„Letzte Rettung“ Front National

„Letzte Rettung“ Front National
(AFP)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am Wochenende finden in Frankreich Départementswahlen statt. Während der rechtsextreme Front National siegessicher ist, fürchtet Premier Valls um das "Ansehen Frankreichs".

Die Départementswahlen sind kein Naturereignis, doch bildhafte Vergleiche drängen sich geradezu auf: Für Frankreichs regierende Sozialisten werde der Urnengang wie die Sonnenfinsternis vom Freitag, kommentierte die Zeitung „L’Opinion“. Und die rechtsextreme Front National (FN) werde wie von einer großen Flut nach oben gespült – ein Verweis auf die „Jahrhundertflut“, die am Wochenende an der französischen Küste erwartet wird.

Tatsächlich dürfte die erste Runde der Départementswahlen eine schwere Schlappe für die Sozialisten bringen – und einen Triumph für die FN. Im nordfranzösischen Dorf Ribemont seufzt der sozialistische Bürgermeister Michel Potelet, ihm graut vor der symbolisch wichtigen Wahl am Sonntag. Viele Menschen seien enttäuscht von den großen Parteien, fühlten sich „im Stich gelassen, vielleicht sogar ein bisschen zurückgewiesen“. „Die letzte Rettung“ sähen viele in der Front National. „Heute sagen das die Leute ganz offen“, konstatiert Potelet bitter. „Vor ein paar Jahren hat man sich noch versteckt.“

Von den großen Parteien enttäuscht

Ribemont befindet sich im Département Aisne im Nordosten Frankreichs, eine trostlose Gegend, in der die Arbeitslosigkeit mit 15 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt liegt. Bei den Europawahlen im vergangenen Mai – damals wurde die Front National erstmals in Frankreichs Geschichte stärkste Kraft – erzielten die Rechtsextremen in Aisne mit 40 Prozent ihr bestes Ergebnis. Jetzt hofft die FN, hier die Mehrheit im Départementrat zu erringen.

Die Hemmungen, rechtsextrem zu wählen, sind im von Wirtschaftskrise und Rekordarbeitslosigkeit geplagten Frankreich geschwunden. Am Sonntag könnten landesweit 30 Prozent der Wähler für die FN stimmen, mehr als für jede andere Partei. Den Sozialisten von Staatschef François Hollande sagen Umfragen dagegen weniger als 20 Prozent voraus. Die Werte für die FN müssen allerdings relativiert werden. Es ist sehr gut möglich, dass die Rechtsextremen nach der entscheidenden zweiten Wahlrunde am 29. März in keinem der 101 französischen Départements auf eine Mehrheit kommen, schon die Eroberung einer einzigen dieser Gebietskörperschaften würde die FN als Erfolg feiern.

„Ansehen Frankreichs“ auf dem Spiel

Nichts zu relativieren geben wird es aber wohl für die Sozialisten und andere linke Parteien. Bislang haben sie in 61 Départements eine Mehrheit, könnten diese aber in 30 bis 40 an das konservativ-bürgerliche Lager verlieren. Premierminister Manuel Valls hat sich gegen die drohende Niederlage gestemmt und tief in den Wahlkampf gekniet. Unermüdlich verteidigte er die Politik seiner Regierung, zog gegen die Rechtsextremen zu Felde, bezeichnete sie als Gefahr für Frankreich. „Es geht um das Ansehen Frankreichs“, warnte er.

Für den Premier ist der Einsatz nicht ungefährlich. Er riskiert, für die sich anbahnende Wahlschlappe mitverantwortlich gemacht zu werden. Doch wenn Hollande, wie Beobachter vermuten, nach den Wahlen eine Regierungsumbildung vornimmt, dürfte Valls‘ Posten nicht wackeln; der Präsident braucht den unerschrockenen Premier für seinen Reformkurs. Vielmehr könnte Hollande versuchen, die Grünen wieder in die Regierung zu holen und so seine wackelige Parlaments-Mehrheit zu festigen.

FN „noch nicht ausprobiert“

FN-Chefin Marine Le Pen hält die Sozialisten indes schon für abgeschrieben. „Diese Départementswahlen können den Anfang des stillen Verschwindens der sozialistischen Partei bedeuten“, sagte sie unlängst. Ihre FN dagegen – in der Erfolgsspur: „In ein paar Monaten machen wir bei den Regionen weiter“ – die Regionalwahlen sind im Dezember – „und dann nehmen wir die Erstürmung des Elysée-Palasts und der Nationalversammlung in Angriff.“

In Ribemont denken die wenigsten an die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2017, hier sind die Gedanken beim Urnengang am Sonntag. Aus ihrer Bereitschaft, die Rechtsextremen zu wählen, machen viele Bewohner keinen Hehl: „Warum nicht die FN? Das haben wir noch nicht ausprobiert.“