„Das schlechte Gewissen der LSAP“

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Die „Jeunesses socialistes luxembourgeoises“ (JSL) sind eine unbequeme, kritische und dynamische Unterorganisation der LSAP. Am Samstag feierten sie in Düdelingen ihren 60. Geburtstag. René Hoffmann

Am 11. Oktober 1947 unterschrieben Raymond Ourth, Generalsekretär der Sozialistischen Arbeiterpartei, und Arthur Müller, Generalsekretär der JSL, ein Manifest, das als Geburtsurkunde der Organisation angesehen wird. Aber der erste offizielle JSL-Kongress fand erst im Januar 1948 statt.
Gleich nach ihrer Gründung erhebt die Jugendorganisation mehrere Forderungen wie zum Beispiel die Abschaffung des obligatorischen Militärdienstes, eine gerechte Steuerreform, eine Verbesserung der Berufsorientierung, eine integrale Anpassung der Löhne an die Inflation, die Einführung des Wahlrechts ab 18 Jahre …
In den 50er Jahren ist die JSL Herausgeber einer eigenen Zeitung („Trois flèches“), die alle zwei bis drei Monate publiziert wird. Peu à peu werden überall in Luxemburg Sektionen gegründet. Kontakte werden geknüpft mit der International Union of Socialist Youth. Die Jusos organisieren Konferenzen, verteilen Flugblätter und verfassen Pressemitteilungen zu allen Themen des politischen, sozialen und ökonomischen Lebens.
Man konnte damals Mitglied der JSL werden, ohne in der LSAP zu sein.
Die Verbindung zwischen der JSL und ihrer Mutterpartei sowie dem LAV, dem Vorgänger des OGB-L, war schon immer sehr eng. Aber gehörte früher obligatorisch ein Mitglied der Parteileitung der LSAP dem Vorstand der Jusos an, ist es heute umgekehrt. Mindestens ein Jungsozialist muss einen Sitz in der Parteileitung der LSAP erhalten. Heute stellen die Jusos jedoch ein Viertel der Mitglieder der Parteileitung.
Seit ihrer Gründung profitieren die Jusos von einer großen Narrenfreiheit und können Aussagen machen, die ihre älteren Kameraden so nie machen dürften. Die Unterorganisation gilt als sehr progressiv und modern.
Aber diese Autonomie hat auch als Konsequenz, dass die Meinungen der JSL und der LSAP manchmal weit auseinandergehen. Auseinandersetzungen auf Kongressen sind da vorprogrammiert. 1971 erhalten die Jungsozialisten eine vollständige Handlungsfreiheit. Dies ist einer der Gründe, warum der Präsident der LSAP, Alex Bodry, die Jusos „das schlechte Gewissen der LSAP“ nennt.

Kleine werden groß

Die JSL setzt große Hoffnungen in die Regierungskoalition DP-LSAP (1974 bis 1979), so Régis Moes, Vize-Präsident der JSL. Aber der Fortschritt geht den Nachwuchspolitikern nicht weit und nicht schnell genug, sodass sie 1976 den Austritt der LSAP aus der Thorn-Regierung fordern.
In den 80er Jahren, unter der Führung von Marc Zanussi, erlebt die JSL ein goldenes Zeitalter. Die Jugendorganisation ist auf allen Ebenen präsent. Man fordert unter anderem den Austritt Luxemburgs aus der NATO. Es werden immer mehr Jusos (Marc Zanussi, Alex Bodry …) in die führenden Parteigremien integriert.
Nach dem Fall der Berliner Mauer ändert die JSL ihre Strategie und arbeitet nicht mehr nur auf ideologischem Niveau, sondern mehr themenbezogen (Gesellschaftspolitik, Schule, Jugend, Umwelt usw.).
Sie sieht ihre Aufgabe als komplementär zur Parteiarbeit an. Der sozialistische Nachwuchs hat nichts von seiner Kritikfähigkeit eingebüßt, ist aber pragmatischer geworden.
Heute setzen sich die Jusos unter anderem für die Legalisierung der leichten Drogen ein, für die Euthanasie, für mehr Solidarität mit den Armen und Kranken, für die gleichgeschlechtliche Ehe, die Einführung der Ganztagsschule. Die Arbeitslosigkeit ist laut JSL-Präsidentin Taina Bofferding auch ein großes Thema.
Die JSL ist eine Kaderschmiede. Viele Jusos haben schon eine bedeutende Rolle in der nationalen Politik gespielt (Willy Dondelinger, Benny Berg, Robert Goebbels, Marc Zanussi, Alex Bodry, Mars di Bartolomeo). John Castegnaro, langjähriger Präsident des OGB-L, war auch ein Juso.
Kameradschaft, Solidarität, Dialogbereitschaft und ein kritisches Auge zeichnen heute die JSL aus, so Taina Bofferding. Eine Aussage, die Parteipräsident Alex Bodry bestätigt. Für ihn helfen die Jungsozialisten dabei, die verkrusteten Ideen und Strukturen zu lösen. „Sie bringen neuen Wind ins politische Leben und wollen nicht nur verwalten, sondern gestalten“, erfreut sich der Präsident.