Das (gelbe) Licht am Ende des Tunnels: In Luxemburg marschieren 400 Menschen für die Suizid-Prävention

Das (gelbe) Licht am Ende des Tunnels: In Luxemburg marschieren 400 Menschen für die Suizid-Prävention

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Mehr als 400 Menschen sind in den frühen Morgenstunden des 11.Mai durch Luxemburg gezogen – als Teil der weltweit organisierten Aktion „Darkness Into Light“, die sich für Suizid-Prävention einsetzt.

Von Laura Tomassini

Das Foto zeigt Teilnehmer des „Darkness Into Light“-Marsches und eine Installation am Wegesrand: Kerzen bilden dort das Wort „Hope“ (Hoffnung). 

Plagen Sie suizidale Gedanken?

Holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel hier:
SOS Détresse : (+352) 45 45 45
Kanner a Jugendtelefon : 116 111

www.prevention-suicide.lu/de/

Es war ein ungewohntes Bild: Am frühen Samstagmorgen sind normalerweise meist nur vereinzelte Nachteulen noch unterwegs –  am 11. Mai waren die Straßen der Stadt allerdings gefüllt, und zwar nicht nur mit Menschen, sondern vor allem mit Leben:  Rund 420 Personen aller Altersklassen hatten sich um 5 Uhr in der Stadt eingefunden, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen: „Darkness Into Light“, so heißt die Initiative, die 2009 in Dublin ins Leben gerufen wurde und mittlerweile Tausende von Menschen weltweit in Bewegung setzt. Das Ziel: Hoffnung geben. Jenen, die in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen, und all denen, die einen Liebsten an die Finsternis von Depressionen verloren haben.

„Wir marschieren, um das Stigma um Selbstmord und psychische Erkrankungen totzutrampeln, welches so viele davon abhält, sich Hilfe zu besorgen. Wir marschieren, um uns an die zu erinnern, die uns auf so tragische Weise genommen wurden. Wir marschieren, um jenen, die kämpfen, zu zeigen, dass sie nicht alleine sind und dass es okay ist, sich nicht okay zu fühlen“, hieß es im Facebook-Post der Organisatoren kurz vor Beginn des Marsches.

Zum zehnjährigen Jubiläum des Events wollten die gebürtigen Irinnen Emma Farrell, Lynda Jacob und Caoimhe Alliot-Stenson auch in ihrer neuen Heimat Luxemburg die Botschaft von „Darkness into Light“ verbreiten. „Suizid ist oftmals eine momentane Entscheidung. Für jemanden, der das Gefühl hat, nicht mehr weitermachen zu wollen, und sich das Leben nehmen will, kann das Gespräch mit anderen ausschlaggebend sein. Zwei Stunden später ist vielleicht alles anders, deswegen hat der Marsch vor allem einen symbolischen Charakter“, so Emma Farrell. Fast wie eine Reise beschrieb die 41-Jährige die fünf Kilometer, die besonders gefährdeten Personen und Angehörigen neue Kraft spenden sollten.

Starke Emotionen

Wie aufflackernde Hoffnungsschimmer verteilten sich aus diesem Grund auf dem Weg von der Avenue Marie-Thérèse aus über die Pflastersteine der Altstadt Botschaften für die Teilnehmer. Von Kerzenschein hell erleuchtet erinnerten unter anderem Victor Hugos Worte daran, dass auf jede finstere Nacht ein neuer Morgen folgt.

Doch auch schon vor Beginn des Marsches war die Symbolik unter den Anwesenden deutlich zu spüren. Während ihrer Rede konnte die Präsidentin von „Darkness into Light Luxembourg“ ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.

„Es war nicht geplant, doch genau dieser Gefühlsausbruch hat den Leuten gezeigt, dass es normal ist, zu leiden und zu weinen, wenn man an das zurückdenkt, was geschehen ist“, meinte Doktor Fränz D’Onghia, Direktor des „Service information et prévention“ der Ligue.
Er selbst war um 5 Uhr morgens im Kulturzentrum Altrimenti anwesend, um gemeinsam mit den anderen Teilnehmern dem Morgenlicht entgegenzulaufen. „Der Sonnenaufgang ist zwar wortwörtlich ins Wasser gefallen, aber dass trotz strömenden Regens so viele Menschen den Weg gefunden haben, um für unsere Sache zu marschieren, das war schon eine starke Message“, so der Psychotherapeut.

Auch für die Angehörigen von Verstorbenen war der Rückhalt, den sie in der Gruppe erfuhren, wichtig. „Eine Frau hat von ihrer persönlichen Erfahrung erzählt und dabei geweint. Der ganze Raum hat angefangen, ihr zu applaudieren, weil jeder genau verstanden hat, was sie fühlt. Manchmal braucht es gar nicht viele Worte“, meinte Cassie Rosa. Vor drei Jahren entschied der Vater der jungen Studentin, seinem Leben ein Ende zu setzen. Ein Entschluss, der den Alltag seiner Liebsten komplett aus der Bahn warf. Seither ist das Thema Selbstmord ein ständiger Begleiter für Cassie: „Früher habe ich nie an Depression geglaubt, aber heute weiß ich, dass es sich um eine Krankheit handelt, die jeden treffen kann. Und wenn sie nicht geheilt wird, ist es irgendwann zu spät.“

Nach ihrer Teilnahme an „Darkness into Light“ will sich die junge Studentin aktiv in der Suizidprävention engagieren, denn für sie bedeutet mehr Aufklärung und Enttabuisierung auch mehr Verständnis: „Mein Vater litt jahrelang an Depressionen, ich bin quasi damit aufgewachsen. Später sucht man immer irgendwo eine Schuld, aber wenn man die Thematik erst einmal versteht, dann versteht man auch, dass es keinen Verantwortlichen gibt.“ Vor allem die Scham vieler Betroffener müsse man beseitigen, so Cassie: „Suizid ist ein ernst zu nehmendes Problem, auch hier in Luxemburg, und die Leute müssen es auch als solches erkennen.“

Für die Akteure der nationalen Suizidprävention steht die Teilnahme an „Darkness into Light“ von nun an jedenfalls außer Frage, wie D’Onghia verriet: „Dieses Jahr ging das von den Teilnehmern gespendete Geld an uns und SOS Détresse, aber wir wollen nicht die Exklusivität behalten. Im Gegenteil: Je mehr Strukturen sich am Marsch beteiligen, umso besser können wir Selbstmord bekämpfen.“

Eine weltweite Bewegung

Gestartet hat „Darkness into Light“ 2009 als Spendenaktion der Organisation für Suizidprävention Pieta House in Dublin. In völliger Stille marschierten über 400 Menschen durch den Phoenix Park der irischen Hauptstadt in den Sonnenaufgang hinein, um ein Zeichen der Hoffnung zu setzen. Seither hat sich die Initiative zu einer globalen Bewegung entwickelt, alleine im vergangenen Jahr trafen sich über 220.000 Teilnehmer in 203 Städten weltweit, um ihre Message zu verbreiten. Die gelben T-Shirts sind dabei symbolisch, denn sie visualisieren die Farbe des Lichtes, das am Ende einer dunklen Nacht den Anbruch eines neuen Tages ankündigt.