/ Kurt Pelda am 22. Mai in Luxemburg

(Alain Rischard)
Ein Tag in Syrien kostet den Schweizer Reporter Kurt Pelda bis zu 1.000 Euro. Dabei riskiert er oft viel, zehrt aber von seiner langjährigen Erfahrung in Kriegsgebieten. Pelda spricht mit dem Tageblatt über seine Urmotivation, sich das alles anzutun – und wieso es doch manchmal einfach nur „unglaublich frustrierend“ ist.
Pelda-Vortrag
Kurt Pelda wird am 22. Mai um 19 Uhr im Cercle Cité in Luxemburg-Stadt für das Tageblatt einen Vortrag zum Thema „Der Nahostkonflikt und Europas Migrationsproblem“ halten.Reservieren Sie Ihren kostenlosen Platz. Einfach eine Email an kurtpelda@tageblatt.lu.
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Sie haben häufig aus Syrien berichtet. Welchen Quellen kann man in diesem unübersichtlichen Krieg überhaupt trauen? Ich denke da etwa an die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte ist eine der zuverlässigsten Quellen. Auch die machen Fehler, aber im Vergleich mit dem Rest ist sie sehr zuverlässig. Sie steht zwar eindeutig der Opposition nahe, aber sie hat immer wieder auch deren Menschenrechtsverletzungen ans Licht gebracht. Daher die hohe Glaubwürdigkeit. Hinzu kommt, dass sie ein großes Netz in ganz Syrien hat. Das haben auch Leute wie ich nicht, die sich einigermaßen auskennen. Wir haben nur regionale Netze.
Wie viel Geld brauchen Sie pro Tag, um aus dem Irak oder Syrien zu berichten?
Es ist ganz verschieden. Wenn ich zum Beispiel mit den Kurden nach Syrien gehe, dann kostet das Hundert Dollar pro Tag, ohne die Reise, das ist sehr günstig. Da ist man auf eine Art eingebettet, aber die sind ziemlich liberal und zeigen einem so ziemlich alles, außer vielleicht die Gefängnisse, das ist schwierig. Wenn ich mit den arabischen Rebellen unterwegs bin – was ich mittlerweile für unmöglich halte –, muss ich Bodyguards bezahlen und komme auf insgesamt 1.000 Dollar pro Tag. Im Irak hatte ich erwartet, dass es teuer ist, da kostete es so 500 Dollar pro Tag. Da waren aber auch keine Leibwächter nötig, denn dort ist man mit Milizen, Polizei oder Armee unterwegs.
Sie sprechen eben auf der SEEMF-Konferenz (South East Europe Media Forum) in Belgrad. Ihr Kollege aus Bulgarien erzählte, dass er mit kurdischen Kämpfern in Syrien unterwegs war. Als der IS näher rückte, drückten die Kurden ihm eine Waffe in die Hand mit den Worten: „Du weißt, wie du schießt.“ Kann man in so einer Situation überhaupt noch richtig reagieren?
Ich glaube nicht, dass es der richtige Weg ist, mit der Waffe zu kämpfen. Wenn allerdings der Islamische Staat der Gegner ist – und man weiß, was der mit Journalisten macht –, dann ist kämpfen das kleinere Übel. Eigentlich sollten sich Journalisten in diesen Gebieten aber bemühen, nicht in solche Situationen zu kommen.
In Gefechtssituationen geraten aber auch Sie …
Um ein Beispiel zu nennen: Vor Kurzem gab es vor Mossul ein Gefecht mit Scharfschützen auf einer Autobahn. Die Sniper flüchteten dann, es war wieder Ruhe. All die Journalisten kamen aus ihren Löchern hervor, man sah aber nicht weit, es war nebelig und der IS hätte jederzeit wieder zurückkommen können. Die Journalisten haben nicht realisiert, dass sich die irakische Armee einfach davongemacht hatte. Zum Schluss waren da nur noch Journalisten. Ich sagte zu meinem Fixer (Einheimischer oder Kenner der Gegend, der die Tour organisiert, Anm. d. Red.): „Siehst du, was da passiert? Wir sind die Letzten hier vorne an der Front. Lass uns gehen, aber schnell!“ Wenn man gut beobachtet und etwas Erfahrung hat, dann kommt man, denke ich, nicht so schnell in so eine Lage. Ich habe etliche gefährliche Situationen erlebt, aber keine, bei der ich dachte, da komme ich nicht mehr raus. In eine belagerte Stadt wie Aleppo hineinzugehen, das finde ich verrückt, das würde ich nicht tun. Das ist zu gefährlich.
Wann wussten Sie, dass Sie Kriegsreporter werden wollen?
Ich war 19, als ich zum ersten Mal in ein Kriegsgebiet fuhr. Da war mir aber noch nicht klar, ob ich journalistisch arbeiten oder selbst kämpfen will. Ich war das, was man heute einen Dschihadisten nennen würde. Ich ging nach Afghanistan zu den Mudschahedin, eigentlich mit der Absicht, dort gegen die Sowjets zu kämpfen. Das tat ich dann aber nicht, ich sah schnell, dass das gar nichts für mich war. Als ich die Leute kennenlernte und sah, wie sie ausgebildet wurden, merkte ich, dass das für mich nicht infrage kommen würde. Helfen wollte ich den Leuten aber dennoch. Ganze Täler, alles war kaputtgeschossen, systematisch zerstört. So etwas habe ich erst jetzt wieder in Syrien gesehen. Da kam dann die Idee, Journalist zu werden. Wenn man diese Eindrücke hinausbringt, kann man noch am ehesten etwas machen, um die Situation zu beeinflussen.
Glauben Sie das immer noch? Die ganze Welt wird täglich mit den Bildern aus Aleppo konfrontiert, doch es passiert wenig.
Es gab Zeiten, da konnte man besser beeinflussen – etwa in Afghanistan im Kalten Krieg. In Darfur im Sudan, während des ersten Genozids des neuen Jahrtausends, da haben alle Berichte nichts genutzt. Jetzt in Aleppo und bei den Giftgasangriffen in Syrien ist es genau gleich. Das ist unglaublich frustrierend. Meine einzige Befriedigung dabei ist, dass ich sagen kann: Ich habe es immer gesagt, beklagt euch nicht, wenn es dann noch mehr Flüchtlinge gibt. Dabei ist das nicht einmal das Schlimmste – immerhin haben die es raus geschafft! Das ist kein Vergleich damit, was gerade in Aleppo passiert. Dort werden die Leute verhungern. Oder sie müssen sich ergeben. Ich kann keine langfristigen Prognosen machen, aber kurzfristig kann man sagen: Wenn keine Nahrungsmittel nach Aleppo gelassen werden, dann verhungern dort die Menschen. Jetzt kommt außerdem der Winter. Die Parkanlagen sind schon abgeholzt, da gibt es nichts mehr zu holen. Vielleicht findet man noch etwas in den Ruinen, aber wie sollen die Menschen überleben?
Dieses Interview mit Kurt Pelda führte unser Journalist Armand Back am 26. November 2016 in Belgrad
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