/ Kongress-Test bestanden
Premiere in der Geschichte der LSAP. Der Parteikongress hat ohne Gegenstimme das Koalitionsprogramm dem neuen Regierungskoalition zugestimmt. Bei den 346 gab es lediglich 14 Enthaltungen. Quasi einstimmig wurde auch der Vorschlag zur Besetzung der sozialistischen Regierungsämter angenommen.
In die Regierung schickt die LSAP Etienne Schneider, Vizepremier und Wirtschaft, Polizei und Verteidigung, Jean Asselborn, Außenpolitik und Europa, Immigration, Romain Schneider, Sozialversicherung und Sport, Nico Schmit, Arbeit und Solidarwirtschaft, Lydia Mutsch, Gesundheit und Chancengleichheit, Dan Kersch, Innenminister und öffentlicher Dienst, und Francine Closener, Staatssekretärin für Wirtschaft und Verteidigung. Der Vorschlag der Parteileitung wurde mit 95 Prozent vom Generalrat angenommen. Es gab lediglich zwei Nein-Stimmen, so Präsident Alex Bodry. Er selbst soll neuer Fraktionschef werden, Mars di Bartolomeo Parlamentspräsident.
Nach der Abstimmung über das Koalitionsprogramm hatte sich die Parteileitung zurückgezogen. Sie musste dem Generalrat die Namen der sozialistischen Minister vorschlagen. Die Entscheidung wurde dem Kongress lediglich mitgeteilt. Das Koalitionsprogramm lag den Delegierten seit Montagabend vor.
Großer Andrang
Großes Interesse hatte der Kongress bei der LSAP-Basis ausgelöst. Die Sitzplätze im Bonneweger Gewerkschaftskasino reichten nicht. Etliche Delegierte mussten stehend dem Kongress beiwohnen, als Parteipräsident Alex Bodry den Parteitag eröffnete.
Kaum jemand hätte vor einem Jahr zu behaupten gewagt, dass die LSAP eine Koalition mit der DP und déi gréng eingehen würde, stimmte Parteipräsident Alex Bodry die Delegierten ein. Die Dreierkoalition sei kein Unfall, auch kein Ergebnis von Tricksereien. Sie sei die einzige mögliche Schlussfolgerung der politischen Entwicklungen seit Juni/Juli gewesen, betonte Body unter Verweis auf die Geheimdienstaffäre und die Weigerung der CSV-Spitze die Verantwortung zu übernehmen.
Die CSV habe nicht mehr mit den Sozialisten regieren wollen, meinte Bodry. Zum Schluss habe die CSV die LSAP als Verräter darstellen wollen. Die CSV fiel in die Falle, die sie der LSAP gestellt hatte. Trotz Stimmenverluste konnte die Partei ihre 13 Sitze wahren, so Bodry in seiner Wahlanalyse.
Veränderungen sind notwendig
Das Land brauche Veränderungen. Es müssten Entscheidungen fallen in den kommenden Jahren. Die alte Koalition sei zum Schluss müde gewesen. Die LSAP wolle hier mitgestalten, so Bodry, der auch einen neuen Stil der Zusammenarbeit in der neuen Koalition ankündigte. Es herrsche keine Einstellung von gegenseitiger Konkurrenz sondern des Miteinanders. Bodry sprach bereits von einer Koalition von Gewinner.
Diese Regierung werde den Index nicht abschaffen, und der Warenkorb werden nicht manipuliert, sprach Bodry gleich zu Beginn seiner programmatischen Aussagen eines der heiklen Themen bei der LSAP-Basis an. Auch im Bereich Wohnungsbau versprach Bodry Besserungen. Und jeder der Hilfe benötige, werde diese bekommen. Und dann die Trennung von Kirche und Staat. Nichts werde in diesem Bereich beim Alten bleiben. Die Trennung von Kirche und Staat wird kommen, wiederholt Bodry unter dem Applaus der Delegierten. Die sozialistische Beharrlichkeit habe sich ausgezahlt. Erstmals habe es bei Koalitionsgesprächen keine parallelen Verhandlungen mit der katholischen Kirche gegeben.
Auch Etienne Schneider pochte auf die gute Atmosphäre zwischen den drei Parteien, auf den Umstand, dass die drei Parteien auf Augenhöhe miteinander diskutierten. Schneider hob einzelne Punkte aus dem Koalitionsprogramm hervor. Er nannte unter anderem eine größere Selektivität bei den Sozialleistungen. Ein neuer allgemeiner Beitrag (contribution générale) auf allen Einkommensarten soll die Finanzierung der Familienzulagen ermöglichen, kündigte Schneider an. An einer Mehrwertsteuererhöhung komme man nicht vorbei, meinte Schneider, die niedrigen Sätze blieben jedoch erhalten. Erhalten bleibt der Index, das aktuelle Modell einer jährlichen Indextranche. Gleichzeitig werde man die Frage der Desindexierung der Ökonomie studieren, meinte Schneider. Nicht in Frage gestellt sei das Rentensystem, reformiert werde jedoch die Pflegeversicherung.
Kritik und gleichzeitig Zustimmung
Nach fast dreißig Minuten hat die Parteiführung ihre Einleitung beendet. Gleich elf Wortmeldungen liegen vor. Doch die traditionelle Aufmüpfigkeit der LSAP vermisst man. Zwar wird stellenweise Kritik ausgeübt, global jedoch herrscht Zustimmung. Es sei quasi unmöglich, über dieses Abkommen zu befinden, kritisiert gleich zu Beginn das Juso-Mitglied Patrick Azevedo, der auf den mangelnden Zeit zum Studieren des Textes einräumt. Dennoch würde man für das Abkommen stimmen, so Azevedo. Auch die zweite Rednerin Catia Gonzales, Femmes socialistes, spricht sich für das Verhandlungsergebnis aus.
Kritische Töne stimmt Georges Engel, député-maire von Sanem, an. Dass die Zahl der Regierungsmitglieder auf 18 erhöht wird, sei kein Zeichen von neuem Wind, genauso wie die Zusammensetzung der Verhandlungsdelegation nicht ein Zeichen von Erneuerung abgab. Dennoch könne man stolz sein mit dem Inhalt des Abkommens, schwächt Engel seine eingangs geäußerte Kritik ab.
Pierre Gramegna umstritten
Überrascht und verwundert zeigte sich Ben Fayot über den Vorschlag von Pierre Gramegna als Finanzminister. Gab es in den Reihen der Delegationen niemand, der dieses enorm wichtige Ressort übernehmen konnte? Wo ist die politische Legitimation von Gramegna, fragte Fayot, den er in den vergangenen Jahren als guten Patronatsvertreter zu schätzen gelernt habe.
Nur ein einzige Stimme sprach sich offen gegen die Gambia-Koalition aus. Da würden plötzlich zu Brüdern und Schwestern, wer sich noch gestern bekämpft habe, meinte ein Delegierter. Nichts habe er gegen eine Aufstockung der Regierung, schließlich müsse man ja mit der Schaffung von Arbeitsplätzen im Lande beginnen, ironisierte Nico Wennmacher. Unklar blieb ihm, wo denn nun konkret gespart werden soll. Keine Reichensteuer, keine Erhöhung der Abonnementstaxe, doch werde die TVA erhöht, kritisierte Wennmacher.
Warnende Worte richtete auch die Escher Schöffin und frühere Abgeordnete Vera Spautz an die Regierung. Ja man werde wohl gesellschaftspolitische Reformen erzielen, aber die DP sei nicht bekannt für eine sozial fortschrittliche Politik. Sie habe Probleme mit dem Begriff soziale Selektivität, ein Begriff der keineswegs positiv belegt sei. Zu bedenken gab Spautz, dass etliche Kapitel ziemlich schwammig formuliert seien, andere jedoch äußert detailgenau. Im Bereich des Wohnungsbau finde sie schneller DP-Vorschläge wieder als sozialistische. Sie werde sich bei der Abstimmung enthalten.
Schneider wies Kritik zurück. Soziale Selektivität sei auch Bestandteil des Wahlprogramms gewesen. Und wenn es ums Sparen beim Staat gehe müsse man sich an den großen Ausgabenblöcken zuwenden, betonte er. Doch diese Anmerkungen nahmen wohl die wenigsten Delegierten wahr
- Zucchinipuffer und eine Rhabarbertorte – leckere Klassiker fürs Wochenende - 12. Juni 2022.
- Sechs gute Gründe für Urlaub im Freien - 12. Juni 2022.
- Monsieur Champagne sagt Adieu - 8. Mai 2022.