Kiew verliert Delbazewo

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Nach monatelangen Gefechten haben die Separatisten die ostukrainische Stadt Debalzewo weitgehend eingenommen. Damit könnte das Friedensabkommen auf der Kippe stehen.

„Nur ein paar Wohnviertel sind noch übrig, dann haben wir den Ort völlig unter Kontrolle“, sagte Separatistensprecher Eduard Bassurin am Dienstag. Er sprach von „zahlreichen Gefangenen und vielen Toten“. Beide Seiten warfen sich vor, die vereinbarte Waffenruhe nie eingehalten zu haben.

Die ukrainische Regierung bestätigte die weitgehende Einnahme der Stadt. „Straßenkämpfe dauern an“, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Die Aufständischen setzten Artillerie und Panzertechnik ein. Regierungstreue Einheiten seien im Einsatz, um den Gegner aufzuhalten. Die Führung in Kiew warf den Aufständischen den Bruch der Vereinbarungen von Minsk vor. Debalzewo mit etwa 25 000 Einwohnern ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Separatistengebiet. Dort sollen seit Tagen Tausende Regierungssoldaten in nahezu aussichtsloser Lage eingekesselt sein.

Die Gefechte gelten als massiver Verstoß gegen das Friedensabkommen, das in der vergangenen Woche bei Verhandlungen mit Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande, dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und Kremlchef Wladimir Putin in der weißrussischen Hauptstadt Minsk geschlossen worden war. Demnach sollten die Konfliktparteien eigentlich ihre schweren Waffen aus dem Donbass abziehen.

„Es gibt vonseiten der Aufständischen keine wirkliche Waffenruhe, deshalb sind die Voraussetzungen (für einen Abzug) nicht gegeben“, sagte Militärsprecher Andrej Lyssenko in Kiew. Die Armee sei weiter bereit zur Bildung einer Pufferzone. „Unsere Stellungen werden aber wiederholt unter Feuer genommen“, beklagte er.

Separatistenführer Alexander Sachartschenko sagte in Debalzewo, der Vormarsch geschehe im Einklang mit den Minsker Vereinbarungen. „Dem Abkommen zufolge sollen illegale Kämpfer den Donbass verlassen. Nun, die Regierungseinheiten sind unerlaubt auf unserem Territorium, und wir entwaffnen nun diese Gruppen“, meinte er am Rande der Kämpfe.

Vor der Einnahme der Stadt hatte Kanzlerin Merkel bei einem Telefonat mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine, Putin und Petro Poroschenko, „konkrete Schritte“ besprochen, um eine Beobachtung der Lage in Debalzewo durch die OSZE zu ermöglichen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll die Einhaltung der Waffenruhe überwachen.

Vize-OSZE-Missionschef Alexander Hug erklärte, die Beobachter seien nicht nach Debalzewo gelangt, weil keine Sicherheitsgarantien gegeben worden seien. „Alle Seiten versuchen offenbar, bei Kämpfen neue Tatsachen zu schaffen, aber das widerspricht dem Geist des Minsker Abkommens“, sagte der Schweizer.