Ausstellung in BerlinAm Ursprung des Bösen

Ausstellung in Berlin / Am Ursprung des Bösen
Dargestellt werden viele Einzelschicksale Foto: Simone Mathias

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Vergangenen Woche wurde in Berlin die mehrsprachige Wanderausstellung des „Musée de la Résistance“, „Between Shade and Darkness“, eröffnet. Die Ausstellung befasst sich mit der Situation der jüdischen Gemeinschaft in Luxemburg in den Jahren zwischen 1940 und 1945. 

Da war zum Beispiel der 18-jährige Friseur Josy Schlang, gebürtiger Rodanger, jüdischer Abstammung. Er wurde nach seiner Ankunft im Ghetto Lodz im Oktober 1941 von seiner Familie getrennt. 1942 wird er nach Auschwitz deportiert. Als sich die russischen Truppen näherten, wurden die Insassen am 19. Januar 1945 auf einen Todesmarsch nach Mauthausen geschickt. Josy überlebte. Am Tag der Befreiung wog er weniger als vierzig Kilo. Seine Familie sollte Josy nie wieder sehen.

Ausgestellt wird genau an dem Ort, wo das Schicksal von Josy Schlang und Millionen anderer Juden bestimmt wurde: auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße (heute: Niederkirchnerstraße) im Berliner Bezirk Kreuzberg. Hier befanden sich die gefürchtetsten Terrorinstitutionen des Dritten Reiches, unter anderem der Dienstsitz von Heinrich Himmler als Reichsführer SS, in der Prinz-Albrecht-Str. 9. Der Völkermord an den deutschen und europäischen Juden wurde hier generalstabsmäßig geplant.

Im Haus Nr. 8 derselben Straße befand sich das Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und schließlich gab es auch hier ein „Hausgefängnis“. Kurz: Auf diesem Areal war die Machtzentrale des NS-Terrorregimes.

Seit 1987 befindet sich hier die Gedenk- und Dokumentationsstätte „Topographie des Terrors“. Die Direktorin des angesehenen Dokumentationszentrums, Dr. Andrea Riedle, ging in ihrer Eröffnungsrede der Wanderausstellung unter anderem auf die noch junge Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte der Juden in Luxemburg ein. Georges Santer, Vorsitzender der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken (IHRA) und ehemaliger Botschafter Luxemburgs in Berlin, befasste sich unter anderem mit dem Terror, dem Luxemburg während der NS-Besatzung ausgesetzt war. Aber auch damit, dass bereits in den 1930er-Jahren 50 Prozent der Asylanträge jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland stattgegeben wurde.

Der Direktor des Escher „Musée de la Résistance“, Frank Schroeder, zog Parallelen zur heutigen Situation der Flüchtlinge in Europa. Erst in der 2010er-Jahren wurde angefangen, das Schicksal der aus Nazideutschland geflüchteten Juden und der in Luxemburg lebenden Juden vor und während der Besatzung historisch aufzuarbeiten. 2013 gab es eine erste für das inländische Publikum konzipierte Ausstellung, die über vierzigmal gezeigt wurde. 2019 wurde die Wichtigkeit dieser Ausstellung von der IHRA diskutiert und es wurde eine aktualisierte, internationale Version angeregt. Thematisiert wird die Verfolgung der luxemburgischen Juden sowie vieler Flüchtlinge aus Deutschland und Osteuropa. Die hier tätigen Netzwerke, aber auch die Kollaboration der luxemburgischen Bevölkerung mit den Besatzern bilden einen weiteren Schwerpunkt.

Dargestellt werden viele Einzelschicksale von Menschen und ihre Bemühungen, hier Asyl zu erhalten bzw. Auswanderungsanträge zu stellen, um das Land zu verlassen: Biografien von Menschen, die in den Widerstand gingen, sich versteckten, eine falsche Identität annahmen und natürlich auch vieler Leute, die wieder ausgewiesen wurden und in die Lager gelangten. Sehr gut wird auch der zunehmende, durch Propaganda geschürte Antisemitismus gezeigt und die Angstpolitik, die im Land herrschte. Erwähnt wird zudem der Artuso-Bericht. „Nach wie vor bleiben noch etliche Fragen offen. Die Ausstellung arbeitet mit Schätzungen, da genaue Zahlen in Bezug auf die Geschichte der Juden in Luxemburg noch fehlen“, so Frank Schroeder. Zu besichtigen ist die Ausstellung bis zum 20. September 2020. Weitere Informationen gibt es unter www.musee-resistance.lu.

Jean Muller
22. Juli 2020 - 13.45

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