Auf der Suche nach dem Abenteuer

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Zwischen der Staatsgründung Italiens 1870 und bis nach dem 2. Weltkrieg kamen Zigtausende Italiener in verschiedenen Einwanderungswellen nach Luxemburg – die meisten von ihnen, um in der Stahlindustrie und im Bergbau zu arbeiten.

Im März 1861 wurde das Königreich Italien ausgerufen. Der Traum des Risorgimento wurde Wirklichkeit. Persönlichkeiten wie der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi sahen sich am Ziel. Erster Premierminister des Königreichs wurde mit Camillo Benso Graf von Cavour ein Vordenker der Einheit.

Es fehlten nur noch Venetien, das 1866 Teil des Königreichs wurde und Rom. Im Januar 1871 wird die „Ewige Stadt“ schließlich Hauptstadt des jungen Staates. Wenige Jahre später beginnt die erste große Auswanderungswelle aus Italien.

Bittere Not der ersten Einwanderer

„Ab dem Jahr 1875 begann in Italien eine Migration bis dato unbekannten Ausmaßes“, so der Historiker Luciano Pagliarini in seinem Buch „L’autre mine“.

Viele junge Menschen verließen Italien auf der Suche nach Abenteuer. Das Heldenepos Garibaldis hatte die Fantasie vieler beflügelt.

In der Tat, die Bewohner der zentralitalienischen Marche, „die ihr Land verlassen haben, hinterließen nicht ein verarmtes Land, in dem Hunger drohte wie in Irland, in der Eifel oder in den belgischen und Luxemburger Ardennen“.

Viele vor allem junge Männer wollten sich „aus dem engen soziokulturellen Korsett befreien“, so Pagliarini, wollten ihren Lohn nicht in Naturalien erhalten, wie das oft der Fall war, sondern an jedem 15. des Monats ihr Gehalt in barer Münze, das sie dann nach eigenem Gutdünken ausgeben konnten.

Genau in diese Zeit fiel der massive Aufschwung der Stahlindustrie im Dreiländereck zwischen Luxemburg, Lothringen und dem Saarland.

Viele der italienischen Arbeiter, die vor dem Ersten Weltkrieg zum Arbeiten nach Luxemburg kamen, blieben oft nur eine kurze Zeit und suchten dann ihr Glück anderswo oder gingen zurück zu ihren Familien nach Italien.

Bei der ersten italienischen Einwanderungswelle zwischen 1875 und 1914 sind aber auch etliche geblieben. Dazu gehörte beispielsweise auch der Bauunternehmer Achille Giorgetti, der unter anderem den Hauptsitz der Arbed in Luxemburg baute.

In jener Zeit entstanden auch die von Italienern bewohnten Viertel in Düdelingen oder das Brill-Viertel in Esch/Alzette, in dem die katholische Kirche bereits sehr früh eine Mission des Scalbrini-Ordens errichtete.

Allerdings entstand bereits im ersten Jahrzehnt der Einwanderung eine akute Wohnungsnot. Die Arbeiter teilten sich enge Schlafräume und schliefen in Schichten.

Die Flucht vor dem Faschismus

Schon während dieser ersten Einwanderungsphase kamen die meisten Italiener aus Nord- oder Zentralitalien wie Ligurien, Piemont, Friaul, Venetien, Umbrien oder den Marken.

Circa ab dem Jahr 1900 fangen die Unternehmen an, massiv Agenten nach Italien zu schicken, um Arbeitskräfte gezielt anzuwerben.

Auch deswegen stieg bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Zahl der italienischen Einwanderer nach Luxemburg stark an. Nach Informationen der italienischen Botschaft waren es 1910 bereits um die 10.000, die im Großherzogtum lebten und arbeiteten.

Doch als sich die dunklen Wolken des Ersten Weltkriegs am Horizont zusammenbrauten, nahm die Einwanderung ein brüskes Ende, zumindest vorläufig. Viele Italiener kehrten in ihre Heimat zurück.

Als nach dem Desaster des Krieges Mussolini in Italien an die Macht gespült wurde, waren viele Italiener in den 20er-Jahren gezwungen, der Diktatur zu entfliehen. Diese Antifaschisten, unter ihnen viele Kommunisten und Gewerkschafter, kamen nach Luxemburg.

Da etliche von ihnen bei der Arbed unterkamen, fragten viele den vom Völkerbund vorgesehenen Flüchtlingsstatus gar nicht an. Als 1929 mit dem Zusammenbruch der US-Börse die Wirtschaftskrise einsetzte, ebbte die italienische Einwanderung nach Luxemburg ab.

Dennoch lebten 1930 rund 14.000 im Großherzogtum, was rund 25 Prozent der ausländischen Bevölkerung ausmachte. Die meisten von ihnen wohnten und arbeiteten in Esch/Alzette.

Waren die Italiener der ersten Einwanderungsphase zwischen 1875 und 1914 vor allem im Bergbau und in der Stahlindustrie aktiv, arbeiteten die Einwanderer nach dem Zweiten Weltkrieg mehr und mehr im Bauwesen und in der Landwirtschaft.

In den 50er-Jahren bekamen die italienischen Arbeitnehmer in Luxemburg erstmalig das Recht, ihre Familien nachziehen zu lassen.

Voraussetzung war allerdings, dass sie einen ausreichend großen Wohnraum nachweisen konnten. Im Jahre 1955 waren wieder rund 11.000 italienische Staatsbürger registriert.

Heute leben in Luxemburg knapp über 23.000 italienische Staatsbürger, die offiziell in den Konsulaten registriert sind. Zudem gibt es rund 65 italienische Vereine und Vereinigungen aus den Bereichen Sport und Kultur im Großherzogtum.

Stefan Osorio-König