Delvaux: „Sorge um Gettoisierung“

Delvaux: „Sorge um Gettoisierung“

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Nach dem Kampf zur Aufwertung der Laufbahn und langen Diskussionen zum Inhalt des neuen Schulgesetzes hatte das Lehrpersonal der Grundschule mit einer ruhigeren Periode gerechnet, um die Reform umsetzen zu können.

Das schreibt SEW-Präsident Patrick Arendt im Leitartikel des aktuellen SEWJournal.

Dem sei aber nicht so, fährt er fort und verweist auf den Frust beim Personal über schlecht vorbereitete Veränderungen und großen Verwaltungsaufwand für die Lehrerschaft.

Ein besonderer Dorn im Auge der Lehrergewerkschaft sind die neuen Bewertungskriterien der Schüler, aber auch die der einzelnen Schulen und nicht zuletzt die Bewertung von außen (PISA).

Um klarer zu sehen, aber auch um ihren Protest zu formulieren und nach Alternativen zu suchen, luden SEW und FGIL am Wochenende zu einer „Journée de réflexion“ nach Remich, wo etwa 50 Lehrer am Morgen ein Rundtischgespräch erleben konnten, an dem auch Unterrichtsministerin Mady Delvaux teilnahm.

„Ausgepumpte Lehrer“

In seiner Begrüßungsansprache in den Räumen des Cefos (Centre de formation et de séminaires) verwies der SEW-Präsident denn am Samstag darauf, viele Lehrer seien ob des Arbeitsaufwandes seit der Reform ausgepumpt.

Die Evaluierung, dies sei auch Standpunkt des SEW, sei der Schlüssel zu einer qualitativ hochwertigen Schule. Das aktuelle System bedinge aber Kritiken fundamentaler Natur, die weit über Kinderkrankheiten eines neuen Systems hinausreichten.
Das neue Bewertungssystem der Schüler bedeute einen enormen Aufwand und die Lehrerschaft identifiziere sich nicht mit den neuen Kriterien. Er frage sich, ob die Ziele der Reform, mit denen die Gewerkschaft prinzipiell einverstanden sei, unter diesen Voraussetzungen noch anvisiert werde bzw. werden könne.

Der Erfolg der Reform hänge davon ab, dass sie von den Lehrern getragen und von den Eltern verstanden werde, so Arendt, der befürchtet, die neuen Bewertungssysteme führten zu einem Wettlauf durch die Grundschule für einige der Kinder und gingen zu Lasten schwächerer Schüler.

Es müssten auch dringend Antworten gesucht und gefunden werden, was den Übergang von Grundschule zu Sekundarschulen betrifft. In zwei Jahren seien die ersten Schüler so weit und er hoffe, dass die entsprechenden Prozeduren nicht im Ministerium hinter verschlossenen Türen ausgearbeitet, sondern die Lehrer miteinbezogen würden.

Schließlich bedauerte er, dass die „Journée de réflexion“ vom Script nicht als obligatorische Weiterbildung der Lehrer anerkannt worden sei.

Anschließend moderierte Ed Kirsch (Präsident der FGIL) das geplante Rundtischgespräch, an dem neben der Unterrichtsministerin auch Dr. Romain Martin (Emacs, Uni Luxemburg), Monique Adam (SEW), Michèle Retter (FAPEL) und Martine Bourg (Lehrerin) teilnahmen.

PISA, Ranking, Kompetenzen …

Die Teilnehmer diskutierten während einer guten Stunde darüber, ob der PISA-Test nützlich oder wenig aussagekräftig, die Teilnahme daran also wichtig oder gar kontraproduktiv sei, ob die Evaluierung der einzelnenen Schulen zu einer Konkurrenzsituation führe, und über Sinn und Zweck einer Evaluierung der Schüler in der Grundschule.

Bei vielen Punkten gab die Ministerin sich diskussionsbereit, beharrte aber auch auf einigen Aspekten und erklärte die Zwänge, die in ihren Augen z.B. die Einführung eines „tronc commun“ nach der Grundschule in Luxemburg unmöglich machen.

Interessant war ihre Aussage im Rahmen der Diskussion über die Beurteilung einzelner Schulen und die damit verbundenen Risiken einer Gettoisierung. Dieses Risiko sehe sie auch, so Mady Delvaux, stelle aber fest, dass die Eltern ihre Kinder unabhängig von der Qualität der Schule eher dort unterbringen, wo die soziale Zusammensetzung am ehesten ihren Vorstellungen entspricht.

Schwache Schulen zu detektieren, verfolge nicht den Zweck, diese zu schließen (wie dies etwa in Großbritannien der Fall ist); vielmehr könne dies eine Chance zur konsequenten Unterstützung für diese Institutionen sein.

Einigkeit herrschte am Samstag auch darüber, dass zu viele Kinder in Luxemburg ein Jahr wiederholten (etwa ein Viertel der Schulpopulation der Grundschule). Dabei zeigen alle entsprechenden Studien, dass der Lernzuwachs bei schwachen Schülern in einer höheren Klasse größer ist als bei einer Wiederholung des Schuljahres (oder Verbleiben in einem Zyklus).

Bis zum Nachmittag diskutierten die Lehrer anschließend in Arbeitsgruppen über Alternativen zu den Modellen des Ministeriums.