/ Kläranlagen werden zu Energiefabriken
Ein europäisches Projekt, an dem auch Forscher in Luxemburg beteiligt sind, soll dies ändern und aus Kläranlagen regelrechte Energiefabriken machen.
Alex Cornelissen und Kai Klepiszewski, beide mit akademischem Doktortitel und beide Wasserexperten, arbeiten am EU-Projekt „inners“ mit. Sie tragen Arbeitskleidung und entschuldigen sich; die Forscher müssen einmal pro Woche eine Anlage säubern und sind nicht sicher, ob sie so aufs Foto wollen.
Energieeinsparung
Die Unsicherheit übers Outfit weicht allerdings schnell der wissenschaftlichen Begeisterung über die Potenziale, die im Abwasser stecken. Es gibt eine ganze Reihe Möglichkeiten zur Energiegewinnung bzw. -einsparung.
Die Wissenschaftler des Centre Henri Tudor arbeiten an einem Teilaspekt dieser Möglichkeiten; ihre Kollegen in Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland, Belgien und Frankreich forschen komplementär und tauschen sich regelmäßig über ihre Arbeit aus.
EOS-System
Cornelissen und Klepiszewski entwickeln zurzeit das sog. EOS, ein Online-System, das eine ganze Reihe von Parametern der Siden-Kläranlage im Heiderscheidergrund in Echtzeit abfragt.
Die Sammlung von Daten ist einerseits wichtig für das Gesamtprojekt, dessen Ziel es ist, weg vom Energieverbrauch der Anlagen hin zur Energieproduktion durch Abwässer zu kommen, und andererseits können die Tudor-Forscher den Betriebsleitern vor Ort wertvolle Tipps zum sparsameren Einsatz der Geräte geben.
Feineinstellung online
So müssten zum Beispiel die Belüftungsaggregate zur biologischen Klärung (die Hauptstromverbraucher einer Kläranlage) nicht ständig voll laufen, um ihren Zweck zu erfüllen.
Ein Vergleich mit der Formel 1 drängt sich auf: Die Piloten greifen direkt in die Technik ihrer Boliden ein, während die Box über die Telemetrie eine bessere Übersicht über den Wagen hat und so wertvolle Hinweise zur günstigeren Einstellung etwa der Bremsbalance oder der Motoren geben kann.
Die praktische Erfahrung der Operateure vor Ort ist den beiden Wissenschaftlern dabei wichtig. Sie wollen offensichtlich nicht den Eindruck von Besserwissern machen, die fern der praktischen Realitäten das Steuer der Anlage übernehmen: Sie machen Vorschläge. Diese können allerdings zu recht hohen Einsparungen führen. Das Augenmerk der Anlagentechniker vor Ort gilt der Produktion sauberen Wassers; der Energieverbrauch steht dabei nicht an erster Stelle. Cornelissen und Klepiszewski suchen hingegen ein Gleichgewicht zwischen Energieverbrauch und Effizienz.
Die Feineinstellung einer Kläranlage über EOS erlaubt es zwar, bestehende Anlagen effizienter zu fahren; die Energieproduktion läuft aber auf anderen Ebenen.
Energieproduktion
So forschen Kollegen der beiden an der Nutzung der Wärme des Abwassers, das eine Temperatur zwischen 10 und 15 Grad Celsius hat. Mit Wärmetauschern kann dem verschmutzten Wasser Energie entzogen werden, die später für den Klärprozess oder andere Zwecke genutzt werden kann.
Auch bei diesem Prozess müssen zahlreiche Daten gesammelt werden.
Wird das Klärwasser zu kalt, funktionieren die biologisch-organischen Prozesse nicht mehr richtig. Es gilt demnach auch hier das richtige Gleichgewicht zu finden.
Andere Forscher entnehmen dem Abwasser noch vor der Klärung einen Großteil der organischen Bestandteile und vergären diese. Methangase und Wärme können anschließend genutzt werden; der Klärprozess selbst wird so zudem weniger aufwändig. All diese Anstrengungen, die im Rahmen des „inners“-Programmes unternommen werden, sollen mittelfristig die Kläranlagen demnach zu Stromproduzenten machen. Bei bestehenden Anlagen ist dies natürlich schwieriger zu erreichen als bei solchen, die entsprechend konzipiert werden.
Umsetzung
Wann die entsprechenden Methoden industriell umgesetzt werden können, darüber sind sich auch die beiden Wissenschaftler nicht einig. Einige Anlagen, etwa in Österreich, seien recht nahe an dem Ziel dran: Fünf bis zehn Jahre werde es allerdings wohl noch dauern, bis ihre Arbeit das gesteckte Ziel erreicht hat. Inzwischen sparen Syndikate und Kommunen in vielen europäischen Ländern aber bereits Energie und Geld, stoßen weniger Kohlendioxid aus und werden so umweltverträglicher.
Das Centre Tudor leistet seinen Beitrag hierzu …
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