/ Bommeleeër-Prozess ist kein Einzelfall

Zwanzig Attentate wurden vom 30. Mai 1984 bis zum 25. März 1986 in Luxemburg verübt. 27 Jahre später wird der Bommeleeeër-Prozess aufgerollt. International betrachtet, ist diese lange Zeitspanne kein Einzelfall. Aus verschiedenen Gründen können manche Prozesse erst Jahrzehnte nach der Tat stattfinden.
„Lange Suche, späte Sühne“ heißt es beim Aufrollen der Fälle von Nazi-Kriegsverbrecher in Deutschland. Mehrere NS-Kriegsverbrecher mussten sich erst Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg für ihre Taten vor Gericht verantworten. Andere konnten sich bis heute einer Strafverfolgung entziehen.
Nazi-Kriegsverbrecher
So wurde dem Nazi-Helfer John Demjanjuk im Jahre 2009, 60 Jahre später, der Prozess gemacht. Das Urteil gegen den KZ-Aufseher wurde im Mai 2011 gesprochen. Fast 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs könnte es zwei weitere Prozesse gegen NS-Kriegsverbrecher geben.
In Stuttgart entscheidet die Staatsanwaltschaft über eine mögliche Anklage gegen Beschuldigte, die 1944 das toskanische Bergdorf Sant‘ Anna di Stazzema überfallen und mehrere hundert Menschen umgebracht haben sollen. Eine Ermittlungsgruppe befasst sich bereits seit zehn Jahren mit dem Fall. Auch wurden Ermittlungen zu einem Aufseher im KZ Auschwitz-Birkenau abgeschlossen und an die Oberstaatsanwaltschaft übergeben.
Putsch in der Türkei
Wegen des blutigen Militärputsches in der Türkei vor mehr als 31 Jahren müssen sich seit April 2012 zwei noch lebende Anführer erstmals vor einem Gericht verantworten. Dem einstigen Chef der Militärführung und späteren Staatspräsidenten Kenan Evren (94) sowie dem Ex-General Tahsin Sahinkaya (86) wird der gewaltsame Umsturz der Verfassung und des Parlamentes vorgeworfen.
Türkische Fernsehsender berichteten, die Staatsanwalt fordere lebenslange Haft.
Anschläge vom 11. September
Monate bevor der Prozess gegen die mutmaßlichen Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA formell beginnt, streiten Verteidiger, Richter und Zeugen weiter über Haftbedingungen der Angeklagten in Guantánamo, über Mikrofone, die Tonaufnahmen zwischen Angeklagte udn Verteidigung ungefiltert nach außen schickten. Beobachter erwarten, dass es noch bis zu einem Jahr dauern kann, bevor der tatsächliche Prozess beginnt. Den fünf Angeklagten werden Terrorismus und Mord in nahezu 3000 Fällen vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung droht ihnen die Todesstrafe.
Opec-Anschlag in Wien
Ein Prozess in Frankfurt führt im September 2012 in die Zeit des linksextremistischen Terrors der 70er Jahre zurück. Im Mittelpunkt: Der Opec-Anschlag 1975 in Wien. Eine heute 79-Jährige soll Waffen dafür beschafft haben. Es geht aber auch um andere Anschläge.
Knapp vier Jahrzehnte nach dem tödlichen Terroranschlag sitzt seit dem 21. September 2012 eine mutmaßliche ehemalige Terroristin der Revolutionären Zellen (RZ) auf der Anklagebank. Die Anklage wirft der 79 Jahre alten Sonja Suder dreifachen Mord und einen versuchten Mord vor. Bei dem Überfall auf die Konferenz der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) in Wien 1975 waren Dutzende Menschen als Geiseln genommen und nach Algerien entführt worden, darunter mehrere Ölminister. Drei Menschen wurden getötet.
Fall Louis Renault
Louis Renault wurde im zweiten Weltkrieg der Kollaboration bezichtigt und ohne Prozess ins Gefängnis gesteckt. Ein Monat später kommt er dort ums Leben. Rund 70 Jahre später, im Mai 2011, ziehen seine Enkel vor Gericht. Der Fall kommt bis vor das Kassationsgericht in Paris, um seine Unschuld zu beweisen und Entschädigung vom Staat zu erhalten.
Die Gerichte zeigen sich verschwiegen in Bezug auf die Nationalisierung der Renault-Werke nach der Befreiung Frankreichs. Ein Tabu-Thema. Die Erben werden in Berufung abgewiesen. 1959 hatten bereits die Ehefrau und der Sohn von Louis Renault erfolglos geklagt.
Gruppen-Vergewaltigung
Fünfzehn Männer zwischen 29 und 33 Jahren bekommen im September 2012 vor einem Gericht im französischen Val-de-Marne den Prozess gemacht. Sie hatten in den Jahren 1999 bis 2001 in Fortenay zwei Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren immer wieder vergewaltigt.
Der Prozess kam erst ein Jahrzehnt später ins Rollen, weil die Opfer solange schwiegen.
Völkermord in Srebrenica
Der Völkermord von Srebrenica ist das schlimmste Verbrechen seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Rund 20 Jahre später kommt Ratko Mladi? wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bosnienkrieg vor Gericht. Gegen Mladi? liegt seit 1995 eine Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) vor, in der er des gemeinschaftlich mit Radovan Karadži? geplanten Völkermords an den bosnischen Muslimen beschuldigt wird. Nachdem er sich fünfzehn Jahre lang einer Verhaftung entziehen konnte, wurde er am 26. Mai 2011 in Serbien festgenommen und am 3. Juni 2011 vor Gericht gestellt.
Auch der bosnisch-serbische General Zdravko Tolimir muss wegen seiner Beteiligung 1995 am Massaker in Srebrenica lebenslänglich hinter Gitter. Im Dezember 2012 wird er verurteilt.
- „Paradigmenwechsel“ beim Jugendschutz und -strafrecht - 30. März 2022.
- In Aspelt bleibt vielen Kindern die Vorschule verwehrt - 29. März 2022.
- Erster „Kannerbericht“ analysiert Wohlbefinden der Kinder - 23. März 2022.