Kampf um Kompetenzen ist erst am Anfang

Kampf um Kompetenzen ist erst am Anfang
(SIP/Thomas Barbancey)

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Bis Oktober 2014 ist Catherine Ashton noch die EU-Chefdiplomatin. Danach soll manches besser werden: In der EU hat die Debatte um Reformen für eine bessere europäische Außenpolitik begonnen.

Zufrieden ist niemand. Seit die europäische Außenpolitik mit dem Lissabon-Vertrag 2009 amtlich aus der Taufe gehoben wurde, seit sie im Januar 2011 mit dem „Europäischen Auswärtigen Dienst“ (EAD) Gestalt annahm, ist die Kritik nicht verstummt. „Zu wenig Durchschlagskraft“ habe die EAD-Chefin Catherine Ashton, hieß es immer wieder in EU-Hauptstädten. Und zu oft würden die wichtigen (Vor-)Entscheidungen nicht von den EU-Diplomaten, sondern in nationalen Hauptstädten getroffen.

Ashton will im Juli eine Zwischenbilanz der EAD-Arbeit ziehen – und deswegen brachten sich die EU-Außenminister am Samstag in Dublin in Stellung, um Pflöcke für ihrer Ansicht nach nötige Reformen einzuschlagen. So fanden sich 14 Außenminister zusammen, darunter auch der Luxemburger Ressortchef Jean Asselborn, um Ashton Entlastung im Kompetenzgerangel mit der EU-Kommission zu verschaffen. Zwar ist die britische Labour-Politikerin Vizepräsidentin der Kommission, tut sich aber schwer mit alten Gewohnheiten und Machtansprüchen.

Kampf um Macht und Kompetenzen

Spätestens ab 2014, wenn nach den Europawahlen vom Mai die Karten im großen Machtpoker neu gemischt werden und Ashton („Es ist manchmal sehr anstrengend“) die EAD-Leitung abgibt, muss ihr Nachfolger mehr Befugnisse bekommen. In einem „Non-Paper“ der 14 Außenminister wird unter anderem mindestens ein politischer Stellvertreter für die „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“ gefordert. Diplomatische Groß-Aktionen wie die von Ashton betreuten Gespräche zwischen Serben und Kosovaren seien so zeitaufwendig, dass Ashton dringend Hilfe brauche, hieß es in Dublin. Mit einem Stellvertreter könne sie auch zusätzliche Aufgaben übernehmen. Das sei kein wirklicher Mehraufwand, denn damit entfielen kräftezehrende Differenzen zwischen dem EAD und der EU-Kommission.

Kurz bevor der EAD gegründet wurde, hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Zuständigkeiten in seiner Behörde so zugeschnitten, dass Nachbarschaftspolitik, Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe nicht mehr zur Außenpolitik gehörten, sondern von drei Kommissaren betreut wurden. Schon damals sahen manche Diplomaten darin einen Versuch, die Außenbeauftragte auszubremsen. So kommt es nicht überraschend, dass die 14 Außenminister jetzt fordern, die Nachbarschaftspolitik mit den Beziehungen zu den Ländern im Süden und Osten der EU gänzlich dem EAD zuzuschlagen. Und für die strategische Planung der Entwicklungspolitik soll künftig ebenfalls die oder der EU-Außenbeauftragte zuständig sein.

EU-Diplomaten mit wenig Befugnisse

Dies soll einhergehen mit einer klareren Rollenverteilung in den 140 EU-Botschaften. Bis 2011 waren das im wesentlichen die Vertretungen der EU-Kommission. Seither sollen es EU-Botschaften sein. Doch, so beklagen die Außenminister, hätten die von Ashton ernannten EU-Botschafter nach wie vor in vielen Fällen nicht wirklich die Kontrolle über die Angestellten in der eigenen Mission erlangt: Manche betrachteten sich nach wie vor als Kommissionsbeamte, die mit dem EAD nichts zu tun haben, in einigen Fällen unterstehen sie nicht einmal der Finanzhoheit des EAD.

Was am Ende aus den Reformforderungen wird, bleibt zunächst unklar. Denn Frankreich und Großbritannien, ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, gehören nicht zu den 14 Unterzeichnern. London und Paris kultivieren seit jeher einen Sonderstatus. Im Zweifelsfall tun sie, was sie für richtig halten.

Ashton-Nachfolger muss kämpfen können

„Manchmal ist der EAD wie ein Flugzeug, bei dem während des Fluges noch an den Flügeln gebaut wird“, sagt Ashton gerne. „Sie hat um alles kämpfen müssen, was sie brauchte“, erinnert sich ein ranghoher EU-Diplomat. Ihr Nachfolger müsse stärker als Ashton „den Anspruch erheben, bei allem mitzureden, auch wenn das manchem Regierungschef richtig auf die Nerven geht“. Und der Diplomat fügt hinzu: „Der Nachfolger muss richtig hart im Kämpfen sein.“