Giftmord-Prozess / Der Ex-Polizist, der Schwester und Schwager getötet haben soll, muss sich erklären
Vor der 13. Straf- und Kriminalkammer am Bezirksgericht Luxemburg steht ein 30-jähriger Ex-Polizist, Gilles L., dem von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird, seine Schwester und seinen Schwager vergiftet zu haben. Im Verlauf der bisherigen Verhandlungen ging es um die Frage: Sitzt hier ein eiskalter Giftmischer auf der Strafbank, der seine Schwester und den Schwager aus dem Weg räumen wollte, oder ein Mann, dem nicht bewusst war, was er tat?
25. September 2016. Es sollte ein gemütlicher Nachmittag mit seiner Schwester und deren Lebenspartner in seiner Wohnung in Bereldingen werden. Schwester und Schwager sind bei ihm zum Essen eingeladen. Auf der Terrasse wird Mint-Likör serviert. Wenig später klagen Schwester und Schwager über Übelkeit, Atemnot und Schwindel. „Wat ass dat doten dann?“, habe die Schwester noch gefragt. Kurz danach sterben beide an Zyankali. Die Experten stellen später fest: Sie sind vergiftet worden. Der Bruder soll das Gift in ihre Getränke gemischt haben. Als Hintergrund des Giftanschlags wird ein Erbschaftsstreit über zwei Wohnungen in Luxemburg vermutet, der den Angeklagten Gilles L. offenbar seit Jahren beschäftigt haben soll. Der Ex-Polizist wird verdächtigt, seine Schwester und den Schwager aus dem Weg geräumt zu haben.
Im Laufe der Prozess-Woche erklärte der zuständige Ermittler die Psychopathologie des Angeklagten, die im Wesentlichen auf den von den Kollegen zitierten Aussagen aufbaut und zu dem Ergebnis kommt: maßlose Eitelkeit, Macht- und Geldgier, starker Sexualtrieb, Verschwendungssucht. Der Gerichtspsychiater Dr. Marc Gleis hat übrigens bestätigt, dass keine psychiatrische Krankheit beim Angeklagten vorliege. Die Verteidigungslinie des Angeklagten wäre sicher die gewesen, ein anderes Gift gekauft zu haben, von dem er nicht gewusst habe, dass es tödlich war.
Drei Monate vor dem tödlichen Vorfall im September 2016 sei Kollegen in der Gegenwart des Angeklagten mehrmals schlecht geworden, berichtete der Ermittler. Der Mann habe aber beim Untersuchungsrichter bestritten, zwei Ex-Kollegen in Ibiza, in San Francisco oder bei sich zu Hause etwas gegeben zu haben.
Wohl eher keine Tat im Affekt
Am Donnerstag und Freitag stand der Angeklagte persönlich im Mittelpunkt. Von der vorsitzenden Richterin wurde er in die Mangel genommen. Dabei kam immer wieder die Frage auf: Ist die Tat geplant gewesen? Vier Jahre danach spricht vieles dafür, dass der 30-jährige Ex-Polizist, anders als er behauptet, seine Tat lange geplant hat. Während mehrerer Stunden musste er in den zwei Sitzungen Fragen beantworten, denen er mit Entschuldigungen auszuweichen versuchte. Mit jedem dritten Wort sagte er, dass er schockiert sei, unbewusst gehandelt habe. „Wann ech wierklech geplangt hätt, zwee Léit ëmzebréngen, da rifft een den 112 net.“ Auf jede Frage hat er eine Antwort, auch wie die Becher mit dem Gift verschwunden sind. Die hatte er nach der Tat von der Terrasse auf die Straße geworfen. „Ich habe den Ermittlern mitgeteilt, dass eine Straßenreinigung der Grund sein könnte, warum die Becher verschwunden sind.“
Die Vorsitzende mahnte zur Vorsicht. Ohne sich von seinem Gehabe beindrucken zu lassen, nahm sie den Angeklagten mit gezielten Fragen ins Gebet: „Aufgrund einer dreimonatigen Internetrecherche haben Sie gewusst, dass Ihre Schwester und deren Lebenspartner nach dem Trinken der Mintlikörs rasch unter Schmerzen und Qualen sterben werden“, erklärte die vorsitzende Richterin Sylvie Conter.
„Wir glauben Ihnen nicht“
„Ech war um Holzwee“, beteuerte Gilles L. und gestand die Tat, stritt aber ab, die beiden mit Absicht getötet zu haben. „Mir wurde erst später bewusst, was ich angerichtet habe“, hieß es in der Erklärung weiter. „Das hatte ich wirklich nicht gewollt.“ Eigentlich sei der Plan nur gewesen, dass beide durch eine Lebensmittelvergiftung Übelkeiten, Durchfall, Schwindel und Erbrechen erleiden und für ein paar Tage zu Hause bleiben müssten. Er habe recherchiert, dass Keime sich in beschädigten Konserven vermehren und Botulinumtoxin produzieren. Nur fünf Prozent der Menschheit würden daran sterben, behauptete er. Was die Richterin auf den Plan rief. Denn eine Recherche über aufgetriebene Konserven und aufgegangene Weckgläser hat er nie gemacht. Doch er weiß, dass es beim Verzehr aufgetriebener Konserven zu sehr schwerwiegenden Symptomen wie Schwindel, Unwohlsein, Doppelt-Sehen und Atemproblemen kommen kann.
Von der ersten Lieferung Botulinum, die er sich aus dem Darknet liefern ließ, sagte er, dass er es selbst ausprobiert habe. Weil das Gift aber keine Wirkung bei ihm zeigte, habe er im Darknet nachgefragt. Dort habe er die Antwort bekommen, dass er in dem Fall mehr davon nehmen müsse.
„Wir glauben Ihnen nicht, dass sie Botulinum genommen haben. Das ist doch totaler Schwachsinn. Wie dumm muss man sein, um das zu nehmen?“, so die Richterin. „Extrem dumm“, antwortete er.
„Über Botulinum steht viel im Internet geschrieben. Haben Sie das gelesen? Botulinum ist doch eines der tödlichsten Gifte der Welt. Es ist genauso tödlich wie Zyankali, nur dauert es länger, bis man stirbt“, sagte die Richterin.
Er habe sich zwar im Internet ausführlich über Gift und Vergiftungen informiert, aber bei weitem nicht alles verstanden – er sprach von einer Flut von Informationen. Verstanden habe er auch nicht, dass er anstatt Botulinum Kaliumcyanid (Zyankali) aus dem Darknet geliefert bekam.
„Bei allem, was Sie uns hier berichtet haben, könnte man schon auf den Gedanken kommen, dass die Giftmorde kaum im Affekt, sondern mit kaltblütiger Vorbereitung und Überlegung verübt wurden.“ Eine trübe Stimmung bemächtigte sich plötzlich des Ex-Polizisten. Bei vielen Fragen verhedderte er sich. Nach dem Tod seiner Schwester hatte er einem Kollegen deren Appartement zum Kauf angeboten. Die Antwort: Er sei zu alkoholisiert gewesen, er könne sich nicht mehr daran erinnern, er sprach von einem „schwarzen Loch.“
Nach dem siebten Verhandlungstag sollte der Prozess eigentlich beendet sein. Doch er geht in die Verlängerung. Am Dienstag und Mittwoch kommender Woche wird er fortgesetzt.
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Müssen sich Polizei-Anwärter keinem Eignungstest unterziehen, wo nicht nur ihre Fitness sondern auch Charaktereigenschaften von Polizeipsychologen durchleuchtet werden? Dass mir ein mehr als ungeeigneter „Gesetzeshüter“ evtl. Belehrungen erteilen dürfte …da sträubt sich gewaltig was in mir!