Das „königliche“ Handwerk

Das „königliche“ Handwerk
(Tageblatt/Hervé Montaigu)

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Wegen seines hohen Ansehens innerhalb der Zünfte wurde das Weberhandwerk auch das "königliche" Handwerk genannt. Seine Spuren sind in der „Duchfabrik“ in Esch-Sauer dokumentiert.

Zwölf Maschinen stehen in dem großen Atelier des Museums. Die „Oldtimer“ funktionieren noch und produzieren pro Jahr 90-100 Wolldecken, die im Shop des Museums verkauft werden. Mit Turbinenkraft wurden sie früher betrieben, deswegen stehen Stofffabriken immer am Wasser. In diesem Fall ist es die Sauer, die auch durch die benachbarte Stadt Esch fließt. Wegen der Lage inmitten zwischen hohen Steilhängen konnte sich in der Stadt nie die Landwirtschaft entwickeln. Dafür gab es hier umso mehr Weber. In fast jedem Haus stand früher ein Webstuhl, erzählt Marianne Thilmany, die seit mehr als zehn Jahren Besucher durch das kleine, feine Museum führt. „Früher“ bezieht sich auf die Zeiten des ausgehenden Mittelalters.

DUCHFABRIK

o Öffnungszeiten: 1. April bis 30. Oktober: Mo.-Fr. 10.00 bis 12.00 Uhr und 14.00 bis 18.00 Uhr; Sa., So. und an Feiertagen von 14.00 bis 18.00 Uhr; 1. Oktober bis 31. März: Mo.-Fr. von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 14.00 bis 17.00 Uhr, Sa., So. und an Feiertagen von 14.00 bis 17.00 Uhr

o Führung auf Anfrage, 35 Euro

o Adresse: 15, route de Lultzhausen, 9650 Esch-sur-Sûre, info@naturpark-sure.lu

1807 professionalisiert Martin Schoetter-Greisch die „Heimarbeit“ und errichtet eine Walkmühle an der Sauer. 1866 können durch den Ankauf weiterer Maschinen alle Arbeitsgänge von der Wolle bis zum fertigen Tuch in der „Tuchfabrik Schoetter“ erledigt werden.
1901 kauft die Familie Demuth die Fabrik, in deren Besitz sie bis zu ihrer Schließung 1975 bleibt. Der Webstuhl, an dem der letzte Besitzer, Willi Demuth, neue Muster für die Stoffe ausprobiert hat, steht am Eingang des ehemaligen Betriebes.

Zu den Hochzeiten um 1960 arbeiten rund 20 Arbeiter dort. Die Wolle wird aus Australien und Neuseeland importiert, aber auch aus Spanien und Großbritannien. Größter Abnehmer ist die luxemburgische Armee, die Polizei und auch die Musikgesellschaften, kurzum alle Vereinigungen, wo Uniformen getragen werden. Der feste Wollstoff, der aus Esch-Sauer kommt, erfüllt alle Voraussetzungen. 1967 wird die Wehrpflicht abgeschafft, ein herber Einbruch für die Fabrik. Außerdem kommen mehr und mehr synthetische Stoffe auf den Markt und die Technisierung schreitet fort. 1975 muss die Fabrik aufgeben.

1993 eröffnet das Museum

Fast 20 Jahre dauert es, bis das Museum 1993 eröffnet wird. Einen Stoff herzustellen, ist kompliziert. Unzählige Arbeitsschritte müssen vom Lockern der Wollflocken bis zum fertigen, geflauschten und glatt gebügelten Stück ausgeführt werden. Das größte Stück Arbeit ist die Herstellung des Fadens. Zwei bis drei Kilo Wolle gibt ein ausgewachsenes Schaf. Je nach Dicke reicht ein Kilo für 6.000 oder 12.000 Meter Faden.

„Numerometer“ und sechs Kilometer Faden

„Numerometer“ heißt die Maßeinheit, in der gemessen wird. 6.000 Meter kommen pro Kilo Wolle für einen dickeren Faden heraus, wie er beispielsweise für die Produktion der Wolldecken eingesetzt wird. 12.000 Meter oder 12 Kilometer ergibt ein Kilo Schafwolle, wenn der feine Faden in einem Anzug oder einem Kostüm verarbeitet wird. Wer jetzt denkt, das Muster werde – wie in der Haute Couture üblich – aufgemalt, der irrt. Das Muster komponiert sich aus der unterschiedlichen Anordnung von Löchern auf der „Lochkarte“, die zuvor gestanzt und dann in die Maschinen eingelegt wird. Die in Esch-Sauer ausgestellten Oldtimer wissen das für den Laien undurchschaubare System zu enträtseln, um das Muster des „Tiirtech“ zu produzieren. „Tiirtech“ heißt sonst übrigens ein Restegericht aus gebratenen Kartoffeln und Sauerkraut. Das soll aber nicht zu Rückschlüssen auf die Qualität der Escher Stoffe ermuntern.