Kleber halten Autos zusammen

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(dpa)

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Wer hätte gedacht, dass der Trabi mal Vorreiter der Automobilbranche sein könnte: Er war geklebt. Heutzutage werden Fahrzeuge von bis zu 15 Kilogramm Kleber zusammengehalten.

Die Verwendung von Klebstoffen in der Automobilindustrie ist sprunghaft gestiegen. Denn die Hersteller setzen mehr Carbonfasern, Aluminium und Magnesium ein, um das Fahrzeuggewicht und damit den Spritverbrauch zu senken. Diese Materialien können aber nur schwer miteinander verschweißt oder vernietet werden. Experten schätzen, dass ein Pkw mittlerweile im Schnitt von 15 Kilogramm Kleber zusammengehalten wird. Nicht nur die Windschutzscheibe wird – wie bereits seit Jahrzehnten – eingeklebt, sondern auch Teile der tragenden Karosserie.

Dabei handelt es sich nicht um schlichte Bindemittel, wie man sie in Schulranzen von Kindern findet oder wie sie beim Basteln von Modellautos verwendet werden. Heutige Hightech-Kleber müssen Belastungen durch Vibration bei hohen Geschwindigkeiten standhalten und dürfen sich auch bei hohen Temperaturen nicht auflösen. Nebenbei sollen sie den Autos mehr Stabilität bei Kollisionen verleihen. Selbst teure Sportwagen wie der R8 von Audi werden in großen Teilen durch spezielle Kleber zusammengehalten. „Klebstoffe stellen heute ein tragendes Element im Karosseriebau dar. Ihre Bedeutung hat im Laufe der Fahrzeuggenerationen enorm zugenommen“, erläutert Bernd Mlekusch, Leiter der Technologie-Entwicklung in der Audi-Produktion.

Gut geklebt fährt länger

„Kleben erhöht die Steifigkeit der Karosserie, so dass das Fahrzeug Stöße besser absorbieren kann“, ergänzt Michael Zürn, der in der Produktionsplanung von Mercedes-Benz-Pkw für die Werkstoff- und Fertigungstechnik zuständig ist. Spezielle Kleber ermöglichen es, Nieten zu ersetzen, um die herum sich durch Erschütterungen in der Karosserie Risse bilden können. Und: Klebstoff rostet nicht. „Herkömmliche Verbindungstechniken wie Schweißen, Nieten und Schrauben stoßen längst an ihre Grenzen und besitzen im Vergleich zu Klebeverbindungen entscheidende Nachteile“, sagt Frank Haug, Chef des Chemielieferant Bodo Möller Chemie. Er geht davon aus, dass die Menge des in Autos verwendeten Klebstoffs in den nächsten fünf bis zehn Jahren um ein Drittel zunehmen wird.

Damit steigen auch die Wachstumschancen für Klebstoff- und Klebefolien-Hersteller wie Henkel und Beiersdorf sowie deren Schweizer und US-Konkurrenten Sika und PPG Industries. „Die Story Kleber in der Automobilbranche ist heiß“, konstatiert Robert Gereke, im Vorstand der Beiersdorf-Tochter Tesa für das Industriegeschäft verantwortlich. Paul Kirsch, Manager für die Lieferkette und Produktion bei Henkel im Bereich Klebstofftechnologien, stimmt ihm da zu: Selbst wenn die Weltautomobilmärkte nur um zwei Prozent wachsen sollten, wäre er angesichts der Möglichkeiten zum Einsatz von Klebstoff in jedem einzelnen Fahrzeug immer noch optimistisch. Henkel hat allen Grund, guter Dinge zu sein: Der weltweite Fahrzeug-Absatz dürfte nach Schätzungen der Marktforscher von IHS Automotive bis 2014 um 8,4 Prozent auf 86,4 Millionen Einheiten steigen und bis 2028 sogar um 28 Prozent auf 102 Millionen zulegen.

Oder es klebt auch nicht

Marktführer Henkel, der in der Klebstoffsparte mindestens ein Fünftel des Umsatzes von zuletzt 8,3 Milliarden Euro mit der Automobilindustrie macht, kann die Misere am europäischen Pkw-Markt durch Lieferungen an weltweit tätige Autokonzerne wie General Motors und Ford wettmachen. Das Düsseldorfer Unternehmen, bekannt durch seine Waschmittelmarke Persil, stampft in China gerade eine neue Fabrik für Klebstoffe aus dem Boden, in der rund ein Drittel des geplanten Ausstoßes von 428.000 Tonnen im Jahr an die Automobilindustrie gehen soll. „Klebstoffhersteller können den Rückgang im Europageschäft zum Teil in Schwellenländern kompensieren“, erläutert Fabrice Roghe, Partner der Beratungsfirma Boston Consulting. Auch im Automobilbau in China wird Klebstoff immer wichtiger.

Bei allen Vorteilen für den Leichtbau – ganz ohne Mängel sind Klebstoffe aber noch nicht: Ferrari musste im Jahr 2010 mehr als 1200 Supersportwagen seines Modells 458 zurückrufen, weil der Kleber an einem im Radkasten angebrachten Hitzeschild bei hohen Temperaturen schmolz und Fahrzeugbrände auslöste. Ferrari ersetzte die geklebten Teile am Hitzeschild durch Metallnieten, um die Fahrzeuge sicherzumachen.