Klimaschutz-Gebäude vor dem Zusammenbruch?

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(dpa)

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Halbzeit beim Klimagipfel: Optimisten hoffen auf einen Fahrplan zur Fortschreibung des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls. Was kommt?

Christiana Figueres hat Augenzeugen zufolge am Dienstag in Durban geweint. Die UN-Klimachefin sollte bei einer Veranstaltung der 17. UN-Klimakonferenz die Frage beantworten, was mit der Erde ohne ausreichenden Klimaschutz geschehen werde. „Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel“, sagte sie. Es gebe keinen „Plan B, so wie es auch keinen Planeten B gibt“.

Die costaricanische Diplomatin gehört dennoch zu der Minderheit der Optimisten auf der Konferenz. Die leidenschaftliche Kämpferin für eine rasche Begrenzung der von Menschen verursachten Treibhausgase hofft darauf, dass sich in Durban bis zum nächsten Wochenende die Kyoto-Vertragspartner zu einer zweiten Verpflichtungsperiode für das Kyoto-Protokoll und grundsätzlich über ein Nachfolgeabkommen für das bis Ende 2012 geltende Papier einigen.

Grab

Das gilt europäischen Diplomaten als „zentraler Baustein der internationalen Klimaarchitektur“. Aber genau die sehen andere kurz vor dem Zusammenbruch. „Es besteht die Gefahr, dass hier in Durban der Kyoto-Vertrag zu Grabe getragen wird“, sagte der Greenpeace-Klimaexperte Stefan Krug.

Immer mehr Staaten gehen auf Distanz zum Kyoto-Protokoll. Russland und Japan haben deutlich gemacht, dass sie sich abkoppeln wollen, falls nicht alle Industrie- und Schwellenländer bei dessen Fortsetzung mitmachen. Kanada scheint noch einen Schritt weiter zu gehen und schon vorzeitig das Protokoll aufkündigen zu wollen. Die USA lehnen ein Abkommen vor 2020 ab. Vor international verbindlichen Vereinbarungen scheuen sich auch nach wie vor Indien und China. Das in Cancún beschlossene Klimaziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, wird angesichts weiter wachsender Emissionen zunehmend unrealistisch.

„Blockierer“

Viele sind zornig auf die „Blockierer“. Manche beschuldigen mehr oder minder offen die Amerikaner der Sabotage. „Manche führen sich hier als Organisatoren der Unverantwortlichkeit auf“, formulierte Germanwatch-Politikchef Christoph Bals. Nicht nur Washington, auch Moskau und Ottawa agierten, „als ob sie bewusst Sand in das Getriebe des Klimaschutzprozesses streuen wollten“. Manchmal sehe es aus „wie eine aktive Strategie zur Verhinderung von Fortschritten“.

Greenpeace-Chef Kumi Naidoo urteilt noch härter: „Die, wie die USA, nicht daran interessiert sind Menschenleben, die Wirtschaft und die Umwelt zu retten, müssen zur Seite treten und die anderen weiter machen lassen“, schimpfte er.

Zuversicht

Noch schöpfen EU-Diplomaten Zuversicht aus der Bereitschaft Chinas, grundsätzlich die Emissionen zu begrenzen – auch wenn Peking zumindest jetzt noch keinen internationalen Vertrag möchte. Diese Haltung allerdings lässt die USA, aber auch Indien, Japan oder Russland von Kyoto zurückweichen. Zudem hat der chinesische Klimaschutzbeauftragte Su Wei in Durban erneut darauf verwiesen, dass „Entwicklungsländer sich in der Phase der Industrialisierung befinden“. Die Emissionen würden „in angemessenem Ausmaß zunehmen“.

Zwar sind die Entwicklungsländer an der Verlängerung des Kyoto-Prozesses interessiert. Viele der notleidenden Staaten fürchten für sich dramatische Folgen des Klimawandels. Allerdings wurden sie im Kyoto-Protokoll von 1997 noch nicht in die Einschränkung der Emissionen eingebunden. Vor allem hofft die Dritte Welt auf Geld aus dem Grünen Klimafonds, der ab 2020 auf 100 Milliarden Dollar (74 Milliarden Euro) pro Jahr steigen soll.

Gerüst

Noch ist aber nicht einmal sicher, ob es gelingt, in Durban das organisatorische Gerüst für den Fonds zu schaffen – über die Finanzierung gibt es auch noch keine Klarheit.

Vieles deutet darauf hin, dass sich der Kyoto-Prozess faktisch nur noch auf die EU sowie einige andere Staaten wie Australien, die Schweiz und Norwegen begrenzen wird. Die aber sind insgesamt für weniger als 15 Prozent der von Menschen verursachten Emissionen verantwortlich. Auch die EU will sich nur zu weiteren Reduktionszielen verpflichten, wenn die anderen Staaten sich bereit erklären, in ein paar Jahren mit an Bord eines Kyoto II zu kommen.

Traum

Allen in Durban ist bewusst, dass die globale Finanz- und Wirtschaftskrise die meisten Menschen stärker beschäftigt als das Klima. „Egal wie wichtig die Rettung der Umwelt ist, es ist doch klar, dass die Rettung der Weltwirtschaft viel drängender ist“, meinte der Direktor des südafrikanischen Finanzinstituts BP
Bernstein, Makwe Masilela. „Der Traum eines weltweit gültigen Klima-Abkommens wird unerfüllt bleiben“, meinte der US-Kolumnist Brian Walsh im Magazin „Time“. Je eher das alle akzeptierten, desto schneller könnte sich jedes Land auf eigene Wege zur Lösung der Energie- und Klimaprobleme konzentrieren.