Leichtfertig und sorglos

Leichtfertig und sorglos
(Tageblatt-Archiv)

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Es gibt noch viele offene Fragen in dem Prozess. Hat der Pilot Schuld oder wurde bei den Service-Papieren geschlampt? Die Verhandlungen werden darum erst am 2. Dezember enden.

Am Donnerstag wurde die Befragung des angeklagten ehemaligen Luxair-Technikers Guy Arend fortgesetzt. Er kann sich nach eigenen Angaben nicht an die „Service-Letter“ (Sl) und die „Service-Bulletins“ (Sb) von 1992 und 1994 erinnern. Er verstrickte sich bei seiner Aussage allerdings in Widersprüche, was den Vorsitzenden der Strafkammer, Prosper Klein, dazu bewog, auf den Angeklagten einzureden, er möge keine Spielchen mit dem Gericht spielen.

Der Meinung des Richters zufolge haben die Angeklagten Moes und Arend die Sorgfaltspflicht verletzt. Das Fehlen einer zusätzlichen Sicherung beim Schubhebel wird zum Teil verantwortlich gemacht für den Crash vom 6. November 2002. Der Pilot der Unglücksmaschine hatte unter anderem während des Fluges verbotenerweise den Rückschub aktiviert. Der Absturz forderte 20 Menschenleben.

„Amnesieanfall

Am Donnerstag wiederholte der Angeklagte seine Aussage und ergänzte: „Weder der Fokker-Experte Gilbert Schummer noch der Flottenchef Gjert Angelsen hätten eine Modifizierung des Schubhebels angeregt“. Richter Klein brachte noch einmal seine Verwunderung über den plötzlichen „Amnesieanfall“ des Angeklagten zum Ausdruck. Er würde sich nicht mit den Aussagen der anderen Zeugen und Angeklagten decken. Er hätte zum Beispiel ausgesagt, dass alle Dokumente mit größter Sorgfalt analysiert wurden. Das bedeute, dass er sie kannte.

Es folgte ein Streitgespräch zwischen Richter Klein und Arend über die Einstufung der Dokumente. Wie konnten die Techniker behaupten, das in den „Sl“ und „Sb“ behandelte Problem sei nicht wichtig? Nur weil die Verbesserung des Systems optional war? Es sei einfach, sich hinter dem „Formalismus“ einer Mitteilung zu verstecken, so Klein. Der Inhalt sei wichtig. Und der sei sträflich vernachlässigt worden. Alle anschließenden Erklärungsversuche des Angeklagten prallten am Richter ab. Luxair hätte die Möglichkeit gehabt, die Sicherheit des Flugzeugs zu verbessern, alleine oder durch eine spezialisierte Firma, wetterte Prosper Klein weiter.

„Riegel“

Beim „Service-Bulletin“ habe es sich lediglich um einen Rat gehandelt, das Problem-Teil am Schubhebel zu modifizieren, verteidigte sich der angeklagte Luxair-Techniker Guy Arend.

Der Staatsanwalt legte seinerseits nach, dass der Schubhebel der Unglücks-Fokker bereits mehrere Male in Reparatur war. Ein zusätzlicher „Riegel“ sei allerdings nicht eingebaut worden. Die Kosten konnten keine Roll gespielt haben. Dabei habe es sich hier lediglich um „Cent-Beträge“ gehandelt, die keiner Genehmigung der Direktion bedurften, wollte der Richter wissen.

Ordner

Arend konnte imer noch keine genaue Antwort liefern und schickte noch einmal den Mangel an klaren Anweisungen von Seiten des Flugzeugbauers und seinen Zulieferern ins Feld. Er konnte das Richtergespann aber nicht überzeugen. Spätestens nach der „Service-Letter“ (Sl) von 1994 lagen aber alle Informationen auf dem Tisch. Man kannte das Problem und die dazugehörige Lösung, habe aber nichts unternommen, konterte Richter Klein.

Die „Service-Letter“ sowie „Service- Bulletins“ wurden in speziellen Ordnern abgelegt, so der Luxair-Techniker. Die Bulletins wurden allerdings nur in die Ordner der jeweiligen Flugzeug-Typen archiviert, wenn eine Bestätigung zu diesem Papier von Fokker folgte. Die „Service-Letter“ habe man auch nach dem Fokker-Konkurs einsehen könne, so Arend. Das zuständige externe Büro habe allerdings nie auf die Probleme mit dem Schubhebel hingewiesen, unterstrich Arend.

Verlängerung

Ja, aber hätte man nicht trotzdem bei ihm nachfragen können, so der Einwand des Präsidenten der Strafkammer. Das Büro hat lediglich die Bulletins von Fokker erhalten, nicht aber die Bulletins der Zulieferer oder die Service-Letters, antwortete der Ex-Techniker. Er sagte aber auch, dass die Bewerter online Zugang auf die Dokumente von Fokker hatten.

Nach einer kurzen Pause wurde eine Verlängerung des Prozesses um eine Woche entschieden. Die Verhandlung endet nicht wie vorgesehen am 24. November, sondern erst am 2. Dezember.
Dann fingen die Plädoyers der Nebenkläger an. Den Anfang machte Me Weinacht. Er zählte die Verfehlungen des Piloten auf und betonte in diesem Zusammenhang, dass Claude Poeckes eine ganze Reihe von Fehlern begangen und vorsätzlich den Rückschub aktiviert habe. Es scheint dem Anwalt auch, dass bei der Luxair ein großes Kommunikationsproblem bestand, was die „Service-Dokumente“ betrifft.

Sorglos

Er ist auch erstaunt, dass zwei Techniker die Engineering-Abteilung leiteten und nicht Ingenieure. Bei Luxair hätte man lediglich das strikte Minimum an technischen Verbesserungen vorgenommen. Das hätten mehrere Zeugen gesagt. Das sorglose Verhalten der Techniker sei einer der Gründe für den Crash gewesen. Aber auch der technische Direktor trage Mitschuld an der Katastrophe vom 6. November 2002 weil er nicht fähig war, seine Abteilungen effizient zu organisieren.

Was die Generaldirektoren betrifft, so hätte er keine schriftlichen Anhaltspunkte für einen Transfer der Kompetenzen an die Chefs der Abteilungen gefunden. Me Weinacht fordert als Konsequenz, auch die Generaldirektoren als Verantwortliche des Unternehmens zu verurteilen.

Am Montag gehen die Plädoyers der Nebenkläger weiter.