Klare Fronten – keine Lösung

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In der Ukraine-Krise zwischen Russland und dem Westen ist keine Lösung in Sicht. Die neue Führung in Kiew flüchtet sich in Appelle. Doch der Zerfallsprozess des Landes scheint weiter voranzuschreiten.

Die Krim treibt ihre Trennung von der Ukraine voran. Wenige Tage vor dem Referendum über den Anschluss an Russland verabschiedete das Regionalparlament am Dienstag eine „Unabhängigkeitsklärung“. Wie die ukrainische Regierung stemmt sich der Westen aber weiter gegen die Spaltung des Landes. Die Europäische Union droht für kommende Woche mit weiteren Sanktionen gegen Russland. Noch glühen die diplomatischen Drähte.

So telefonierte US-Außenminister John Kerry abermals mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. Danach erklärte das russische Außenministerium, man habe noch einmal unterstrichen, dass auf der Suche nach einem Ausweg die Interessen aller Ukrainer und aller Regionen berücksichtigt werden müssten. Die Bewohner der Krim hätten ein Selbstbestimmungsrecht „im Einklang mit den Normen des Völkerrechts“.

„Illegal“

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat den für Sonntag geplanten Volksentscheid auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim als „illegal“ bezeichnet. Das Referendum über die mögliche Angliederung der autonomen Region an Russland verstoße in seiner jetzigen Form gegen die ukrainische Verfassung, erklärte der Schweizer OSZE-Chef Didier Burkhalter am Dienstag in Genf. Die Schweiz hat derzeit die Präsidentschaft der OSZE inne.

Das Krim-Parlament in Simferopol stimmte bereits am Dienstag fast geschlossen für eine Unabhängigkeitserklärung der autonomen Krim. Nach dem Volksentscheid über den künftigen Status der Region wird sich die Krim demnach an die Russische Föderation wenden, um „als neues Subjekt der Föderation“ aufgenommen zu werden.

Sanktionen

Beim EU-Außenministertreffen werde Luxemburg nicht allein auf Sanktionen setzen, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn am Dienstag im Parlament. Die Außenminister wollen sich am Tag nach dem geplanten Krim-Referendum am Sonntag treffen. Mehrere EU-Mitgliedsländer haben sich für unmittelbare Sanktionen ausgesprochen.

Der UN-Gesandte für Menschenrechte, Ivan Simonovic, hat seine geplante Reise auf die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim vorerst abgesagt. Simonovics Sprecher sagte am Dienstag in New York, der Besuch finde wegen Sicherheitsbedenken und logistischer Probleme zunächst nicht statt. Er verwies darauf, dass der von prorussischen Kräften kontrollierte Flughafen Simferopol auf der Krim für Flüge aus anderen Teilen der Ukraine gesperrt sei.

Keine Antwort

Seit der Flucht des nach monatelangen Protesten entmachteten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch vor gut zwei Wochen hat sich die Krise zu einem geopolitischen Konflikt ausgewachsen: Prorussische Soldaten übernahmen die Kontrolle auf der Halbinsel Krim, wo Russland seine Schwarzmeerflotte hat. Die Krim-Führung betreibt mit Unterstützung aus Moskau den Anschluss an Russland. Europa und die USA geißeln dies völkerrechtswidrig, finden aber bislang keine geeignete Antwort.

Vergangene Woche hatte die EU als erste Strafmaßnahme gegen Moskau die Aussetzung der Verhandlungen über zwei Abkommen beschlossen. Nun wird als zweite Stufe ab kommenden Montag erwogen, Vermögenswerte einzufrieren und Reisebeschränkungen einzuführen. Dabei geht es um Personen, die für Instabilität und Spaltungstendenzen in der Ukraine verantwortlich gemacht werden.

Unabhängigkeitserklärung

Worauf die am Dienstag vom Krim-Parlament beschlossene Unabhängigkeitserklärung politisch zielt, blieb zunächst undurchsichtig. Einige Beobachter werteten sie als Versuch, die Spannungen zu verringern. Denn damit könnte die Krim zunächst als eigenständiger Staat auftreten, ohne sich sofort Russland anzuschließen. „Es ist eine Beruhigungspille für alle – für den Westen und für viele in der Ukraine, die von Panik gepackt werden“, sagte der Kiewer Politikexperte Vadim Karasjow.

Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte zuvor die Gründung einer Nationalgarde angekündigt. Grundstock sollen die früher dem Innenministerium unterstellten Truppen sein. Turtschinow forderte das Parlament auf, dies zu billigen. Ziel sei es, „das Land und seine Bürger gegen Kriminelle, äußere und innere Angriffe zu verteidigen“.

Appell

Der neue Ministerpräsident Arseni Jazenjuk appellierte abermals an den Westen, die Ukraine gegen eine Nation zu verteidigen, „die bis zu den Zähnen bewaffnet ist und die über Atomwaffen verfügt“. Er forderte zudem die USA, die Europäische Union und auch Russland auf, sich an ein 1994 gemeinsam unterzeichnetes Abkommen zu halten. Damals hatte die Ukraine ihre Atomwaffen abgegeben und im Gegenzug eine Sicherheitsgarantie bekommen.

Expräsident Janukowitsch griff seine Nachfolger in Kiew in einer Rede in der russischen Stadt Rostow am Don erneut heftig an. Die neue Regierung stachele einen Bürgerkrieg an und unterwerfe sich radikalen Nationalisten, sagte er und spekulierte über einen etwaigen Militäreinsatz gegen russischsprachige Regionen im Osten der Ukraine. Die für den 25. Mai angesetzte Präsidentschaftswahl bezeichnete er als illegal.