs, die neuen Regelungen rund um die Entsendung von Arbeitnehmern und Probleme rund um illegale Arbeitstätigkeit spielen zurzeit noch eine wichtige Rolle. Doch womit muss sich die ITM künftig beschäftigen? Die Welt von morgen ist digital. Auch dies wird sich vor dem Hintergrund internationaler und nationaler Entwicklung auf Luxemburg auswirken. EU-Richtlinien und Empfehlungen müssen stärker von der ITM berücksichtigt werden. Eine alternde Gesellschaft und neue Arbeitsformen (z.B. „télétravail“) kommen hinzu. Das Luxemburger Wirtschaftsmodell wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch verändern oder zumindest diversifizieren. Aber auch psychosoziale Faktoren müssen stärker berücksichtigt werden. Gesundheit und Sicherheit bilden auch in Sektoren, die nicht mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden sind, eine wichtige Verbindung. Man denke an Workaholics, aber auch an „Bore-outs“. sab.
Der Bau bleibt am gefährlichsten
Rückenschmerzen und langfristige körperliche Leiden wegen Bürojobs sind das eine – schwere Arbeitsunfälle wegen harter körperlicher Arbeit das andere. 2017 kam es hierzulande zu 384 Arbeitsunfällen. Allein 81 Prozent der in Luxemburg deklarierten Arbeitsunfälle betreffen den Bausektor, die Industrie, das Transportwesen und den Handel.
Es ist kein Geheimnis, dass es der Baubranche heute gut geht, was wiederum viele europäische Firmen nach Luxemburg lockt. Allerdings hat dieser Boom nicht nur schöne Seiten. Denn wo viel gearbeitet wird, kommt es leider auch zu Unfällen. 2017 gab es allein im Bauwesen 163 Arbeitsunfälle. Auf Platz zwei folgt die Industrie mit 55 und auf Platz drei der Handel mit 53 Unfällen. Ein wenig dahinter liegt das Transportwesen mit 41 Menschen, die sich bei der Arbeit oder auf dem Weg zum Arbeitsplatz verletzt haben. Bei den gemeldeten Arbeitsunfällen muss es sich nicht zwingend um Arbeitnehmer aus Luxemburger handeln. Viele Wirtschaftszweige greifen auf entsandte Arbeitnehmer zurück (siehe Seite 2). Viele von ihnen arbeiten im Auftrag deutscher, belgischer oder französischer Firmen. Es werden aber auch viele Menschen aus Osteuropa nach Luxemburg entsandt. Allerdings gibt es auch hier schwarze Schafe, weswegen in der Vergangenheit Geldstrafen in Höhe von bis zu 1,5 Millionen Euro verhängt worden sind.
Allerdings gibt es neben den üblichen Verdächtigen in Sachen Arbeitsunfälle auch Branchen, in denen zumindest offiziell niemand einen Unfall hatte. Die Kommunikationsbranche liegt offiziell bei null. Knapp dahinter der Finanzsektor mit einem Arbeitsunfall. sab.
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