16,3 Millionen Industriegeschichte

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Am historischen Standort von Villeroy & Boch Luxemburg, dort, wo 1767 Jean-François Boch et Frères die erste Faïence-Manufaktur betrieben, soll ein neues Wohnviertel entstehen. Auf 16,3 MiIlionen Euro wird das 3,59 ha große Gelände geschätzt, mit dessen Verkauf der Konzern seine Finanzen aufbessern will.

Gerüchte um einen möglichen Verkauf des Werksgeländes im Ort „Siwebueren“ (Rollingergrund) gehören seit dem Jahr 2000 zum Begleitprogramm von Verhandlungen zum Personalabbau. So auch 2003 und 2006, als der Schrumpfungsprozess massiv beschleunigt wurde. Zumindest die Dementis von 2006 waren wohl gelogen. Inzwischen räumt die Direktion ein, dass sie seit vier Jahren versucht, das Gelände zu veräußern.

Das geheuchelte Bekenntnis zum Standort führte 2006 insbesondere dazu, dass das Wirtschaftsministerium Forschungsgelder lockermachte, um ein neuartiges Produktionsverfahren zu entwickeln.

Da gebe es möglicherweise ein Problem, räumt Charles-Antoine de Theux von Villeroy & Boch ein. Es sei allerdings „kein größerer Betrag“, um den es da gehe. Mit schätzungsweise 500.000 Euro habe das Wirtschaftsministerium das Projekt unterstützt, erklärt er freimütig.

Eigene Immobiliengesellschaft

Weniger gesprächig ist De Theux, wenn es um den Verkauf des Geländes geht. Das Schloss selbst steht nicht zum Verkauf. Da ist er formell. Ansonsten sei noch vieles im Fluss. Man stehe in Verhandlungen mit einer Reihe von Investoren. Aufgrund der Krise seien allerdings einige der Verhandlungspartner bereits abgesprungen. Wir haben noch nicht verkauft“, widerspricht De Theux formell den derzeit kursierenden Gerüchten.

Wobei das „wir“ freilich nicht alles heißen will. Wer ist „wir“? Seit dem 27. Juni 2008 gehört das Firmengelände gar nicht mehr Villeroy&Boch, sondern der Immobiliengesellschaft „RPP – Rollingergrund Premium Properties s.a.“ Die Immobiliengesellschaft RPP ist allerdings eine hundertprozentige Tochter von V&B. Laut Gründungsakte wird das 3,59 ha große Gelände auf 16,3 Millionen Euro geschätzt. Ein Betrag, an dem sich potenzielle Kaufinteressenten messen müssen.

Doch selbst wenn sich kurzfristig ein Käufer finden sollte, in den nächsten drei bis vier Jahren wird er nur über einen Teil des Areals verfügen können. Zwar wird die Produktion bis Ende 2010 vollständig eingestellt, ein Teil der Gebäude ist aber bis 2012 an die Gemeinde Luxemburg vermietet. Die bringt dort übergangsweise ihre „Services des eaux“ unter.

Wo ist die „Millebaach“?

Über die urbanistische Erschließung des Terrains für Wohn- und Freizeitzwecke wird seit längerem zwischen V&B und der Stadt diskutiert. Die Gespräche auf Ebene der technischen Dienste verlaufen allerdings schleppend. U.a. weil V&B selbst noch keine definitiven Vorstellungen hat, heißt es. Sicher ist, dass auf dem direkt an das Schloss angrenzenden Gelände ein neuer Outlet-Shop entstehen wird. Angedacht ist auch eine kleine Produktionsstätte als Teil eines Besucherzentrums. Doch wie ernst sind diese Pläne? Ein solches Besucherzentrum besteht bereits am Hauptsitz im saarländischen Mettlach. „Bevor diese Fragen nicht definitiv geklärt sind, passiert erst einmal gar nichts. Wir brauchen einen Leitplan für das gesamte Areal, das im Bebauungsplan der Stadt umklassiert werden muss“, heißt es im „Service de l’urbanisme“.

Bei einer Nutzung zu Wohnzwecken stellen sich auch noch eine Reihe anderer Fragen. Muss das Gelände eventuell saniert werden? Immerhin wurde dort über 260 Jahre lang mit Farben gearbeitet, so dass eine Schwermetallbelastung nicht auszuschließen ist.

Und: Wo ist die „Millebaach“? „Sieben Brunnen, die dem Ort den Namen Septfontaines gaben, (…) Wasser im Überfluss, jetzt war es endlich möglich, die Rohstoffmühlen (…) mit Wasserkraft zu betreiben“, werden die Vorteile des Standorts „Siwebueren“ im Buch zur 250-Jahr-Feier von V&B (1998) gepriesen. Doch die „Millebaach“, die dem ganzen Stadtviertel einst den Namen gab, ist heute auf dem Gelände von V&B spurlos verschwunden. Hat sich der Bach einen neuen Weg gesucht, oder ist er auf breiter Fläche im Untergrund versickert?
Eines jedenfalls ist klar: Solange diese Fragen nicht geklärt sind, bleibt die Zukunft des Standorts mehr als ungewiss.