Kontrollierte Angst

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Nach dem Anschlag von Berlin schrauben viele Städte ihre Sicherheitsvorkehrungen hoch. Dazu kommen europaweite Maßnahmen. Während der Täter noch auf der Flucht ist, steigt bereits die Angst vor Nachahmern.

Nach dem Anschlag von Berlin schrauben viele Städte ihre Sicherheitsvorkehrungen hoch. Dazu kommen europaweite Maßnahmen (siehe Kasten). Während der Täter noch auf der Flucht ist, steigt aber nicht nur in der Europäischen Union die Angst vor Nachahmern.

EU will „früher ansetzen“

Die EU-Mitgliedstaaten haben am Dienstag den Weg für ein strikteres Waffenrecht in der Europäischen Union freigemacht. Am Mittwoch kündigte die EU schärfere Maßnahmen gegen Terrorfinanzierung an. Dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Sicherheitsunion.

Dazu plant die EU-Kommission eine Erweiterung des Schengen-Informationssystems zum besseren Datenaustausch unter den EU-Ländern sowie gemeinsame Gesetzesgrundlagen für grenzübergreifende Strafverfolgungen, wie aus einem am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Maßnahmenpaket hervorgeht. „Wir müssen schon früh ansetzen, um Mittel und Wege abzuschneiden“, sagte der für Inneres und Migration zuständige Kommissar Dimitris Avramopoulos.

Geplant ist demnach eine neue Richtlinie zur strafrechtlichen Verfolgung von Geldwäsche. Ein Ausbau des Schengen-Informationssystems (SIS) soll die Daten für Justiz- und Grenzbeamte leichter zugänglich machen und inhaltlich verbessern.

Dem Reformvorschlag zufolge sollen Menschen, die in Verbindung zu terroristischen Straftaten stehen, „zwingend“ ausgeschrieben werden. Erleichtert werden soll auch die Abschiebung von Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung. Migranten, die einen Abschiebeentscheid erhalten haben, werden demnach in einer gesonderten Kategorie über SIS ausgeschrieben.

Luxemburg hat seinen Weihnachtsmarkt gestern schon geschützt (Link). Betonblöcke sollen verhindern, dass sich eine Tat wie in Berlin beim Markt an der „Gëlle Frau“ wiederholt. In Berlin ist am Montagabend ein am Mann mit einem gestohlenen Lkw über einen Weihnachtsmarkt gerast. Mindestens zwölf Menschen starben. Dutzende wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Der islamistische Terror hat damit erstmals richtig in Deutschland zugeschlagen, mitten in Berlin.

Moskau: „Wir sehen, was in der Welt geschieht.“

Das Attentat kurz vor Weihnachten werden fast überall die Sicherheitsvorkehrungen hochgeschraubt. Nicht überall werden die Plätze mit Betonblöcken abgeschirmt gegen Attacken mit Fahrzeugen. in Moskau werden öffentliche Plätze in den kommenden Feiertagen mit abgestellten Schwerlastern gesichert.

Der Chef der Moskauer Straßenpolizei, Viktor Kowalenko, sagte laut der Nachrichtenagentur Ria-Nowosti, wichtige Kreuzungen in der Nähe von Straßenveranstaltungen sollten damit abgesperrt werden. „Wir verstehen und sehen, was in der Welt geschieht, auch unter Verwendung von Lastwagen“, sagte Kowalenko. In Moskau gibt es zahlreiche Weihnachtsmärkte, die Festsaison dauert bis zum orthodoxen Neujahr am 14. Januar.

Frankreich: Stärkere Kontrollen, präventive Festnahmen

Die französische Regierung hat schärfere Kontrollen an der Grenze zu Deutschland angeordnet. In einer Mitteilung des Pariser Innenministeriums werden die Behörden aufgefordert, „jede nützliche Maßnahme zu ergreifen, um umgehend die Kontrollen an der französisch-deutschen Grenze zu verstärken“. In weiteren Mitteilungen an die Präfekten ordnet das Innenministerium zudem eine Neubewertung der Risiken für Orte mit großem Besucherandrang und eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen für Weihnachtsmärkte an.

Die Pariser Regierung lässt nach eigenen Angaben präventiv verdächtige Personen festnehmen. Auf Weihnachtsmärkten wird demnach kontrolliert, ob die Veranstalter wie angeordnet Taschen durchsuchen lassen und Betonabsperrungen an den Eingängen errichtet haben. Der Straßburger Weihnachtsmarkt wurde bereits am Dienstag gegen mögliche Nachahmer des Berlin-Attentats abgesichert.

Trier: Unter Hochspannung und mit Videoüberwachung

Bei Luxemburgern ebenso beliebt wie der Straßburger Weihnachtsmarkt ist der in Trier. Auch dort hat die Polizei ihr Sicherheitskonzept noch einmal ausgeweitet. So werde auf allen größeren Weihnachtsmärkten in der Region die Zahl der eingesetzten Polizeibeamten erhöht. Laut Trierer Polizei werden demnach, für die Weihnachtsmarktbesucher erkennbar, mehr uniformierte Streifen für Sicherheit auf den Weihnachtsmärkten sorgen. Darüber hinaus werde auch die Zahl der Zivilstreifen erhöht, um verdeckt bei Gefahrensituationen schnell reagieren zu können. An den Zufahrten zum größten Weihnachtsmarkt der Region in Trier sollen Polizeifahrzeuge postiert werden, an denen die Beamten selektiv Kontrollen durchführen. Im Verdachtsfall wollen die Polizeikräfte schon hier einschreiten und frühzeitig intervenieren.

Ein weiterer Baustein in der Trierer Sicherheitsarchitektur ist nun der Einsatz von Videotechnik im Bereich des Weihnachtsmarktes in Trier. Der größte Weihnachtsmarkt der Region wird seit heute während der Öffnungszeiten bis zu seinem Abschluss am morgigen 22. Dezember mittels Videotechnik überwacht werden. Das Polizeipräsidium hatte den Einsatz von Videotechnik am Hauptmarkt schon in seine Vorplanung für Silvester einbezogen. Der Vorfall in Berlin gab nun den Ausschlag, das Konzept vorzuziehen.

Köln prüft Lastwagen-Verbot

Köln reagiert mit verschärften Kontrollen auf den Weihnachtsmärkten und den Straßen sowie mit Hindernissen für Lastwagen an sensiblen Punkten auf den Berliner Anschlag.

„Wir prüfen derzeit in enger Abstimmung mit der Stadt, welche Fahrzeuge in die Innenstadt einfahren dürfen und an welchen Stellen wir das verhindern wollen“, sagte Kölns Polizeipräsident. Polizisten mit Maschinengewehren und Schutzwesten sollen zusätzliche Sicherheit bieten.

Deutschlands Innenminister mit neuem Gesetz

Deutschlandweit wird zur Verstärkung der inneren Sicherheit die Videoüberwachung an öffentlichen Orten wie Sportstätten und Einkaufszentren ausgeweitet. Am Mittwoch wurde ein entsprechendes Gesetzespaket beschlossen. Innenminister De Maizière will mit dem Gesetz bei der Abwägungsentscheidung für oder gegen eine Überwachung der öffentlichen Sicherheit mehr Gewicht einräumen als es derzeit der Fall ist.

Aus De Maizières Sicht urteilten die Landesdatenschützer bei ihren Entscheidungen häufig sehr restriktiv und untersagten eine Überwachung aus Datenschutzgründen. „Der Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit bei Videoüberwachungsmaßnahmen in Einrichtungen und Fahrzeugen des öffentlichen Schienen, Schiffs- und Busverkehrs und öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie Sport- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren und Parkplätzen gilt künftig als besonders wichtiges Interesse“, erklärte das Bundesinnenministerium.

Wien: Mehr Patrouillen und Taschenalarme

Auch in Österreichs Hauptstadt Wien zeigt die Polizei verstärkt Präsenz auf Weihnachtsmärkten. Als Reaktion auf die Übergriffe in der vergangenen Kölner Silvesternacht will die österreichische Polizei vor den Neujahrsfeiern in Wien Taschenalarme verteilen (Link).

Rund 6.000 der kleinen Geräte, die beim Aktivieren einen schrillen Alarm von sich geben, sollen zu den traditionellen Silvesterfeiern unter freiem Himmel in der Wiener Innenstadt verteilt werden, teilte das österreichische Innenministerium am Dienstag mit.

Brüssel, London, Warschau …

Auch in anderen europäischen Ländern werden schärfere Kontrollen auf Weihnachtsmärkten und an anderen öffentlichen Orten geprüft. So riefen etwa die Behörden in Belgien und Großbritannien nach dem Anschlag von Berlin zu erhöhter Wachsamkeit auf.

Um den Weihnachtsmarkt von Birmingham herum waren bereits in den vergangenen Wochen Absperrungen errichtet worden. In Polen kontrolliert die Militärpolizei Orte, die als besonders gefährdet gelten, etwa Bahnhöfe oder Einkaufszentren.