Lächerlich, traurig, wenig überzeugend

Lächerlich, traurig, wenig überzeugend
(AFP)

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Am Sonntag durfte sich Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn erstmals nach seiner Verhaftung in den USA in Frankreich öffentlich äussern. Die Reaktionen: Strauss-Kahn überzeugte die Franzosen nicht.

Was passierte am 14. Mai in der Suite 2806 des New Yorker Hotels Sofitel, wenn es kein Vergewaltigungsversuch war? Was sagt ein Mann, dem ein höchstens neunminütiger Sexkontakt die Chance auf eine aussichtsreiche Präsidentschaftskandidatur nimmt? Millionen Franzosen hatten in den vergangenen Wochen mit Spannung auf die Erklärungen ihres Landsmannes Dominique Strauss-Kahn gewartet. Doch im ersten TV-Interview seit Beginn der Affäre ließ der ehemalige, langjährige Chef des Internationalen Währungsfonds IWF grundlegende Fragen unbeantwortet. Keine Gewalt, keine strafbare Handlung, vielleicht sogar eine Falle – viel mehr als seine Anwälte sagte der 62-Jährige nicht zum New Yorker Sex-Fall.

Die meisten Reaktionen fielen am Montag dementsprechend kritisch aus. Von „lächerlich und traurig“ bis hin zu „nicht überzeugend“ reichten die Stimmen. Selbst von Parteifreunden kam Kritik. Die linke Tageszeitung „Libération“ nannte Strauss-Kahns Auftritt ungeschickt und kommentierte: „Das Unbehagen über das Benehmen von Dominique Strauss-Kahn ist geblieben.“ Mit seinen Äußerungen über eine mögliche Verschwörung habe er zudem Verwirrung gestiftet, ohne den geringsten Beweis für ein derart unwahrscheinliches Szenario zu erbringen.

„Moralischer Fehler“

Fast schon nebensächlich wurde dadurch, dass es Strauss-Kahn auch mit Fakten nicht so ganz genau nahm. Die New Yorker Staatsanwaltschaft habe das Strafverfahren eingestellt, weil es in seiner Hotelsuite nachweislich keine Gewalttat gegeben habe, behauptete der einst so mächtige Finanzmanager im Interview. Dabei waren es ausschließlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens Nafissatou Diallo gewesen, die die Juristen zu der Entscheidung bewegten. Sie hatte mehrfach falsche Angaben zu ihrer Vergangenheit gemacht.

Noch heute behauptet Diallo allerdings, dass Strauss-Kahn ihr am fraglichen Tag Oralverkehr aufzwang und sie sich keineswegs verführen ließ. Dass es einen sexuellen Kontakt gab, ist erwiesen. Auf Diallos Uniform wurden Spermaspuren des damaligen IWF-Chefs gefunden. Der in Frankreich kurz „DSK“ genannte Sozialist hat sich bis heute nicht dazu geäußert, was bei der nur sieben bis neunminütigen Begegnung passierte. Am Sonntag nannte er sie nur einen „moralischen Fehler“ und verneinte, dass es sich um bezahlten Sex gehandelt habe.

Wenig überzeugend

Ein französischer Psychiater und Psychoanalytiker bezeichnete die Erklärungen von Strauss-Kahn zur Affäre als wenig überzeugend. Dieser hätte sich besser als moderner Verführer präsentieren sollen, sagte Serge Hefez der „Libération“. „Das wäre glaubwürdiger gewesen“. Die Franzosen seien keine Amerikaner und in der Lage zu tolerieren, dass jemand ein intensives Sexleben habe, solange er nicht seine Macht missbrauche oder auf Gewalt zurückgreifen. „Niemand glaubt seiner Reueübung“, meinte der Psychiater nach einer Analyse des mehr als 23-minütigen Interviews. Strauss-Kahn habe eher wütend als deprimiert gewirkt. Er denke, dass dieser seine Energie für Rehabilitierungsversuche nutzen werde.

Für die Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr ist dies allerdings zu spät. Strauss-Kahns Parteigenossen wollen bereits im Oktober bei Vorwahlen ihren Kandidaten für den Kampf gegen den amtieren Staatschef Nicolas Sarkozy küren. „Die Franzosen hätten sich ein großes Treffen zwischen Sarkozy und Strauss-Kahn gewünscht“, kommentierte die regierungsnahe Tageszeitung „Le Figaro“ fast ein wenig wehmütig. „DSK hatte zahlreiche Argumente auf seiner Seite. Er vertrat eine selbstsichere Linke, die ihr ‚marxistisches Über-Ich‘ über Bord geworfen hatte.“ Dies hätte zu einem leidenschaftlichen Streitgespräch mit dem Präsidenten geführt.

Ob Strauss-Kahn im Falle eines Wahlsiegs der Sozialisten eine zweite Chance bekommen könnte, hängt derzeit vor allem vom Ausgang der noch laufenden juristischen Verfahren gegen ihn ab. Das Zimmermädchen Diallo hat den 62-Jährigen nun vor einem Zivilgericht verklagt. Zudem gibt es noch den Fall „Tristane Banon„.