/ "Kommt nicht zu uns!"
Wer will da schon hin? Dauernd regnet es, die Arbeitslosigkeit ist hoch und die U-Bahn funktioniert nicht – mit einer Imagekampagne der etwas anderen Art will Großbritannien Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien vor dem Schritt auf die Insel abhalten. Was bisher nur ein Gedankenspiel ist, sorgt in den betroffenen Ländern für einen Aufschrei.
Eine solche Kampagne entspreche „weder den Werten noch den Prinzipien der EU“, sagt Bulgariens Außenminister Nikolaj Mladenow. Die einflussreiche Zeitung „24 Tschassa“ schimpfte: „Die Briten werden zu Europäern, wenn es um die Freizügigkeit von Kapital und Finanzdienstleistungen geht. Wenn es um EU-weite Regelungen geht, sind sie eine Insel.“ Londons Zynismus könne xenophobische Gefühle wecken.
„Macht die Klos sauber“
Die britische Botschaft in Sofia bemühte sich am Freitag um Schadensbegrenzung: Von 2014 an werde es keine Unterschiede mehr geben, etwa zwischen Bulgaren und Franzosen.
Die britische Zeitung „Guardian“ hatte ihrer Leser zu einem ironischen Ideenwettbewerb aufgerufen, wie mögliche Werbeplakate aussehen könnten. „Come here and clean the loo“ („Kommt her und macht die Klos sauber“) steht auf einem. In Rumänien antwortete eine Zeitung mit einer Gegenkampagne und lud britische Touristen zum Urlaub ein: „Die Hälfte unserer Frauen sieht so aus wie Kate“, steht auf einem Plakat mit dem Konterfei der Middleton-Schwestern.
Taktische Gründe
Die britische Kampagne ist Ausdruck einer populistisch angehauchten Debatte im Königreich, wo Einwanderung früher einmal zum guten Ton gehörte. „Wir unterstützen die Einwanderung talentierter Menschen“, ließ sich Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson im Lokalblatt „Evening Standard“ zitieren. „Aber ich bin besorgt, dass die Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien, wenn sich nicht richtig gehandhabt wird, zu einem Anstieg der Obdachlosigkeit in der Art führen wird, wie wir es bei früheren Beitrittsländern gesehen haben.“
Die Äußerungen Johnsons, selbst Enkel eines türkischen Einwanderers, dürften vor allem taktische Gründe haben. Den britischen Konservativen steht die Rechtspartei UKIP auf den Füßen. Alles was sich gegen Europa und gegen Einwanderer richtet, nimmt den Rechten den Wind aus den Segeln.
Lech und Vaclav
Die europakritische Rede von Premierminister David Cameron hat die Umfragewerte der Tories nach oben schießen lassen. Der Premier hat das bitter nötig. Aus seiner ungeduldigen Fraktion werden erste Drohungen laut, 2014 ein Misstrauensvotum gegen den Regierungschef anzustrengen, wenn die Partei aus dem Stimmungstief nicht herauskommen sollte.
Inhaltlich sind die Befürchtungen weitgehend haltlos. Ein früheres Beitrittsland, das Johnson gemeint haben könnte, ist zum Beispiel Polen. Zwar ist Polnisch im Vereinigten Königreich inzwischen die am zweithäufigsten gesprochene Sprache nach Englisch, wie die staatliche Statistikbehörde ONS jüngst herausfand. Das Migration Observatory der Universität Oxford fand aber heraus, dass nur ein Drittel der Einwanderer seit der EU-Erweiterung 2004 aus den Beitrittsländern kamen. Und über den Zuwachs aus Polen ist mancher Brite nicht traurig. Handynummern von Handwerkern mit Vornamen wie Lech oder Vaclav werden in London hoch gehandelt. Und auch in den Bankentürmen der City hat sich mancher Bulgare bereits hochgekämpft.
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