„Lasst uns dieses Schiff zur Umkehr bringen“

„Lasst uns dieses Schiff  zur Umkehr bringen“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

"Generation awake" nennt sich die Sensibilisierungskampagne der EU-Kommission zur Müllvermeidung und Wiederverwertung von Abfall. In diesem exklusiv an dieser Stelle veröffentlichten Schreiben erklärt Umweltkommissar Janez Poto?nik die Ziele der Kampagne.

„Die meisten Länder Europas konnten im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte vom Großteil der weltweiten natürlichen Ressourcen profitieren. Heutzutage gelangen auch Bevölkerungsgruppen in anderen Weltregionen an die Mittel, um im Wettbewerb um globale Ressourcen mitmischen und ihre Lebensstandards erhöhen zu können. Wir wissen, dass dies nur gerecht und fair ist. Für die weltweite Ausschöpfung natürlicher Ressourcen wie Metalle, Mineralien, Holz, Land und Boden sowie Trinkwasser wird in den nächsten 25 Jahren ein Anstieg von 75 % erwartet. Dazu kommt das Anwachsen der weltweiten Mittelklasse.

EU-Umweltkommissar Janez Poto?nik (Bild: Europäische Union 2012)

Die Kampagne „Generation Awake“ der Europäischen Kommission besteht darin die Verbraucher für die Auswirkungen ihrer Konsumgewohnheiten auf die natürlichen Ressourcen zu sensibilisieren. Mithilfe der interaktiven Website, die in allen 24 EU-Amtssprachen übersetzt ist, können Verbraucher herausfinden, wie sie besser mit Abfälle umgehen können. Zum Beispiel wird auf der Internetseite erklärt, wie Abfälle wiederverwendet, wiederverwertet oder repariert werden können ohne jedoch weggeworfen zu werden. Des Weiteren ist die Kampagne mit einer Facebook-Seite verbunden. Hier werden die Bürger herausgefordert die Lebensmittelabfälle sowie den Wasserverbrauch zu reduzieren.

Tageblatt.lu schließt sich dieser Kampagne der EU-Kommission an und wird in den nächsten Wochen regelmäßig darüber schreiben.

Dies zwingt uns, einer neuen Realität ins Auge zu sehen. Durch seine große Bevölkerungsdichte bei gleichzeitig wenigen Ressourcen muss Europa seine Abhängigkeit von den begrenzten natürlichen Ressourcen der Welt unbedingt verringern. Europa muss den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft und vor allem zu einer Kreislaufwirtschaft – auch grüne Wirtschaft genannt – vollziehen.

Unsere heutigen Wirtschaftsformen sind linear: Wir bauen Rohstoffe ab (oder importieren sie), verarbeiten diese zu Produkten und schmeißen diese schließlich weg. Etwa 80 % aller von uns produzierten Artikel werden einmal benutzt und landen dann auf dem Müll. Das ist eine schockierende Zahl! In einer Kreislaufwirtschaft wird der Abfall des einen Wirtschaftszweigs zum Rohstoff für einen anderen. Abfall wird zu einer Ressource, zu einem sekundären Rohstoff. Anstelle bereits vorab eingebauter Obsoleszenz müssen die Unternehmen auch über die Nutzungsdauer hinaus Verantwortung für Produkte übernehmen: je nach Notwendigkeit in Form von Nachsorge, Reparatur oder Recycling. Ein zusätzlicher Vorteil besteht darin, dass dieser Denkansatz Arbeitsplätze in Europa schafft und den industriellen Sektor wiederbelebt.

Dieser Wandel ist keine Kleinigkeit. Er steht vielmehr für einen bedeutenden Wandel in der Art und Weise, wie wir arbeiten und leben. Es braucht eine Weile, den Kurs eines Schiffes zu ändern. Und die Wirtschaft ist so ziemlich das größte Schiff, dass solch einenmKurswechsel unternehmen kann. Doch wir haben so etwas schon einmal geschafft: beim Klimawandel. Die Industrieländer haben ihren Beitrag zu den CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre erkannt und sich zu einer Veränderung verpflichtet. Die Europäische Union war dabei wegweisend, indem sie sich der Reduktion fossiler Brennstoffemissionen sowie der Erhöhung von Energieeffizienz und des Anteils erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung verschrieben hat.

Ausgehend von der kohlenstoffarmen Wirtschaft ist eine neue industrielle Dynamik entstanden. Unsere Ökobranchen liefern die Erfolgsgeschichten der Krisenjahre. Unternehmen in den Bereichen Abfallwirtschaft und Recycling, Wasserbehandlung und Wasserversorgung sowie erneuerbare Energien gehörten zu den stabilsten und am schnellsten wachsenden Sektoren der jüngsten Geschichte. Dies ist ein mehr als ausreichender Beweis dafür, dass sich wirtschaftliches Wachstum und der Verbrauch von Ressourcen entkoppeln lassen. Das Zweite ist zum Erreichen des Ersten nicht notwendig.

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, die europäische Wirtschaft bis 2050 nachhaltig zu machen. Unsere Aufgabe besteht in der Implementierung der Politik, die für ein wirtschaftliches Wachstum sorgt und gleichzeitig den Verbrauch natürlicher Ressourcen senkt. Aus diesem Grund arbeiten wir an einer Revision der EU-Abfallpolitik. Das Hauptziel besteht darin, die Verschwendung wertvoller sekundärer Rohstoffe zu stoppen und sicherzustellen, dass diese wiederverwendet, recycelt und der europäischen Wirtschaft wieder zugeführt werden.

Zu unseren Zielen gehört ebenfalls, dass wir eine Senkung der Abfallerzeugung erreichen und die Verschwendung von Lebensmitteln bekämpfen wollen. Wir wollen sicherstellen, dass recycelter Abfall zu einer wichtigen und zuverlässigen Rohstoffquelle wird und nur noch der Abfall, der weder recycelt noch auf eine andere Art zurückgewonnen werden kann, auf Deponien landet.

Über alledem steht, dass wir als Individuen gemeinsam an Bord gehen und uns auf eine Lebensweise vorbereiten, die nicht von geborgter Zeit und erschöpften Ressourcen abhängt. Eine Lebensweise, die nicht die Möglichkeiten unseres Planeten übersteigt.

Hierzu sind Schritte in der Politik notwendig, aber auch jeder Einzelne kann im Kleinen dazu beitragen. Wir können jeden Tag Maßnahmen zur Abfallsenkung ergreifen, etwa indem wir Gegenstände mit anderen teilen oder nicht mehr benötigte Dinge verkaufen oder spenden. Wir können Dinge von Bestand kaufen anstatt solcher, von denen wir noch vor der nächsten Saison die Nase voll haben. Auf der Website „Generation Awake“ der Europäischen Kommission finden Sie weitere Tipps sowie Hintergrundinformationen darüber, wie Ihre Kaufentscheidungen große Veränderungen bewirken können.

Wir werden uns nicht in eine Gesellschaft entwickeln, in der es keinen Konsum mehr gibt. Aber verändern müssen wir uns! Wir müssen hin zu einer dynamischen Kreislaufwirtschaft, die die Grenzen der Natur respektiert, das Beste aus den natürlichen Ressourcen macht, Arbeitsplätze in den örtlichen Gemeinden schafft und unser Wohlergehen sowie unsere Lebensqualität langfristig sichert.“

Janez Poto?nik ist EU-Umweltkommissar

www.generationawake.eu