Der letzte Akt

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Wenn am Mittwoch (17.1.) im Parlament das Gesetz zur Abschaffung der Kirchenfabriken gestimmt wird, wird der schwierigste Akt der Trennung von Kirche und Staat vollzogen.

Als die Regierung vor nun fast fünf Jahren antrat, versprach sie, Kirche und Staat zu trennen. Wenn am Mittwoch (17.1.) im Parlament das Gesetz zur Abschaffung der Kirchenfabriken gestimmt wird, wird der letzte und bei weitem schwierigste Akt in diesem Dossier vollzogen sein.

Von Nico Wildschutz

Anfang Januar 2015 trat Premierminister Xavier Bettel (DP) vor die Presse und kündigte an, dass er sich mit den Glaubensgemeinschaften einigen konnte. Ein halbes Jahr lang war hinter verschlossenen Türen verhandelt worden. Endlich konnte die Regierung einen Erfolg verkünden: Die Trennung von Kirche und Staat würde kommen.

Neben der Abschaffung des Religionsunterrichts und der Reduzierung der Finanzierung wurde auch eine Konvention zum dritten Pfeiler dieser Trennung unterschrieben: Die Abschaffung der Kirchenfabriken wurde beschlossen. Diese Kirchenfabriken waren der Regierung deshalb ein Dorn im Auge, weil die Gemeinden sie mitfinanzieren mussten. Wenn die Fabriken eine Ausgabe nicht stemmen konnten, mussten die Steuern der Öffentlichkeit herhalten. Solange sie existierten, konnte kaum von einer Trennung die Rede sein. Also mussten sie weg. Künftig sollte sich das Bistum über einen Fonds selbst um seine Besitztümer kümmern.

Immer mehr Gegner

Nach der Verkündung trat Bettel das Dossier Kirchenfabriken an seinen Innenminister Dan Kersch (LSAP) ab. Der sollte in Gesetzesform gießen, was bei den Verhandlungen beschlossen worden war. Er konnte kaum ahnen, dass er für den schwierigsten der drei Pfeiler zuständig sein würde. Kurz nach der Konvention meldete sich Serge Eberhard zu Wort. Er war der Öffentlichkeit bis dahin kaum bekannt. Eberhard ist Präsident des Syfel, Dachverband der Kirchenfabriken. Der Verband wurde 2014 auf Initiative des Bistums gegründet. Der Syfel-Präsident beschwerte sich. Niemand hatte mit den Kirchenfabriken gesprochen. Sein Verband sei bei der Ausarbeitung der Konvention ausgeklammert worden. Später wird das Syfel immer wieder von einer „Enteignung“ sprechen. Es sollte der Auftakt eines Kleinkrieges zwischen dem Innenministerium und dem Syfel werden, der bis heute andauert. Kersch ließ sich kaum beeindrucken.

Obwohl das Syfel den Kirchenfabriken riet, Gespräche mit den Gemeinden abzulehnen – der Verband ging sogar so weit und behauptete, dass solche Gespräche den Fabriken laut ihren Statuten nicht erlaubt seien –, forderte Kersch dazu auf, mit den Bestandsaufnahmen zu beginnen. Parallel brachte er einen Gesetzentwurf auf den Instanzenweg, der ein Dekret von 1809 zur Schaffung der Kirchenfabriken abändern sollte. In Zukunft sollten die Gemeinden die Defizite der Kirchenfabriken nicht mehr mittragen müssen. Kersch muss geahnt haben, dass in dem Dossier irgendetwas schiefgehen könnte. Mittlerweile hatte sich auch das Bistum zu Wort gemeldet.

Neuer Generalvikar überrascht alle

Der Generalvikar Erny Gillen, der die Konvention mit ausgehandelt hatte, war im Februar 2015, kurz nach der Verkündung, zurückgetreten. Leo Wagener übernahm seinen Posten. Der neue Generalvikar stellte sich allerdings nicht auf die Seite des Syfel, sondern auf die der Regierung. Er riet den Fabriken ab, die Gespräche mit den Gemeinden zu „boykottieren“. Eine ungeahnte Unterstützung für Kersch. Der Kleinkrieg zwischen dem Syfel und dem Innenminister zog weiter seine Kreise. Der Dachverband der Kirchenfabriken konnte aber nicht verhindern, dass im Februar 2016 die Dekretsänderung von Kersch durch das Parlament gewunken wird.

Vor dem Sommer 2016 wurden die Gesetzentwürfe von Premierminister Xavier Bettel und Bildungsminister Claude Meisch (beide DP) durch das Parlament gewunken. Der Werteunterricht wurde in den Sekundarschulen eingeführt und die Reduzierung der Finanzierung war durch. Fehlte nur noch der Gesetzentwurf von Kersch. Er reichte ihn im August ein und lieferte gleich ein Stichdatum mit. Bis zum 1. Oktober sollten die Besitztümer zwischen Gemeinden und Kirchenfabriken geklärt sein. Wenig Zeit für eine Sisyphus-Arbeit, da in vielen Gemeinden die benötigten Dokumente, die teilweise mehrere Jahrhunderte alt sind, nicht mehr aufzufinden waren. Mit dem Stichdatum schaltete der Innenminister in den nächsten Gang. Nur war außer der Regierung keiner damit zufrieden. Das Syfel beschwerte sich ohnehin, der Dachverband der Gemeinden Syvicol stieg auf die Barrikaden und forderte mehr Zeit, und sogar das Bistum, das bis dahin größtenteils auf der Seite von Dan Kersch war, kritisierte die knappe Zeitspanne.

Kofinanzierung: Die Fabriken machen Druck

Ein weiterer Punkt des Entwurfs, der auf Widerstand stieß: das Kofinanzierungsverbot. Es sah vor, dass sich die Gemeinden nicht finanziell am Unterhalt der Gebäude beteiligen können, die dem späteren Fonds gehören werden. Der Staatsrat würde diesen Teil des Gesetzes später kippen. Auch die CSV, die sich in dem Dossier lange zurückhielt, schaltete sich ein. Zwar sei eine Reform sinnvoll, der Text von Kersch sei allerdings ein „Prestigeprojekt“, das ohne Dialog mit den Betroffenen, ergo dem Syfel, entstanden sei. Erfolgloser Protest Nach dem Einreichen des Entwurfes überschlugen sich die Ereignisse. Ende September 2016 drohte das Syfel mit einer Sammelklage gegen Regierung und Bistum. Eine Petition gegen das Gesetz sammelte über 11.000 Unterschriften. Im Dezember 2016 sollte eigentlich eine Konvention zwischen Regierung und Erzbistum unterschrieben werden, um der Basilika von Echternach einen Spezialstatus zu verleihen. Doch Erzbischof Jean-Claude Hollerich beugte sich dem Druck der Kirchenfabriken und unterschrieb nicht.

Erst fünf Monate später, im Mai 2017, wurde eine Einigung gefunden. Während sich das Syfel weiter mit Händen und Füßen wehrte, durchlief der Gesetzentwurf seinen Instanzenweg. Im Sommer 2017 kam dann das entscheidende Gutachten des Staatsrates: Die Abschaffung der Kirchenfabrik in Luxemburg ist rechtens, weil, wie von der Verfassung vorgesehen, eine Konvention zwischen Bistum und Regierung vorliegt. Die Einwände des Staatsrates werden in Betracht genommen und im Dezember gibt der Rat sein definitives grünes Licht: Das Gesetz kann gestimmt werden. Das Syfel versuchte währenddessen erfolglos die Ombudsfrau Claudia Monti einzuschalten. Sie verweigerte dem Dachverband die Mediation, mit dem Argument, dass sie keine öffentliche Einrichtung sei. Für Kersch wird der heutige Mittwoch ein wichtiger Tag sein. Er hat seinen Leidensweg endlich hinter sich gebracht und wird nach der Abstimmung mit dem Dossier Kirchenfabriken abschließen können. Auch für die Regierung ist es ein großer Tag. Die Trennung von Kirche und Staat wird damit vollzogen sein.


Die ominösen Kirchenfabriken

Es wurde viel über sie geredet, dabei wissen die wenigsten, was es mit den Kirchenfabriken eigentlich auf sich hat. In Luxemburg wurden sie 1809 von Napoleon per Dekret eingeführt, als das Land noch zu Frankreich gehörte. Im Nachbarland gab es sie schon seit dem Mittelalter. Sie wurden in Frankreich 1905 mit der Trennung von Kirche und Staat abgeschafft.

Die Fabriken waren deshalb notwendig, weil die Pfarreien keine juristischen Wesen waren, die kaufen und verkaufen konnten. Deshalb fiel diese Rolle den Fabriken zu. Das Dekret wurde übernommen, als Luxemburg 1815 zu einem Großherzogtum wurde.

Die Kirchenfabriken sind zuständig für die Verwaltung der Besitztümer und sollen dafür sorgen, dass die Pfarrer ihren Aufgaben nachkommen können. Zu den Besitztümern zählen unter anderem die Kirchengebäude und Kapellen. Die Fabriken müssen sie instand halten und notwendige Renovierungen bezahlen. Auch das ganze Mobiliar ist unter der Obhut der Kirchenfabriken. Sie ist ebenfalls zuständig für die Verwaltung der Spenden, sei es in Form von Geld oder Grundstücken. Hinzu kommen die Gelder vom Staat und von den Gemeinden. Zu ihren Aufgaben zählen aber auch kleinere Ausgaben wie beispielsweise der Einkauf von Wein und Hostien für die Messe.

In Luxemburg gibt es insgesamt 285 Kirchenfabriken für die 274 Pfarreien. Jede einzelne wird von einem Rat geführt, der je nach Größe der Pfarrei fünf bis sieben Mitglieder hat, darunter der Pfarrer und der Bürgermeister oder gegebenenfalls der Vertreter des Bürgermeisters. Die Mitglieder des Rates der Kirchenfabrik müssen laut Statuten Katholiken sein, die in der Pfarrei wohnen.