Kaum Hoffnung auf Überlebende

Kaum Hoffnung auf Überlebende
(dpa/Ivan Consiglio)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Europa befürchtet Hunderte Tote nach der jüngsten Flüchtlingsdrama vor Libyen. In Luxemburg treffen sich Innen- und Außenminister zum Krisengespräch. Anne Brasseur, Präsidentin der Europaratsversammlung, schlägt Alarm.

Der Untergang eines Flüchtlingsschiffs im Mittelmeer nimmt verheerende Ausmaße an. Nach Aussagen eines Überlebenden aus Bangladesch waren etwa 950 Menschen an Bord. Die Internationale Organisation für Migration erklärte, die Informationen würden geprüft. Ein Schiff der italienischen Küstenwache nahm 27 Überlebende auf und setzte am Montag Kurs in Richtung Sizilien. Die EU-Präsidentschaft forderte vor einem Krisentreffen in Luxemburg Verstärkung für die EU-Grenzschutzagentur Frontex.

Das Schiff war am Wochenende vor der Küste Libyens gekentert und gesunken (Artikel). Laut Küstenwache schlug es womöglich deshalb um, weil Flüchtlinge auf eine Seite geeilt waren, als sie am Samstagabend ein unter portugiesischer Flagge fahrendes Containerschiff herannahen sahen.

Hunderte Tote befürchtet

Die genaue Zahl der Menschen an Bord war auch am Montag nicht klar. Die italienische Küstenwache sprach davon, dass das havarierte Schiff Platz für Hunderte Menschen gehabt habe. Der Überlebende aus Bangladesch sagte der Staatsanwaltschaft, rund 300 der Insassen seien von Schmugglern in den Laderaum des Fischerboots gesperrt worden.

Geborgen wurden zunächst 24 Leichen, die zur Bestattung nach Malta gebracht wurden. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass Hunderte Menschen bei dem Unglück ums Leben kamen. Der italienische Grenzpolizist Antonino Iraso sagte, das Mittelmeer sei am Unglücksort zu tief für Taucher, wodurch nicht alle Opfer gefunden und eine endgültige Opferzahl somit vielleicht nie angegeben werden könne. Vor Libyen ist das Meer bis zu fünf Kilometer tief.

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi sagte, an dem Rettungseinsatz seien 18 Schiffe beteiligt gewesen. Er forderte seine EU-Kollegen zu Beratungen darüber auf, wie Menschenschmugglern das Handwerk gelegt werden könne. Italien habe bereits fast 1000 Verdächtige festgenommen, doch es werde mit dem Problem nicht allein fertig. Nötig sei unter anderem eine Stabilisierung der Lage in Libyen. Von dort starten besonders viele Flüchtlinge in Richtung Europa, weil es kaum noch eine funktionierende Staatsmacht gibt. Einen Einsatz von Bodentruppen schloss Renzi aus.

Europaratsversammlung schlägt Alarm

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte, die südlichen EU-Länder müssten Vorschläge koordinieren, um Flüchtlingstragödien zu verhindern. Er forderte europäische Solidarität. „Unsere Meere können nicht zu Leichendeponien werden“, sagte Tsipras. Frankreichs Präsident François Hollande forderte mehr Flugzeuge und Schiffe. Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy sagte, nur mit Worten werde das Problem nicht gelöst.

Die parlamentarische Versammlung des Europarates hat nach dem jüngsten Flüchtlingsdrama im Mittelmeer eine Dringlichkeitsdebatte dazu beschlossen. „Es ist unsere Aufgabe, die Alarmglocke zu läuten“, sagte die Präsidentin der Versammlung der 47 Europaratsländer, Anne Brasseur, am Montag in Straßburg. Die Partnerländer Italiens stünden in der Verantwortung, um die Lasten der Flüchtlingsströme untereinander aufzuteilen. Es sei ein Drama, dass erst so viele Menschen sterben müssten, um die Politiker in Europa wachzurütteln. Die Debatte ist für Donnerstag geplant.

Die lettische EU-Ratspräsidentschaft forderte eine schnelle Verstärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Kurzfristige Notmaßnahmen müssten schleunigst umgesetzt werden, sagte Innenminister Rihards Kozlovskis. Für den weiteren Verlauf des Montags war in Luxemburg ein Krisentreffen der EU-Innen- und -Außenminister zum Thema geplant.

Neue Tragödie vor Griechenland

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, die Minister sollten auch über einen möglichen EU-Sondergipfel zu den Flüchtlingstragödien sprechen. Dieser könne noch in dieser Woche stattfinden.

Unterdessen lief vor der griechischen Insel Rhodos ein Boot mit mindestens 83 Menschen an Bord auf Grund. Mindestens drei Menschen wurden nach Angaben der griechischen Küstenwache getötet, unter ihnen ein Kind. 23 kamen ins Krankenhaus.

Lesen Sie mehr dazu:

– EU im Kreuzfeuer der Kritik

– Krisentreffen in Luxemburg