Krawatten, Halstücher und klare Positionen

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Die Region Lothringen präsidiert seit 2011 die Großregion. Ihr Präsident, Jean-Pierre Masseret, hatte zu einem informellen Gipfel nach Metz geladen, um die Stimmung zu testen.

Der Sitzungssaal trägt den Namen „Salle de l´Europe“, ein Symbol das den Teilnehmern entweder nicht bekannt oder aber egal ist. Masseret hat zu dem informellen Treffen Freundlicheiten auf die Tische gelegt. Für die Herren eine Krawatte, für die Damen ein Schaltuch im Stil von Hermès. Außerdem erhält jeder eine Flasche Mirabellen-Schnaps, eine Spezialität der Region, ist Lothringen doch das Land der Mirabelle.

Cattenom war eines der beherrschenden Themen des Gipfels. (Foto: Pierre Matgé)

Alle diese Freundlichkeiten können nicht darüber hinweg täuschen, dass ein Riss durch die Großregion geht, der auch an diesem sonnigen Morgen nicht gekittet werden kann. Jean-Pierre Masseret ist eingekreist. Ihm gegenüber sitzt der Ministerpräsident aus Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, ein politisches Schwergewicht. Daneben drei luxemburgische Minister, Halsdorf, Wiseler und Di Bartolomeo. Und daneben der Ministepräsident der deutsch-sprachigen Gemeinschaft Belgiens, Lambertz.

Einige Plätze neben Masseret hat hat Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrer Europa-Beauftragten, Helma Kuhn Theis, Platz genommen. Letztere hat Anfang des Jahres für einen Bruch im interregionalen Parlamentarier Rat gesorgt. Daran gewöhnt, dass die Parlamentarier sich nicht weh tun, hatte Frau Kuhn Theis einen Antrag gegen Cattenom zur Abstimmung gestellt und für heftige Diskussionen gesorgt. Der Antrag wurde abgelehnt, weil Lothringen und zwei Belgier gegen ihn gestimmt hatten. Masseret hatte zuvor die Abgeordneten brüskiert, weil er mitten in einer Fragestunde laut geworden war, dann aus dem Saal stürmte und die Tür laut hinter sich hatte zuknallen lassen.

„Cattenom muss abgeschaltet werden

Masseret wusste, dass die Saarländer, die Luxemburger und die Rheinland-Pfälzer nicht mit sich reden lassen würden. Cattenom müsste abgeschaltet werden lautete die Maximalforderung. „Eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung kommt nicht in Frage“, sagte Minister Di Bartolomeo und ging noch weiter: „Wir brauchen einen richtigen Test von Cattenom. Nicht einen, der vorher von Frankreich weichgespült worden ist. Wir waren gegen Catternom, wir sind gegen Cattenom und wir werden gegen Cattenom sein“, fügte Di Bartolomeo an. Die Saarländerin setzte dann gleich nach und forderte von Masseret, dass die erneuerbaren Energien statt der Atomkraft in Frankreich ausgebaut werden müssten.

Das informelle Treffen hatte den Vorteil, dass man nicht zu einem Ergebnis kommen musste. Und doch brachte es eines: Deutsche und Luxemburger wissen, dass es nicht zu einer Abschaltung von Cattenom kommen wird. Präsident Masseret andererseits erfuhr hautnah, dass er keine Ruhe mit Cattenom bekommen wird, solange seine ausländischen Partner nicht bis ins letzte Detail über Cattenom informiert werden und in Cattenom die technischen Pannen drastisch reduziert werden. Dass Masseret das nicht gefällt, wurde vor laufenden Fernsehkameras nach dem Treffen deutlich. Er habe sich schließlich auch mit Cattenom auseinanderzusetzen, verteidigte er sich verschnupft.

Neue Erfahrung für neuen Präfekten

Diesen Eindruck durfte auch ein anderer Teilnehmer mitnehmen: Nacer Meddah hatte seinen zweiten Arbeitstag in Lothringen. Der 52 Jährige ist der neue Präfekt Lothringens und des Mosel-Départements. Meddah gehörte zu den unliebsamen Präfekten, die der ehemalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy in den vorläufigen Ruhestand versetzt hatte. Meddah hatte sich darauf beurlauben lassen und die Wahlkampf-Kampagne von François Hollande als Generalsekretär administrativ geleitet. Der Arbeitsplatz in Lothringen für den Hollande-Getreuen war „zufällig“ frei geworden, weil der neue französische Premierminister den amtierenden lothringischen Präfekten in sein eigenes Kabinett berufen hatte. Meddah lernte nun das Selbstverständnis luxemburgischer Minister und deutscher Ministerpräsidenten kennen, die mit anderer Macht ausgestattet sind als ein Regionalratspräsident. Auch Meddah musste lernen, dass er mit dem Dossier Cattenom leben muss und viel Ärger haben wird.

Die saarländische Ministerpräsidentin nutzte die Gelegenheit, um die Runde gleich mit einem anderen Problem vertraut zu machen. Es gibt nirgendwo so viele Grenzgänger in Europa wie in der Grenzregion. Die saarländische Ministerpräsidentin verlangte von Masseret und dem Präfekten, dass das Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und Frankreich geändert werden müsse. Es gäbe mittlerweile 50.000 Grenzgänger Rentner zwischen Deutschland und Frankreich, deren Renten in Deutschland und in Frankreich besteuert würden. Saarländer und Rheinland-Pfälzer haben den Bundesrat, um die Bundesregierung zu aktivieren. In Lothringen liegt das Problem nun bei dem Präfekten, der bei dieser Sitzung gleich in eiskaltes Wasser gestürzt wurde.

Innere Verbindungen in der Großregion verbessern

Dabei blieb es nicht. Der luxemburgische Verkehrs- und Nachhaltigkeitsminister Claude Wiseler legte gleich einen ganzen Katalog von sieben Punkten auf den Tisch, mit denen er die inneren Verbindungen der Großregion verbessern will. Außerdem verlangte er einen besseren Anschluss der Großregion an die Zentren außerhalb. Im Klartext verlangte Wiseler eine deutliche Verkehrsverbesserung auf der lothringischen A 31 zwischen Luxemburg und Nancy. Wiseler hatte sich den morgendlichen Stau von Thionville nach Luxemburg anschauen dürfen, während er und seine Ministerkollegen in drei Dienstwagen per Polizei-Eskorte von der Grenze nach Metz durch Metzer Staus und durch Baustellen gelotst wurden.

Zu den Projekten gehören weiter die Zugverbindung Brüssel-Luxemburg-Straßburg, die Verbindung Luxemburg-Trier-Koblenz und auch die Verbindung zwischen Luxemburg und dem Saarland. Die Zahl der Grenzgänger aus dem Saarland nach Luxemburg steigt und Wiseler will den öffentlichen Personen-Nahverkehr ausbauen.

Die saarländische Ministerpräsidentin sorgte in diesem Bereich dann aber gleich für Klarheit gegenüber Präfekt und Regionalratspräsident. Dies seien alles Maßnahmen der Regionalfonds. Dort aber, wo Projekte der Großregion bei den Regionalfonds angemeldet seien, dürfe es auf keinen Fall jetzt Kürzungen oder Streichungen geben, sagte sie. Annegret Kramp-Karrenbauer spielte dabei auf den Wachstumspakt des französischen Staatspräsidenten François Hollande an, der 60 Milliarden aus den europäischen Regionalfonds für ein Konjunkturprogramm abzweigen will.

Jean Pierre Masseret hatte zu einem informellen Gipfel eingeladen, bei dem Positionen deutlich und freundlich abgesteckt wurden. Ihre Gesprächspartner legten ihm ein ganzes Gebirge von Positionen und Problemen auf den Tisch. Maasseret und der neue Präfekt haben kein leichtes Leben mit ihren Nachbar Regionen.

(Helmut Wyrwich / Tageblatt.lu)